Wolfsburger Pflegeheim im dramatischen Kampf gegen Corona

In Wolfsburg trifft das Coronavirus die Schwächsten der Schwachen -
in einem Altersheim. Die Situation in der Einrichtung für Demente
wird als extrem schwierig beschrieben.

Wolfsburg (dpa/lni) - Alle zwölf Todesopfer des Coronavirus in
Wolfsburg waren Patienten eines Alters- und Pflegeheims für Demente.
Deshalb werden Infizierte dort nun strikt von den negativ getesteten
Bewohnern getrennt, wie die Stadt am Samstag bekanntgab. Überraschend
viele seien verstorben, ohne dass sie Symptome von Corona hatten,
sagte Oberbürgermeister Klaus Mohrs. Für das kirchliche Heim mit oft
hochgradig dementen Menschen sei die Situation extrem schwierig,
sagte der SPD-Politiker. «Wir stehen aber erst am Anfang der
Entwicklung. Das wird für uns alle noch eine sehr, sehr harte Zeit».

Von etwa 165 Bewohnern seien derzeit 72 infiziert, sagte der Leiter
des Wolfsburger Gesundheitsamts, Friedrich Habermann. Die zwölf
vorwiegend Demenzkranken waren innerhalb von nur wenigen Tagen
gestorben. Insgesamt gelten in Wolfsburg 122 Menschen als infiziert.
«Den ersten Toten hatten wir am Montag zu beklagen», sagte Lothar
Laubert, der Leiter des städtischen Krisenstabs. Am späten
Freitagabend hatte die Stadt dann den Tod von sechs Frauen und zwei
Männern im Alter zwischen 76 und 100 Jahren gemeldet.

«Es tut uns unendlich leid, und wir versuchen alles, um die anderen
Menschen noch zu schützen», sagte Oberbürgermeister Mohrs. Alle in
dem Heim lebenden Menschen seien mit einem Abstrich getestet worden.
Bei negativem Ergebnis werde der Test alle drei Tage wiederholt. In
den nächsten Wochen sollen die Infizierten und die negativ Getesteten
auf unterschiedlichen Stockwerken leben.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nannte die Entwicklung
dramatisch. «Das Geschehen in Wolfsburg führt uns die
Unerbittlichkeit dieses Virus vor Augen», sagte der SPD-Politiker.
«Mein besonderer Dank gilt all denen, die in dem Heim versuchen,
trotz eigener Gefährdung weitere Ansteckungen und weitere Todesopfer
zu verhindern», sagte Weil der Staatskanzlei in Hannover zufolge.
Auch Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) sprach den
Angehörigen, Freunden und Bekannten der Toten ihr Mitgefühl aus.

Mohrs kündigte umfassende Hygienemaßnahmen für die Pflegeeinrichtung

an. Schleusen sollen verhindern, dass Menschen aus den getrennten
Bereichen aufeinander treffen. Er glaube, dass Deutschland noch viele
unschöne Situationen ertragen werden müsse. Kurzzeitig sei darüber
nachgedacht worden, ein Wolfsburger Hotel für die Pflegepatienten
umzurüsten. Vorerst werde dies aber nicht umgesetzt.

«Es ist eine besondere Herausforderung in der Arbeit mit demenziell
veränderten Menschen, bei denen jegliche Form der Veränderung wie
Ortswechsel, Menschen in Schutzkleidung oder vermummte Gesichter
Irritationen und Ängste auslöst», sagte Torsten Juch, Leiter des
Heims. «Daher war es aus unserer pflegefachlichen Sicht die beste
Alternative, innerhalb des Hauses getrennte Bereiche einzurichten und
nach Abwägung aller Argumente den Verbleib aller Bewohner bestmöglich
zu organisieren. Eine Evakuierung hätte eine Verschlechterung der
Demenzerkrankungen zur Folge gehabt.»

«Ich bin erschüttert und tieftraurig», teilte Landesbischof Ralf
Meister am Samstagabend mit. «Mein Mitgefühl ist bei den Angehörigen

der Verstorbenen.» Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Heims
sprach er seine Anerkennung aus. «Die Dramatik, mit der Covid-19
ältere Menschen gefährdet, fordert von uns in unserem eigenen
Verhalten konsequente Verantwortung.»

«Wir sind tief betroffen und erschrocken über die hohe Zahl der
Verstorbenen und Infizierten», teilte am Abend auch Oberkirchenrat
Sven Quittkat von der Diakonie Niedersachsen mit. «Es zeigt sich
einmal mehr, dass betagte Menschen in besonderer Weise vor diesem
heimtückischen Virus geschützt werden müssen.»

In Niedersachsen wurden bis Samstagmittag (14.00 Uhr) 3483 bestätigte
Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 gezählt. Das waren nach Angaben
des Sozialministeriums 308 Fälle mehr als am Vortag. Das Ministerium
nannte eine Zahl von 21 Todesfällen im Land. Darin seien aber noch
nicht alle Wolfsburger Todesfälle mitgezählt, hieß es ausdrücklich.