Corona-Hilfen im Südwesten fließen nun unabhängig vom Privatvermöge n

Viele Antragssteller waren enttäuscht: Hilfe für Solo-Selbstständige

und Kleinunternehmer in Corona-Zeiten sollte es nur für jene geben,
deren Konten ohnehin leer sind. Jetzt hat das Wirtschaftsministerium
nachgebessert - doch schon werden weitere Hilferufe laut.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Corona-Soforthilfen in Baden-Württemberg
sollen nun doch ohne Prüfung des privaten Vermögens genehmigt werden.
Die Entscheidung gelte auch rückwirkend für alle Anträge seit dem
Start der Soforthilfe am vergangenen Mittwoch, teilte das
Wirtschaftsministerium am Sonntag mit. «Stattdessen müssen
Antragssteller nur nachweisen, dass die laufenden betrieblichen
Einnahmen nicht ausreichen, um die laufenden betrieblichen Kosten des
Unternehmens zu finanzieren», sagte Wirtschaftsministerin Nicole
Hoffmeister-Kraut (CDU).

Die Entscheidung fand bei Parteien und Verbänden Zuspruch. Es sei
gut, dass die Landesregierung reagiert habe, sagte FDP-Fraktionschef
Hans-Ulrich Rülke. Die Konstruktion der Hilfen scheine aber zu
bürokratisch - man werde das Hilfsprogramm auch weiterhin auf seine
Praxistauglichkeit prüfen. CDU-Landeschef Thomas Strobl teilte mit,
er unterstütze die neue Lösung ausdrücklich - vor allem, weil sie
auch für Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten gelte.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) pochte darauf, dass die neue
Regelung auch für bisherige Anträge greift. «Dass die Anpassung der
Förderkriterien für die Soforthilfe des Landes rückwirkend gilt, war

mir wichtig. Alles andere wäre denen gegenüber nicht zu vermitteln
gewesen, die den Antrag wegen wegbrechender Einnahmen möglicherweise
bereits gestellt haben, ohne private Mittel aufgewendet zu haben.»

Beim Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) zeigte man sich
angesichts der neuen Regelung erleichtert. «Viele Einzelhändler sind
ja auch Einzelkaufleute», sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine
Hagmann. «Wenn einer von ihnen gerade seine Lebensversicherung
ausgezahlt bekommen hat, müsste er seine Altersvorsorge einsetzen.»

Schelte gab es von der SPD: Die Landesregierung stifte Verwirrung,
anstatt zu handeln, sagte Fraktionschef Andreas Storch am Sonntag.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hingegen begrüßte die
Nachbesserung, forderte jedoch, das Soforthilfeprogramm auch auf
mittelständische Unternehmen auszuweiten. «Jetzt gilt es, eine
weitere Lücke zu schließen: Rund ein Drittel der Menschen arbeiten in
Betrieben, die zwischen 50 und 249 Menschen Arbeit geben.» Auch
mittelständische Unternehmen bräuchten dringend finanzielle Hilfe.
Denkbar seien direkte Liquiditätszuschüsse oder zinslose Darlehen.

Aufatmen können derweil die Bauern im Südwesten. Landwirtschaftliche
Betriebe können laut Landwirtschaftsministerium wegen der
Corona-Krise ab nächster Woche ebenfalls Soforthilfen beantragen.
Bisher sei nur der gewerbliche Teil der Landwirtschaft dafür in Frage
gekommen, doch das werde sich ändern, sagte Landwirtschaftsminister
Peter Hauk (CDU) am Sonntag. Mit dem Schritt helfe man nicht nur den
Bäuerinnen und Bauern, man leiste auch einen Beitrag dazu, dass die
Versorgung mit Lebensmitteln im Land sichergestellt sei.

Das fand Lob bei der SPD, obwohl deren agrarpolitischer Sprecher
kritisierte, die Regierung werde «durch die Krise getrieben». «Zum
wiederholten Male werden nun nach Kritik die Förderbedingungen
geändert», sagte Jonas Weber. Es scheine, als könnten jetzt alle die

Hand aufhalten und jeder, der laut genug schreie, werde bedient.

Antragsteller müssen nach der Änderung nun lediglich versichern, dass
sie durch Corona in einen Liquiditätsengpass geraten und dadurch in
ihrer Existenz bedroht sind. Dieser Fall liege dann vor, wenn die
fortlaufenden Einnahmen nicht ausreichten, um die Verbindlichkeiten
der nächsten drei Monate zu zahlen, etwa Mieten oder Pacht oder
Leasing-Verträge, hieß es beim Wirtschaftsministerium.

Zuvor hatte es an der Nothilfe des Landes Kritik gegeben, weil Klein-
und Kleinstunternehmer sowie Solo-Selbstständige ihr Privatvermögen
zur Geschäftssicherung hätten heranziehen sollen, bevor es Hilfe
gibt. Bestraft würden dadurch jene, die gut gewirtschaftet hätten,
hieß es daraufhin.

«Wir haben dieses Programm in einem Kraftakt innerhalb weniger Tage
an den Start gebracht. In einer solchen Situation bleibt es nicht
aus, dass auch nach Programmstart Eckpunkte nachgeschärft,
Unklarheiten beseitigt oder Auslegungsfragen geklärt werden müssen»,

erklärte Ministerin Hoffmeister-Kraut dazu. «Für uns hatte oberste
Priorität, schnell Gelder auszahlen zu können.» In den folgenden
Wochen werde es noch weitere Modifizierungen geben.