Stichwahlen in Corona-Krise: Machtwechsel in Nürnberg und Ingolstadt

Die Kommunalwahlen inmitten der Corona-Krise werden in die bayerische
Geschichte eingehen: Bei den Stichwahlen war nur Briefwahl möglich.
Die Ergebnisse ergeben ein buntes Bild aus Siegern und Verlierern.

München (dpa/lby) - Die wegen der Corona-Krise beispiellosen
Kommunal-Stichwahlen in Bayern haben in mindestens zwei Großstädten
Machtwechsel herbeigeführt. Die SPD verlor in ihrer bisherigen
kommunalpolitischen Hochburg Nürnberg den Oberbürgermeisterposten an
die CSU, eroberte dafür aber Ingolstadt. In München stand Dieter
Reiter (SPD) als alter und auch neuer Oberbürgermeister quasi fest.
Die Landrats-Stichwahlen wurden zum Erfolg für die Freien Wähler,
während die Grünen Miesbach verloren und ansonsten leer ausgingen.

In Nürnberg gewann Marcus König (CSU) die Stichwahl am Sonntag mit
52,2 Prozent gegen den SPD-Kandidaten Thorsten Brehm (47,8 Prozent).
König beerbt den bisherigen SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly, der
nach 18 Jahren auf eine neuerliche Kandidatur verzichtet hatte. In
Ingolstadt gewann der SPD-Herausforderer Christian Scharpf mit 59,3
Prozent gegen den CSU-Amtsinhaber Christian Lösel (40,7 Prozent).

In München führte der SPD-Amtsinhaber Reiter nach Auszählung von 636

der 1001 Gebiete am Sonntagabend klar mit gut 71 Prozent. Seine
Herausforderin von der CSU, Kristina Frank, lag bei 29 Prozent.
Reiter dankte bereits für «viel Rückenwind für die nächste
Amtsperiode», auch wenn das Endergebnis erst am Montag erwartet wird.

Die Stichwahl in Augsburg gewann die CSU-Kandidatin Eva Weber mit
62,3 Prozent der Stimmen. Dirk Wurm (SPD) kam auf 37,7 Prozent. Die
FDP verteidigte in Landshut ihren einzigen OB-Sessel in Bayern. In
Regensburg wird erst an diesem Montag mit der Auszählung begonnen.

CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder reagierte erfreut auf die
CSU-Erfolge in seiner Heimatstadt Nürnberg und in Augsburg. «CSU kann
Großstadt», schrieb er auf Twitter. Bayerns SPD-Generalsekretär Uli
Grötsch sagte dagegen: «Nürnberg tut ungeheuer weh.» Andererseits
freue sich die SPD über viele gewonnene OB-Posten. Tatsächlich
eroberte die SPD von der CSU unter anderem Hof und Schwabach.

Zur Pleite für die Grünen wurde die Landratswahl im Kreis Miesbach,
wo die CSU den Landratsposten nach sechs Jahren zurückeroberte: Der
grüne Landrat Wolfgang Rzehak unterlag mit 34,59 Prozent gegen seinen
CSU-Herausforderer Olaf von Löwis, der auf 65,41 Prozent kam. Die
Grünen stellen damit künftig nur noch einen einzigen Landrat - sie
gingen bei mehreren Landrats-Stichwahlen am Sonntag leer aus.

Freud und Leid bei der CSU: Sie verteidigte am Sonntag - so der Stand
nach Ende fast aller Auszählungen - zwar zehn Landkreise und eroberte
je einen von den Grünen und von den Freien Wählern. Im Gegenzug
verlor die CSU aber vier Stichwahlen gegen Freie Wähler.

Die Freien Wähler konnten damit bei den diesjährigen Kommunalwahlen
von insgesamt 12 auf 14 Landratsposten zulegen. Die CSU stellt wie
bisher 53 der insgesamt 71 Landräte. Die Grünen haben nur noch einen
dieser Posten, die SPD künftig nur noch drei statt bisher vier.

«Es sind sensationelle Ergebnisse für die Freien Wähler», sagte
Parteichef Hubert Aiwanger. Für seine Partei sei der Sonntag ein
«Freudentag».

Grünen-Landeschefin Eva Lettenbauer sagte: «Ich denke, dass klar ist,
dass wir Grüne den Landkreis Miesbach nicht gepachtet haben.» Viel
wichtiger sei aber das gesamte Ergebnis der gesamten Kommunalwahl:
Die Grünen hätten vor zwei Wochen klar hinzugewinnen können und seien

bayernweit zweitstärkste Kraft geworden - das sei ein ganz großer und
wichtiger Grundstein für die nächsten Wahlen.

Die Wahlbeteiligung war vielerorts höher als im ersten Wahlgang zwei
Wochen zuvor. Erstmals in der bayerischen Geschichte konnten
sämtliche Wahlberechtigten bis Sonntagabend nur per Brief ihre Stimme
abgeben - Wahllokale gab es wegen der Coronavirus-Gefahr keine.

In Nürnberg stieg die Wahlbeteiligung von gut 47 Prozent im ersten
Wahlgang auf jetzt 51,6 Prozent, in Augsburg von 45,3 auf 48,2
Prozent. Und auch in München werde die Wahlbeteiligung mindestens so
hoch sein wie vor zwei Wochen, eher sogar höher, sagte ein Sprecher
des Kreisverwaltungsreferats (KVR) schon am Sonntagnachmittag.

Zig Millionen Menschen in Bayern waren aufgerufen, bei rund 750
Stichwahlen bis spätestens Sonntagabend um 18.00 Uhr ihr Stimme
abzugeben - und zwar überall dort, wo im ersten Durchgang am 15. März
kein Bewerber sofort mehr als 50 Prozent der Stimmen geholt hatte.

Beim ersten Wahlgang am 15. März waren die Wahllokale noch ganz
normal geöffnet gewesen. An dem Sonntag waren auch alle Stadträte,
Gemeinderäte und Kreistage in ganz Bayern neu gewählt worden.

In den kreisfreien Städten und Landkreisen kam die CSU dabei
landesweit auf 34,5 Prozent - das waren 5,1 Prozentpunkte weniger als
2014. Die Grünen holten 17,3 Prozent und damit 7,1 Prozentpunkte mehr
als 2014. Die SPD erreichte in den kreisfreien Städten und
Landkreisen 13,7 Prozent, die Freien Wähler 4,1 Prozent, die AfD 4,7
und die FDP 2,7 Prozent.

Am Tag nach dem ersten Durchgang hatte Ministerpräsident Söder
bekanntgegeben, dass die Stichwahlen wegen der Corona-Gefahr nur als
Briefwahl stattfinden werden. Um das Risiko nachträglicher
Wahlanfechtungen zu minimieren, verabschiedete der Landtag vergangene
Woche im Eiltempo noch eine entsprechende gesetzliche Regelung.

Die Organisation der Stichwahl als reine Briefwahl war ein großer
logistischer Aufwand. Briefwahl-Unterlagen mussten an alle
Wahlberechtigten in den betroffenen Kommunen versandt werden.

Mancherorts kamen einige Briefe erst auf den letzten Drücker an. In
Nürnberg gab es laut Wahlamt deshalb viele Beschwerden. Es seien
allerdings nur rund 370 Ersatz-Anträge ausgestellt worden - das ist
ein Prozent aller ursprünglich verschickten Unterlagen. Das zeige,
dass viele ihre Unterlagen doch noch am Freitag oder Samstag bekommen
hätten, sagte der Wahlleiter. In Augsburg und auch in München hielt
sich die Anzahl der Ersatz-Anträge offenbar ebenfalls in Grenzen.

In Bayern gelten wegen der Coronavirus-Gefahr seit 21. März
umfangreiche Ausgangsbeschränkungen. Ausdrücklich erlaubt war aber
neben vielen anderen Dingen auch die Abgabe von Briefwahl-Unterlagen.

Bayern ist neben Nordrhein-Westfalen das am stärksten vom Coronavirus
betroffene Bundesland. Laut Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU)
wurden bis Sonntag landesweit 13 263 Menschen positiv auf Sars-CoV-2
getestet. 110 infizierte Patienten starben bisher in der Folge daran.