Kanzleramtschef: Keine Lockerung der Maßnahmen bis 20. April

Vor dem 20. April wird es keine Lockerung der bestehenden Maßnahmen
gegen das Coronavirus geben. Das hat Kanzleramtsminister Braun
klargestellt. Dennoch geht die Debatte um eine Exit-Strategie weiter.

Berlin (dpa) - Kanzleramtschef Helge Braun hat klargestellt, dass es
vor dem 20. April keine Lockerungen der bestehenden Einschränkungen
im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie geben werde. «Wir reden jetzt
bis zum 20. April nicht über irgendwelche Erleichterungen», sagte der
CDU-Politiker dem «Tagesspiegel». «Bis dahin bleiben alle Maßnahmen

bestehen.» Ältere Menschen müssten noch deutlich länger als Jünge
re
mit Kontakteinschränkungen rechnen. «Eines ist allen Modellen gemein,
egal, wie wir uns entscheiden: dass die älteren und vorerkrankten
Menschen in unserer Gesellschaft wirksam vor einer Infektion
geschützt werden müssen, bis es einen Impfstoff gibt», sagte Braun.

Als Messlatte für eine Trendwende und als Entscheidungsgrundlage für
eine Lockerung der Einschränkungen sieht Braun die Entwicklung der
Infektionsgeschwindigkeit. «Wenn wir es schaffen, die
Infektionsgeschwindigkeit so zu verlangsamen, dass wir zehn, zwölf
oder noch mehr Tage haben bis zu einer Verdopplung, dann wissen wir,
dass wir auf dem richtigen Weg sind.» Zuletzt verdoppelten sich die
Fallzahlen in etwa alle drei Tage. «Unmittelbar nach Ostern werden
wir sagen können, wie es generell nach dem 20. April weitergeht.»

Er habe den Eindruck, dass sich die Bevölkerung vorbildlich an die
Regeln halte. «Und deshalb bin ich überzeugt, dass wir in einigen
Tagen ihren Erfolg sehen werden», betonte Braun.

Braun will sich nach eigenen Angaben an einem wie in Südkorea
praktizierten Mix aus Maßnahmen orientieren. «Die haben zum einen
genau solche Kontaktbeschränkungen gemacht, wie wir das jetzt in
Deutschland praktizieren. Sie haben darüber hinaus ein digitales
Tracking verwendet, über das man quasi vollautomatisiert erfährt,
falls man Kontakt zu Infizierten hatte.» Daneben habe das Land einen
sehr breiten Ansatz beim Testen.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte einen besseren Corona-Schutz
für Ältere und regte vorübergehende Heimunterbringungen an. In
Deutschland lebe im Vergleich zu Italien ein deutlich höherer Anteil
der Hochbetagten in Alten- und Pflegeheimen und nicht unter einem
Dach mit Kindern und Enkelkindern, sagte er der «Neuen Osnabrücker
Zeitung». «Das kann im Kampf gegen die Pandemie ein entscheidender
Vorteil sein. Denn in Einrichtungen ist es eigentlich gut möglich,
die besonders Gefährdeten vor Covid-19 abzuschotten.»

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD),
forderte unterdessen ein Exit-Szenario. «Wir müssen die
Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen konsequent durchhalten,
bis wir in ein bis zwei Wochen erkennen, wie wirksam die Maßnahmen
sind», sagte der Thüringer Innenminister der «Welt» (Samstag).
Zugleich müsse man sich aber schon jetzt Gedanken machen, wie eine
Exit-Strategie aussehen könne. «Wenn die Kontaktbeschränkungen läng
er
als vier Wochen aufrechterhalten bleiben, kommen wir an ein Limit.»
Die psychologische Belastung für die Bevölkerung sei dann zu groß und

die Akzeptanz schwinde. Länder wie Südkorea und Schweden hätten auf
«Massentests und Isolation der Erkrankten» gesetzt. «Das müssen wir

als Ausstiegsszenario ins Augen fassen.»

Auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, dass es die
Einschränkungen nicht ewig geben könne. «Alle Maßnahmen werden
getroffen, um Leben und Gesundheit der Menschen in unserem Land zu
schützen. Sie müssen aber auf das unbedingt Erforderliche begrenzt
bleiben, auch zeitlich», sagte Lambrecht der «Passauer Neuen Presse»

(Samstag). Aktuell gehe es darum, große Gefahren von den Menschen
abzuwenden und Menschenleben zu retten. «Die Einschränkungen müssen
aufgehoben werden, sobald dies verantwortbar ist.»

Patientenschützer mahnten Konzepte für besonders gefährdete
Bevölkerungsteile an. «Die Folgen des Corona-Stillstands sind
immens», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz,
Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. «Ein zügiges Hochfahren
in Aussicht zu stellen, ist aber jetzt unverantwortlich. Selbst wenn
die Risikogruppe isoliert wird.» Dies seien rund sechs Millionen
Menschen, darunter Lungen- und Krebskranke, akute Herzpatienten und
Pflegebedürftige. «Ihnen, ihren Helfern, Pflegern und Ärzten fehlen
oft die einfachsten Mittel für den Schutz vor einer Infektion», sagte
Brysch. Wer also jetzt von Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen rede,
müsse zu allererst garantieren, dass Versorgung und Hilfe Tag für Tag
sichergestellt seien.

Derweil ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im
Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, dass jeder zweite Deutsche
nichts gegen die Nutzung von Handy-Daten im Kampf gegen das
Coronavirus hätte. Demnach sagten 50 Prozent, sie hielten die Ortung
von Kontaktpersonen von Infizierten über die Standortdaten für
sinnvoll. Nur 38 Prozent fänden das unangemessen, 12 Prozent machten
keine Angaben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber zeigte sich offen für
die Nutzung einer Anti-Corona-App auf freiwilliger Basis. Zu einer
Handy-Ortung über die Funkzellen äußerte er sich erneut kritisch:
«Diese haben selbst schon in Städten einen Radius von mehreren
hundert Metern, auf dem Land sogar von mehreren Kilometern», sagte
der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag).
«Das ist viel zu ungenau, um einen Rückschluss auf den Aufenthaltsort
von Infizierten oder ihren Kontaktpersonen zuzulassen.» Wenn ein
Vorhaben ungeeignet sei, «muss man sich über mögliche Eingriffe in
die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten».

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte ursprünglich
geplant, den Gesundheitsbehörden bei einer «epidemischen Lage von
nationaler Tragweite» zu erlauben, Kontaktpersonen von Erkrankten
anhand von Handy-Standortdaten zu ermitteln, dadurch ihre Bewegung zu
verfolgen und sie im Verdachtsfall zu kontaktieren. Nach heftiger
Kritik aus der Opposition, aber auch der SPD, stellte Spahn diese
Pläne bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zunächst zurück
.