Solidarität, freie Straßen, bessere Luft: Krise hat positive Seiten Von den dpa-Korrespondenten

Seit einer Woche ist das öffentliche Leben in Hessen lahmgelegt - die
Corona-Krise hat voll zugeschlagen. Doch wo viel Schatten ist, gibt
es auch Licht: Die Krise hat einige ungeahnte Effekte.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Corona-Krise wird wirtschaftlich tiefe
Spuren hinterlassen. Zur Eindämmung der Pandemie sind auch in Hessen
tiefe Einschnitte nötig. Zudem stiegen die Infektionszahlen trotz
Beschränkung des öffentlichen Lebens zuletzt weiter an. Doch die
Krise hat auch positive Begleiteffekte. Ein Überblick:

SOLIDARITÄT

Überall im Land gibt es Ideen und Aktionen, um Geschäftsleute, die
ihre Läden dicht machen mussten, zu unterstützen. Unter dem Motto
«Marburg-Liebe» etwa können Bürger Hilfsgutscheine für
Geschäftsinhaber oder Gastronomen der mittelhessischen Uni-Stadt
kaufen. «So erhält der Ladeninhaber für jeden verkauften Gutschein
sofort Geld, was jetzt während der Schließungen dringend benötigt
wird - denn die Rechnungen müssen weiterhin bezahlt werden», teilt
das dahinter stehende Stadtmarketing mit. Die Stadt Bad Nauheim hat
spontan ein Internet-Portal mit Online-Shop-Funktion einrichten
lassen, auf dem die Geschäftsleute ihre Produkte anbieten können.
Auch hier ist der Name der Aktion Programm: «Bad Nauheim-Liebe».

FLUGLÄRM

Der Himmel über dem Rhein-Main-Gebiet ist normalerweise voll mit
Flugzeugen. Wie an einer Perlenschnur gereiht sind die Maschinen im
Landeanflug auf den größten deutschen Flughafen. Die Corona-Krise
beschert vielen fluglärmgeplagten Menschen in der Region nun eine
Erholungspause, der Flugplan wurde drastisch ausgedünnt. Der
Betreiber Fraport rechnet damit, dass im gesamten April lediglich so
viele Passagiere gezählt werden wie sonst an einem einzigen
Spitzentag im Sommer. Die Schattenseite: Der Einbruch der
Luftfahrtbranche könnte den Jobmotor Flughafen zum Stottern bringen,
Zehntausende Fraport-Mitarbeiter sind schon in Kurzarbeit.

Von der Corona-Krise sind auch kleinere Flugplätze betroffen. Die
Anlage auf der Wasserkuppe in der Rhön ist geschlossen. Der
Schulungsbetrieb ausgesetzt, Kurzarbeit ist angesagt. Und auch
erfahrene Flieger können dort nicht starten und landen. «Wir stellen
keine Flugleitung und haben alles runtergefahren. Ich fliege derzeit
auch privat nicht mehr - aus Solidarität», sagt Flugplatzleiter und
Fluglehrer Harald Jörges. Ein Besuch auf der Wasserkuppe lohne sich
für Gäste derzeit nur bedingt: «Es hat ja eh alles zu.»

VERKEHR

Nachdem das soziale Leben in Hessen wegen der Corona-Pandemie stark
eingeschränkt wurde, hat der Verkehr auf den Autobahnen im Land
deutlich abgenommen. Das Straßen- und Verkehrsmanagement Hessen Mobil

bezifferte den Rückgang je nach Autobahn auf 30 bis 50 Prozent. Am
vergangenen Sonntag (22. März) fuhren sogar rund 70 Prozent weniger
Fahrzeuge als an einem Vergleichstag. Während der Autoverkehr
deutlich sinkt, geht der Lastwagenverkehr hingegen nur maximal um
zehn Prozent zurück.

LUFTVERSCHMUTZUNG

Angesichts der deutlichen Abnahme des Verkehrs rechnen Experten mit
sinkenden Schadstoffwerten in der Luft. «Es kann sicher davon
ausgegangen werden, dass sich die mit den Einschränkungen
einhergehenden Emissionsminderungen, insbesondere des
Straßenverkehrs, positiv auf die Schadstoffbelastung der Außenluft
auswirken werden», sagt eine Sprecherin des Hessischen Landesamts für

Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden. Für eine
genaue Bewertung der Situation sei es noch zu früh. Denn die
Wetterlage hat sich vor einer Woche geändert - und das könne einen
fast ebenso großen Einfluss auf die Konzentrationen der Schadstoffe
haben.

SUPERMÄRKTE

Sie werden als «Helden des Alltags» bezeichnet: Einige Berufsgruppen
sind durch die Corona-Krise plötzlich in den Vordergrund gerückt.
Mitarbeiter in Supermärkten genießen sonst nicht so viel Anerkennung
und Aufmerksamkeit. Einige fordern nun schon, dass es nicht beim Lob
bleibt, sondern dass Kassier später auch auf dem Gehaltszettel das
bekommen, was sie eigentlich verdienen.

DIGITALISIERUNG

Der Internet-Knoten in Frankfurt ist so stark ausgelastet wie nie.
Schon Mitte der Woche hatte sich der Datenverkehr von
Videokonferenzen angesichts von Heimarbeit in der Corona-Krise
verdoppelt. Der durchschnittliche Datenverkehr war um zehn Prozent
gestiegen, wie die Betreiber des DE-CIX-Knotens berichteten. «Die
Nutzer sind nun auch tagsüber häufiger und länger online, das merken

wir stark», berichtete Technikchef Thomas King. Neben dem Anstieg
beim Konferenz-Datenverkehr - wie beispielsweise über Skype oder Zoom
- verdoppelte sich auch die Zahl der Nutzer von Online- und
Cloud-Gaming-Plattformen. Der Social-Media-Datenverkehr sei ebenfalls
deutlich gestiegen. Videostreaming-Anbieter hätten ihre Kapazitäten
teilweise verdoppelt. An Internet-Knoten in Frankfurt werden die
Daten zwischen den Netzen einzelner Diensteanbieter ausgetauscht. Der
DE-CIX ist gemessen am Datenvolumen der weltgrößte Knotenpunkt.

BANKEN

Viele Büros am Finanzplatz Frankfurt bleiben derzeit leer. Etliche
Mitarbeiter von Banken arbeiten zuhause, schon früh teilten Institute
Teams auf, damit im Falle einer Corona-Infektion nicht ganze
Abteilungen auf einmal ausfallen. Auch auf mögliche Kurzarbeit
bereitet sich die Kreditwirtschaft vor. Noch ist das aber kein Thema:
Banken und Sparkassen sind aktuell besonders gefragt - zum Beispiel,
wenn es um die rasche Gewährung von Krediten aus dem Hilfsprogramm
des Bundes geht.