Union und SPD gewinnen als Krisenmanager - Problem für die Grünen? Von Teresa Dapp, dpa

Wenn das Land in der Krise steckt, sagt man, kommt «die Stunde der
Exekutive» - der Regierung, die am Steuer steht und das Schiff lenkt.
Gar nicht einfach für die Opposition. Erst recht, wenn man - wie die
Grünen - schon so halb als Regierung wahrgenommen wurde. Und nun?

Berlin (dpa) - Das Land ist im Ausnahmezustand, die Politik auch. Die
Kanzlerin in Quarantäne in ihrer Wohnung. Ihre Ministerinnen und
Minister treten Tag für Tag ernst vor die Kameras, immer geht es um
sehr viel: Um Milliarden-Hilfen von historischem Ausmaß für die
Wirtschaft, um Menschen, die akut Angst um ihren Job und ihre Wohnung
haben, um den Nachschub an Lebensmitteln für die Supermärkte. Eine
Bundesregierung im Krisenmanager-Modus. Und das kommt beim Wähler
offenbar an.

Vor allem die Union legt in Umfragen zu, ein bisschen auch die SPD.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist der Mann der Stunde,
CSU-Chef Markus Söder als besonders energischer Corona-Bekämpfer
allgegenwärtig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erntet auch im Ausland
Lob für besonnene, aber klare Worte.

Die Koalitionsparteien gewinnen auf Kosten der Opposition - und da
fallen vor allem die Grünen ins Auge. In zwei von drei Umfragen am
vergangenen Wochenende sind sie unter die 20-Prozent-Marke gerutscht.
Wenn man bedenkt, dass sie 2017 mit 8,9 Prozent als kleinste Fraktion
in den Bundestag einzogen, sind 17 bis 19 immer noch sehr viel - aber
die Erwartung an die Grünen ist längst eine andere. Da ging es in den
vergangenen Monaten um die Kanzlerkandidatur einer gefühlten
Fast-schon-Regierungspartei, die sich auch selbst gern so
staatstragend präsentiert, als säße sie schon mit am Kabinettstisch.


Nun müssen die Grünen im Bund - wie FDP, Linke und AfD auch -
weitgehend von der Seitenlinie zuschauen, wie CDU/CSU und SPD das
Land durch die raue See der Corona-Krise steuern. Sie zeigen sich
dabei betont konstruktiv, loben Merkel und die Zusammenarbeit mit den
Regierungsfraktionen, tragen Koalitionsbeschlüsse im Bundestag mit.

«Jetzt ist die Stunde der Exekutive», sagt Jürgen Trittin, der
ehemalige Bundesminister - und erinnert daran, dass die Grünen in elf
Bundesländern mitregieren. In Baden-Württemberg stellen sie sogar den
Ministerpräsidenten, aber nirgends etwa einen Innenminister, der nun
über Kontaktverbote für den Gesundheitsschutz wachen würde.

Der Grünen-Markenkern Klimaschutz, der monatelang die Politik
dominierte, ist plötzlich ein Randthema. Die Aktivisten von Fridays
for Future müssen, wie alle anderen auch, zu Hause bleiben.
Interessiert die Klimakrise, wenn es um Kurzarbeit, Jobverlust,
Existenzangst geht? In der Bundestagsdebatte zur Krise sagte
Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nur einmal, ganz zum Schluss
ihrer Rede, die Worte «ökologisch sinnvoll».

Schon vor der Corona-Pandemie, als sich ein Ende des langen
wirtschaftlichen Aufschwungs abzeichnete, witzelte man bei den
Grünen: «Immer wenn wir dran kommen, ist das Geld alle.» Nun könn
te
es eine tiefe Krise geben. Seit langem arbeiten die Grünen an ihrem
wirtschaftspolitischen Image - Ex-Parteichef Cem Özdemir legte vor,
die Doppelspitze Robert Habeck und Annalena Baebock macht weiter. In
der Sozialpolitik ebenso. Ob sich das auszahlt, muss sich nun zeigen.

«Es ist ja nichts Neues, dass die Grünen sich auch
wirtschaftspolitisch zu Wort melden», sagt auch Trittin. «Schon vor
Corona war absehbar, dass das Wachstum so nicht weitergeht, dafür
haben wir gefordert, einen Investitionsfonds aufzulegen.» Als die
Krise Fahrt aufnahm, reagierten Partei und Fraktion schnell, schlugen
Maßnahmen vor, die die schwarz-rote Koalition teils Tage später auch
ins Programm nahm. Ob das hilft? «Man wird mit der Kompetenz
wahrgenommen, die einem zugeschrieben wird», sagt Trittin. «Beweisen
kann man sich beim Regieren besser als mit Papieren.»