Trump bereitet USA in Corona-Krise auf dramatische Todeszahlen vor

Aus der schnellen Rückkehr zur Normalität wird erst mal nichts - das
leuchtet mittlerweile auch US-Präsident Trump ein. Er stimmt die
USA auf ein düsteres Szenario in der Coronavirus-Pandemie ein: Allein
in den USA könnten 100 000 Menschen sterben.

Washington (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat die Amerikaner in
der Coronavirus-Krise auf dramatische Opferzahlen vorbereitet. Wenn
es gelinge, die Todeszahl durch Eindämmungsmaßnahmen auf 100 000 zu
begrenzen, «dann haben wir alle zusammen einen guten Job gemacht»,
sagte Trump am Sonntagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz im
Weißen Haus. Er fügte hinzu: «Das ist eine furchtbare Zahl.» Trump

kündigte an, geltende Richtlinien zur sozialen Distanz um einen Monat
bis Ende April auszuweiten. Am Montag schloss er nicht aus, dass es
über diesen Zeitpunkt hinaus eine weitere Verlängerung geben könnte.

Er werde auf seine Experten vertrauen, sagte Trump bei Fox News. «Wir
müssen dieses Ding, dieses Virus, verschwinden lassen. Wir müssen es

besiegen. Wir sind im Krieg.»

MEHR ALS ZWEI MILLIONEN TOTE OHNE EINDÄMMUNGSMASSNAHMEN?

Trump begründete die Verlängerung der Schutzmaßnahmen mit einer am
16. März veröffentlichten Studie des Imperial College in London, die
von 2,2 Millionen Toten in den USA ausging, sollten überhaupt keine
Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen werden. Die Zahl der
nachgewiesenen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 in den USA
liegt der Johns-Hopkins-Universität zufolge bereits bei über 150 000.
Mehr als 2800 Menschen starben. Besonders besorgniserregend ist die
Lage im Bundesstaat New York. Hotspots drohen sich aber auch in
Chicago und New Orleans zu entwickeln.

DIE HOFFNUNG

Die Ärztin Deborah Birx von der Coronavirus-Arbeitsgruppe im Weißen
Haus sagte, Vorhersagen gingen auch mit Eindämmungsmaßnahmen von
80 000 bis 160 000 Toten in den USA aus, potenziell sogar von mehr
als 200 000 Toten. «In diesem Modell wird vollständig davon
ausgegangen, dass wir weiterhin exakt das tun, was wir tun.» Sie
fügte hinzu: «Wir hoffen, dass diese Modelle nicht ganz richtig sind.
Dass wir es besser machen können, als diese Vorhersagen sind.» Der
Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony
Fauci, sagte dem Sender ABC, dass trotz der Ausweitung der Maßnahmen
mehr Menschen sterben werden. «Wie viele genau wir verlieren werden,
ist unsicher und hängt von der Wirksamkeit unserer Anstrengungen ab.»

ENDE DES «ALPTRAUMS»

Trump erwartet, dass die Zahl der Toten in der Corona-Krise in den
USA in zwei Wochen ihren Höhepunkt erreichen könnte. Angesichts
dessen sei es besonders wichtig, dass jeder die Richtlinien
nachhaltig befolge. Je besser diese umgesetzt würden, «desto
schneller wird dieser Alptraum enden», sagte Trump.

Die vor zwei Wochen veröffentlichten Richtlinien sehen unter anderem
vor, dass Menschen Abstand zueinander halten und Ansammlungen von
mehr als zehn Menschen vermieden werden sollen. Zudem sollen
Restaurants, Cafés und Bars Speisen und Getränke nur zur Mitnahme
oder Lieferung anbieten. Trump zeigte sich optimistisch, dass bis zum
Sommer das Schlimmste überstanden sein könnte. «Wir können davon
ausgehen, dass wir bis zum 1. Juni auf dem Weg der Erholung sind.»

VERÄNDERTE TONLAGE

Noch vor wenigen Tagen hatte Trump gesagt, dass er die USA bis
Ostersonntag - also in zwei Wochen - wieder weitgehend im
Normalbetrieb sehen wolle. Nun sagte er: «Nichts wäre schlimmer, als
den Sieg zu verkünden, bevor der Sieg gewonnen ist. Das wäre der
größte Verlust von allem.» Trump versicherte zugleich: «Wir werden

diesen unsichtbaren Fluch, diesen unsichtbaren Feind besiegen.»

STREIT ÜBER EINDÄMMUNGSMASSNAHMEN

Am Wochenende stand die Möglichkeit im Raum, dass die Regierung in
Washington die Bewegungsfreiheit für Menschen in den Staaten New
York, New Jersey und Connecticut drastisch einschränken könnte, um
die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nach Beratungen mit seiner
Coronavirus-Arbeitsgruppe und den betroffenen Gouverneuren der
Bundesstaaten verkündete Trump, dass das nicht nötig sein werde. Mit
den noch nicht spruchreifen Aussagen hatte sich Trump Kritik
eingehandelt. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo sprach von einer
«Kriegserklärung» an die Staaten.

EPIZENTRUM NEW YORK

Der US-Ostküstenstaat New York mit der gleichnamigen
Millionenmetropole hat sich zum Epizentrum der Coronavirus-Pandemie
in den USA entwickelt. Dort wurden mehr als 66 000 Menschen positiv
auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet. Lokale Behörden haben immer
wieder gewarnt, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser dort nicht
ansatzweise auf die Ansteckung weiter Teile der Bevölkerung
vorbereitet seien. Es könnte zu Engpässen bei Beatmungsgeräten
kommen. «Wir versuchen, unsere Köpfe über Wasser zu halten und nicht

unterzugehen», sagte die Ärztin in der Notaufnahme eines
Krankenhauses in New York, Arabia Mollette, dem TV-Sender CNN.

APPELL FÜR EINHEIT

Für Entlastung soll nun das Lazarettschiff «Comfort» der Marine mit

1000 Betten und 12 Operationssälen sorgen. Das riesige Schiff legte
am Montag im Hafen von New York an der Westseite Manhattans an,
nachdem es an der Freiheitsstatue vorbeigefahren war. Der Gouverneur
des Staates rief in der Corona-Pandemie zur Einheit auf. «Wenn es zu
diesem Zeitpunkt eine Spaltung gibt, dann wird das Virus uns
besiegen», sagte Cuomo. Das Land befinde sich in einer Krise - es sei
nicht die Zeit für Parteipolitik.