Wegen Corona zu - und nu? Wie Läden neue Wege zum Kunden entwickeln Von Franziska Höhnl, dpa

Was tun, wenn wegen Corona alle schließen müssen? In Magdeburg
entsteht ratzfatz ein neuer Onlineshop, in denen lokale Läden ihre
Waren zum Liefern anbieten. In Halle packt eine junge Gründerin für
eine Hand voll Start-ups Probierpakete und ein Gastwirt liefert aus.

Magdeburg/Halle/Havelberg (dpa/sa) - Vielen Ladenbesitzern und
Gastronomen ist Ruhe in ihren Läden verordnet, um das neuartige
Coronavirus zu bekämpfen. Die Schließungsanordnungen gelten
wochenlang - mit Option auf Verlängerung. Doch das Internet hat immer
geöffnet und Liefern ist ausdrücklich erlaubt. Jetzt versuchen
mehrere Initiativen im Land, Händlern, Produzenten und Gastronomen
neue Wege zu erschließen. Drei Beispiele:

«LOKALES AMAZON»: «Was können wir tun statt nur auf Finanzhilfe v
om
Staat zu warten oder Kredite aufzunehmen, die das Problem nur nach
hinten verschieben?» So beschreibt David Zibold Überlegungen, die ihm
und seinen beiden Geschäftspartnern vor ungefähr einer Woche durch
den Kopf gingen. Zibold und seine Kompagnons betreiben die Basta
Weintruhe in Magdeburg, doch jetzt sind sie zudem treibende Kräfte
hinter einem neuen lokalen Online-Marktplatz.

Im «Magdeburg Store» bieten Ladenbetreiber und Gastronomen ihre
Produkte an - und die Magdeburger können diese bestellen und liefern
lassen. 13 Händler seien schon auf der Plattform online, 75 stehen
auf einer Warteliste, schildert Zibold. Binnen einer Woche wurde das
Online-Angebot konzipiert und gestartet. Am Donnerstag seien die
ersten Bestellungen ausgeliefert worden, sagt Zibold.

Die Zugriffszahlen der Seite schnellen ihm zufolge Tag für Tag in die
Höhe. Viele Nutzer meldeten ihre Lieblingsläden und -lokale, die sie
gern auch auf der Lieferplattform finden würden. «Es ist natürlich
krisenbedingt, dass der Andrang jetzt so groß ist, aber es herrscht
auch eine große Dankbarkeit», sagt der Mitinitiator. Sowohl bei den
Händlern, als auch bei den Magdeburgern, denen ihre Stammläden
fehlen. Ordern lassen sich bereits lokales Bier und Getränke, Kuchen
und Torten, Klamotten und Lebensmittel.

Ziel sei jetzt, das System auszubauen und weiterzuentwickeln,
schildert er. Wer kann, liefert selbst aus. Wer nicht, kann das als
Zusatzservice bei der Plattform buchen. Zibold und die vielen anderen
emsigen Helfer des Teams haben unter anderem von der Uni Magdeburg
ein Lastenfahrrad gestellt bekommen. Denn der «Magdeburg Store» soll
ein «solidarischer Marktplatz» werden, ein «lokales Amazon», zähl
t
Zibold auf. Und er soll die Zwangsschließzeiten überdauern. «Es soll

nicht so sein, das wir das System jetzt hochziehen und dann fallen
lassen, wenn die Krise vorbei ist.»

EIN KARTON VOLLER START-UPS: Es gibt sie erst seit wenigen Jahren,
sie haben sich innovative Produkte ausgedacht, sie versuchen sich
einen Markt aufzubauen - und dann kommt das Coronavirus. So geht es
gerade mehreren Start-ups aus der Lebensmittelbranche, wie Jenny
Müller, Gründerin der Frischemanufaktur aus Halle, berichtet.

Ihr Unternehmen stellt lange haltbaren, aber frisch zubereiteten
Obstsalat sowie Wasser mit fruchtigem Geschmack her. Dabei versucht
das Start-up ständig, neue Verkaufsstellen zu finden. Ähnlich geht es
anderen jungen Unternehmen wie Hülsenreich, das ebenfalls aus Halle
kommt, und geröstete Kichererbsen zum Knabbern produziert.

Doch derzeit sei es wegen der Corona-Krise nahezu unmöglich, neu ins
Sortiment von Märkten aufgenommen zu werden, berichtet Müller. Zudem
lasse mitunter in der Krise die Nachfrage bei den Verbrauchern nach.
«Wir spüren wirklich Rückgänge», schildert sie. Müller schloss
sich
daher mit sechs anderen jungen Food-Unternehmen aus halb Deutschland
zusammen und rief die «Start-ups gegen Langeweile» aus.

Die Start-ups packen ihre Produkte in eine Kiste und bieten sie im
Online-Shop als Gesamtpaket zum Probieren an. Neben Kichererbsen von
Hülsenreich und fruchtigem Wasser der Frischemanufaktur sind unter
anderem Schokoriegel aus Insekten, Gin aus Bayern und Bier in dem
Kartons. Es gehe darum, etwas Neue zu probieren, sagt Müller. Wie
viel Kartons wollen sie so an die Kunden bringen? «Ein paar Tausend
Pakete wären toll.» Am Donnerstag sei die Aktion gestartet und habe
sofort mehr Bestellungen ausgelöst als erhofft.

WILDGULASCH ZUM MITNEHMEN: Eigentlich wollte Manfred Hippeli nie
Essen ausliefern. «Ich dachte immer, das passt nicht zu uns», sagt
der Besitzer der Gaststätte «Zur güldenen Pfanne» in Havelberg. Bei

ihm gibt es Lamm, Ente, Wildgulasch und Schnitzel, typische
Hausmannskost. Er bewirtet Touristen - oft Busreisende - sowie viele
Stammgäste. An so sonnigen Frühlingstagen wie derzeit, ist sein
Biergarten voll - eigentlich.

Doch nun ist die Gaststätte wegen der Corona-Verordnung zu - und
Manfred Hippeli und sein Team bieten Essen zum Abholen an. Wer ein
oder mehrere Portionen haben wolle, müsse am Vortag bestellen,
erzählt Hippeli. Die Abholtermine sind im Halbstunden-Takt
gestaffelt, damit sich die Kunden nicht ballen. Die Resonanz sei zum
Start verhalten. «Es bestellen fast ausschließlich Stammgäste, die
sonst im Lokal sitzen würden», sagt Hippeli.

Zuletzt waren es etwa zehn am Tag. «Ich mache im Moment höchstens
zehn Prozent des Umsatzes, den ich sonst machen würde.» Aber: Es ist
immerhin Umsatz. Und die Essensausgabe auf Bestellung gebe ihm die
Möglichkeit, die Vorräte an Lebensmitteln zu verbrauchen, die für
Normalbetrieb kalkuliert gewesen seien. Damit sich das neue Angebot
rechne, müssten die Bestellungen in den nächsten Wochen mehr werden,
sagt der Wirt. Dabei helfen soll eine Initiative, die der
Altmärkische Regional- und Tourismusverband gestartet hat: Unter dem
Motto «Not macht erfinderisch» listet ein Portal alle Läden und
Gewerbe in der Altmark auf, die melden, dass sie weiter geöffnet
haben. Bisher bieten mehr als ein Dutzend von ihnen Lieferungen oder
Abholungen an.

Er finde es gut, was der Tourismusverband sich ausgedacht habe, sagt
Gastwirt Hippeli. «Die Auswärtigen dürfen ja gerade nicht kommen.
Aber die Einheimischen könnten mal wieder unsere Küche probieren.»