Lucha fordert gemeinsame europäische Medizinstrategie für Krisen

Die Corona-Krise ist noch längst nicht vorbei, aber schon jetzt ist
die Zeit für erste Lehren daraus. Zum Beispiel, dass gemeinsames
Handeln stark macht. Und Eigenständigkeit auch. Minister Lucha hat
weitere Ideen.

Ravensburg (dpa/lsw) - Keine Masken mehr aus China, keine
medizinischen Geräte aus den USA: Nach den Erfahrungen im Umgang mit
der Corona-Krise fordert Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne
Lucha ein gemeinsames europäisches Management für künftige
länderübergreifende Gesundheitsgefahren. «Wichtig ist zum Beispiel
eine eigenständige europäische Arzneimittel- und
Medizinprodukterichtlinie», sagte der Grünen-Minister der Deutschen
Presse-Agentur.

Zuletzt hatte sich die Corona-Pandemie auch zu einer Bewährungsprobe
für die europäische Solidarität entwickelt. Unter anderem hatten
Beschlagnahmungen und Exportverbote für Atemschutzmasken,
Schutzkleidung, Handschuhe und weitere medizinische Schutzausrüstung
für Aufsehen gesorgt.

Deutschland und seine Nachbarländer müssten sich in einer Krise
gemeinsam versorgen können, um nicht auf Importe angewiesen zu sein,
sagte Lucha: «Wir dürfen uns nicht mehr abhängig machen von volatilen

Regierungen oder von unanständigen Interessen Dritter, die aus
solchen Notlagen Profit schlagen wollen, egal um was es geht.» Als
Beispiele nannte der Minister neben Arzneimitteln und der Produktion
von Antibiotika auch die antivirale Medikation und Schutzmaterialien
wie Masken.

Lucha darf nach dem Ende seiner einwöchigen häuslichen Quarantäne
erst am Dienstag wieder seine Ravensburger Wohnung verlassen, um in
Stuttgart das in der Krise federführende Ministerium zu steuern. Es
gehe ihm aber gut, er habe keine Symptome gehabt, sagte der Minister
am Wochenende. Er hatte sich vor einer Woche gemeinsam mit seiner
Frau in Quarantäne begeben, weil beide Kontakt mit einer infizierten
Person hatten.

Eine solidarische europäische Nationalökonomie für Gesundheit und
stabile Daseinsvorsorge setze aber gemeinsame Spielregeln voraus, an
die sich auch in einer Krise alle halten müssten, forderte Lucha.
Riskante Blockaden von Lastwagen an den Grenzen, Einfuhrverbote und
die Beschlagnahme von Produkten aus rein nationalen Interessen
müssten künftig verhindert werden.

Einheimische Unternehmen müssten stärker eingebunden werden in eine
gemeinsame Produktionsstrategie. Die Angebote würden dadurch teurer
als die asiatische Konkurrenz, sagte der Minister. Aber angesichts
der Dimension und der Kosten der Abhängigkeit von fernen Märkten,
lohne sich der Vergleich auch für die Volkswirtschaft. Die Deutschen
müssten akzeptieren, «dass es nicht immer den Billigheimer im Angebot
gibt», sagte er der dpa.

Anders als zuvor Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weist

Lucha den Vorwurf zurück, die Gefahr durch das Coronavirus anfangs
unterschätzt zu haben. «Hinterher ist man immer gescheiter», sagte
er. Aber die Landesregierung habe das Virus immer so ernst genommen,
wie man es «in seiner dynamischen Entwicklung als freiheitliche
Gesellschaft unseres Zuschnitts» machen konnte. «Jeder, der
behauptet, die Maßnahme sei übertrieben, hat nicht hingeschaut, nicht
nachgedacht, sich nicht informiert und möchte es nicht sehen oder ist
wirklich bar jeder Verantwortung», sagte er.

Selbstverständlich werde Baden-Württemberg seine Lehren auch aus
dieser Krise ziehen, sagte der Minister. «Die ganze internationale
Welt hat nicht damit gerechnet, dass ihre Marktverteilung und globale
Orientierung so anfällig ist.» Notwendig sei «eine Art
Bedienungsanleitung für Krisen dieser Art». Das gelte für ein
wirtschaftliches und für politisches System ebenso wie für den
privaten Alltag. Details nannte er noch nicht.

Es sei allerdings keine Lösung, «eine Art steten Dauerkrisenmodus
parallel zu fahren», um im Ernstfall ausreichend Mittel direkt zur
Verfügung zu haben, sagte er nach Kritik unter anderem an fehlenden
Beatmungsgeräten und Schutzausrüstung. «Es ist nicht praktikabel und

nicht realistisch, viele Millionen Arzneimittel und Konserven zu
lagern, bis sie nicht mehr anwendbar sind», sagte Lucha. «Und man
kann nicht 5000 Krankenhausplätze irgendwo unbetrieben stehen haben
und dann kommt jemand aus der stillen Reserve und fängt sofort dort
an zu behandeln.» In einer globalen Welt gebe es nicht für jede Krise
auch ein entsprechendes Modell.