60 Kilo Wildschweinkeule im Froster: Das Cavalierhaus schläft nur Von Silke Nauschütz, dpa

Der Fürst-Pückler-Park Branitz ist um eine Attraktion reicher. Das
Cavalierhaus erstrahlt in neuem Glanz. Restaurant und Pension bieten
Köstlichkeiten und Urlaub. Doch die Eröffnung fällt vorerst aus.

Cottbus (dpa/bb) - Tim Sillack steht lächelnd in seinem Restaurant.
Dabei hätte der Koch und Pächter des frisch sanierten Cavalierhauses
im Branitzer Park derzeit allen Grund sich zu grämen. Für die
geplante Eröffnung am 1. April haben er und sein Küchenteam eine
Woche lang die Speisekarte zur Probe rauf und runter gekocht. Fonds
für Soßen wurden bereitet, 60 Kilo Wildschweinkeule zerlegt und auch
der Skrei, der Winterkabeljau von den Lofoten, war bereits
eingetroffen. Das Haus wartete auf die Gäste, es konnte losgehen.

«Wir haben einfach so getan, als ob nichts wäre und weiter alles
vorbereitet. Nach der Ansprache der Kanzlerin zu den Beschränkungen
wegen der Corona-Pandemie war dann Schluss», sagt Sillack und schaut
aus dem Fenster auf die Parkanlage, die wie auch die vergangenen Tage
von der Sonne durchflutet wird. Fürst Hermann von Pückler Muskau
(1785-1871), ehemaliger Schlossherr und Gartenkünstler, hätte
vermutlich seine Freude gehabt. Der Park von Branitz ist sein
Alterswerk. Die Natur strahlt eine Beschaulichkeit aus, als würde die
Corona-Krise nicht existieren.

Doch Sillacks großes Projekt liegt auf Eis. Nur Gefrierschrank und
Kühlhaus sind in Betrieb. Restaurant, Pension und das Café im
Cavalierhaus bleiben erst einmal geschlossen. Sein aktuell
elfköpfiges Team ist in Kurzarbeit, darunter ein Kollege, den er
extra aus Hamburg in die Lausitz gelockt hat. Alle tragen die
Situation mit. «Wir haben uns entschieden, für Tim zu arbeiten und
halten daran fest. Wir haben alle Lust auf den Laden», sagt
Restaurantchefin Alexandra Kühn. Es mache Spaß zu sehen, wie
motiviert Sillack sei. Das stecke an.

«Wir haben das Gebäude in den Schlaf versetzt, aus dem wir es
anderthalb Jahre probiert haben rauszubekommen», sagt der 32-Jährige
Cottbuser dennoch betrübt. Optimistisch bleibe er trotzdem. Er führt
durch das Restaurant mit großen bequemen Sofas, Weinschränken und
maßgefertigten Möbeln einer regionalen Firma. Es geht vorbei am
«Eislabor», welches nicht fehlen darf wegen des bekannten
Pückler-Eises. Das älteste bekannte Rezept für ein Eis dieses Namens

soll vom Königlich-Preußischen Hofkoch Louis Ferdinand Jungius
stammen, der Pückler um 1839 in seinem Kochbuch ein dreischichtiges
Sahneeis widmete.

Die drei neuen Pensionszimmer im Haus sollen drei Abschnitte in
Pücklers Leben nachzeichnen und heißen deshalb Branitz, Orient und
englisches Zimmer. Tapeten mit Ornamenten, ein Schrank mit
Papageienmotiven - Pückler hielt sich die Vögel -, seidene Vorhänge,

expliziter Schloss-Blick, ein Schreibtisch. «Mein Traum ist, dass
sich hier eines Tages jemand mal länger einmietet und ein Buch
schreibt», wünscht sich Sillack. Auch der Frühstücksraum sieht nach

dem Geschmack des für seine Extravaganzen bekannten Fürsten aus. Ein
bunter Blumenteppich ist ausgelegt, die vielen kleinen Accessoires
sind wohl überlegt drappiert. Sillack bleibt vor einem Bild stehen.
Es ist eine Dauerleihgabe aus dem Arbeitzimmer seiner Eltern. Sie
hätten es nach einiger Überzeugungsarbeit hergegeben, erzählt er mit

einem Lächeln.

Andere Kunstwerke stellte die öffentlich-rechtliche Stiftung
Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz, die sich um Erhalt und
Pflege kümmert, aus ihrem Fundus zur Verfügung. 1,6 Millionen Euro
steuerte das Land aus einem Sonderfonds für die Sanierung bei: für
das Dach, die Restaurierung von Skulpuren und einen Großteil der
Infrastruktur. Bund und die Stadt Cottbus übernahmen den Rest der
Kosten von insgesamt 1,8 Millionen Euro. Sillack bezahlte 300 000
Euro aus eigener Tasche.

«Es ist ein charismatisches Haus mit einem charismatischen jungen
Küchenchef und Pächter und einem jungen Team», lobt Stiftungsdirektor

Stefan Körner. Das Cavalierhaus liege im Herzen eines
Gesamtkunstwerks mit Schloss und dem Marstall mit
Sonderausstellungen. «Pückler und moderne Zutaten aus der Lausitz,
alte Rezepte neu und experementierfreudig interpretiert», das passe
zum Fürsten.

Im Cavalierhaus aus dem 19. Jahrhundert, einst das Wirtschaftsgebäude
des Schlosses Branitz, brachte Fürst Pückler seine Gäste und
Bediensteten unter, darunter den Jäger und Geheimsekretär Wilhelm
Heinrich Masser, genannt Billy. Der war auch für die Tafelbücher und
Menüfolgen des Fürsten zuständig, die man heute noch einsehen kann -

eineVorlage für Koch Sillack. «Wir konnten uns an den
Geschmackbildern orientieren, die er kreiert hat und sie mit unseren
modernen Kochtechniken verbinden.»

So erfuhr der junge Küchenmeister aus den alten Büchern, dass der
Fürst zum Nachtisch gern Käse aß, dazu Radieschen und Pumpernickel,
Fenchel und Sellerie. Pückler mochte die Küche aus der Region. Auch
bei Sillack stehen Kartoffeln mit Quark oder regionaler Fisch auf der
Speisekarte. Pückler, auch Reisschriftsteller, kannte sich aber auch
in der italienischen, französischen und afrikanischen Küche aus.
Zudem galt er als Freund kulinarischer Köstlichkeiten. Das teilt der
Fürst mit Sillack, der gern Vorspeisen und Desserts zubereitet und
dafür sein langjähriges Wissen mit einbringt. Sein Motto: Pückler
nicht kopieren, sondern kreieren.

Wie sehr der kreative Kopf gerade leidet, weil er die Gäste nicht mit
seinen Speisen verwöhnen kann, lässt sich Sillack nicht anmerken. Der
bekennende Stoffservietten-Fan ist bekannt für kurzfristige
Zwischenlösungen. «Ich habe die Situation schnell neu bewertet, Not
macht erfinderisch», sagt er. So stellte der Küchenchef gemeinsam mit
einem regionalen Weinladen einen Menü-Lieferservice auf die Beine.
Ochsenbacke mit Kartoffelnußbutterpüree und Wurzelgemüse etwa oder
Linguini mit Ratatouille werden kochfertig verpackt und mit dem
passenden Wein direkt ins Haus geliefert.

Und dann gibt es ja noch den kleinen Cavalier - ein Imbiss im Park,
indem Sillack und sein Team derzeit außer Haus verkaufen dürfen. «Wir

haben zum Glück viel Platz im Park und beim Anstehen achtet jeder auf
sich selbst.»