Sprunghafter Anstieg von Kurzarbeit in Thüringen erwartet

Geschlossene Restaurants, Friseurläden, aber auch große
Industrieunternehmen wie Opel in Eisenach - viele Menschen in
Thüringen sind in Kurzarbeit. Und das ist erst der Anfang, sagen
Fachleute.

Erfurt (dpa/th) - Mehrere Tausend Arbeiter und Angestellte in
Thüringen sind derzeit in Kurzarbeit. Arbeitgeberverband, IG Metall
und Landesarbeitsagentur rechnen damit, dass ihre Zahl als Folge der
Corona-Krise sprunghaft steigen wird. «Wir gehen davon aus, dass
Firmen verstärkt Kurzarbeit anmelden müssen», sagte die Sprecherin
des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie, Ute Zacharias. Das
gelte nicht nur für eine Reihe von Automobilzulieferern, die darunter
litten, dass die Autoproduktion in vielen Teilen der Welt stark
zurückgefahren wurde.

«Die Corona-Pandemie hat nachhaltige Auswirkungen auf den
Arbeitsmarkt in Thüringen. Wir haben aktuell eine neue, noch nie
dagewesene Situation», sagte der Sprecher der Landesarbeitsagentur,
Kristian Veil. Bereits Mitte März hatten innerhalb einer Woche fast
3000 Thüringer Firmen den Arbeitsagenturen Kurzarbeit wegen der
Ausbreitung des Coronavirus angezeigt. Bei einer Anzeige kann es sich
um einige, aber auch um hunderte oder gar tausende betroffene
Arbeitnehmer handeln.

Die nächsten Zahlen werden an diesem Dienstag erwartet, sagte Veil.
Wie dramatisch die Situation bereits ist, zeigt ein Vergleich: 2019
gab es nur 650 Anzeigen von Unternehmen für konjunkturelles
Kurzarbeitergeld im Freistaat. Um die Antragsflut zu bewältigen,
arbeiteten Mitarbeiter einzelner Arbeitsagenturen auch am Samstag.

In der Arbeitsagentur in Gotha hieß es, die Teams, die Anträge auf
Kurzarbeitergeld bearbeiteten, seien verstärkt worden. «Außerdem
haben wir auf freiwilliger Basis aufgerufen, auch am Samstag zu
arbeiten», berichtete Gothas Arbeitsagentur-Geschäftsführerin Ina
Benad. Die Resonanz sei überwältigend gewesen. Etwa 30 Mitarbeiter
hätten am Samstag Anzeigen auf Kurzarbeit bearbeitet. Das solle auch
am ersten Aprilsamstag so sein.

Auch bei Branchen, die in Thüringen noch gut liefen wie der
Optoelektronik oder der Medizintechnik bestehe die Gefahr, dass
Lieferketten rissen und wegen ausbleibenden Materials
Produktionsbereiche gestoppt werden müssten, befürchtete Michael
Ebenau von der IG Metall Bezirksleitung. Zudem habe der Stillstand in
der Autoindustrie Auswirkungen auf die Investitionsgüterbranche, vor
allem auf Maschinen- und Anlagenbauer, von denen es eine Reihe in
Thüringen gebe.

Die Sprecherin des Metallarbeitgeberverbandes verwies darauf, dass es
bereits vor der Corona-Pandemie Konjunkturprobleme in der Branche
gegeben habe, die jetzt verstärkt würden. Während es im Januar 2019
nur 31 Firmen mit 444 Beschäftigte mit Kurzarbeit gegeben habe, seien
es in diesem Januar bereits 64 Firmen mit mehr als 1600 Beschäftigten
gewesen.

Neben den Industriebranchen, in denen auch in der Vergangenheit immer
wieder Kurzarbeit angesagt war, gebe es jetzt auch viele
Dienstleistungsbereiche, die in Kurzarbeit gingen, sagte der Sprecher
der Landesarbeitsagentur. Das betreffe beispielsweise Friseur- und
Modeläden, Hotels oder Reisebüros, weil die Ansteckungsgefahr
verringert werden soll. «Jetzt sind auch Bereiche betroffen, die das
Instrument Kurzarbeit bisher gar nicht kannten», sagte Veil.

Das Problem: Arbeitgeber schickten ihre Kurzarbeitsanzeigen per
einfacher E-Mail an die Arbeitsagenturen. Das führe zu längeren
Bearbeitungszeiten, als wenn die richtigen Wege - Online per
Arbeitgeber-Account oder per Post - eingehalten würden.

Die Regeln für Kurzarbeit waren im März in Deutschland vereinfacht
und ausgeweitet worden, um möglichst Entlassungen in der Krise zu
verhindern. Betriebe können Kurzarbeitergeld jetzt schon nutzen, wenn
10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind.
Bisher waren es ein Drittel. Die Arbeitsagenturen übernehmen bei
Kurzarbeit 60 Prozent des Nettolohns, bei Arbeitnehmern mit Kind sind
es 67 Prozent.