Trump als «Kriegspräsident» im Kampf gegen das Coronavirus Von Jürgen Bätz, dpa

Die USA sind das neue Epizentrum der Corona-Pandemie. Und die
weiteren Prognosen der Experten sind düster. Jetzt mobilisiert Trump
Militär und Gesetze aus Kriegszeiten für den Kampf gegen das Virus.

Washington (dpa) - Tausende Soldaten der Nationalgarde, Einberufung
von Reservisten, schnelle Errichtung von Militärlazaretten und jetzt
auch Kriegsbefugnisse zur Steuerung der Privatwirtschaft: Nach
anfänglichem Zögern scheint US-Präsident Donald Trump im Kampf gegen

die Coronavirus-Epidemie durchzugreifen. Er will den am schlimmsten
betroffenen Bundesstaaten inzwischen die geballte Macht der
Bundesregierung zur Verfügung stellen. Die Zeit drängt: inzwischen
haben die USA mit mehr als 110 000 bestätigten Infektionen mehr Fälle

als jedes andere Land der Welt; mehr als 1800 Menschen sind
gestorben.

Trump zufolge befindet sich das Land und mit ihm unzählige andere
Länder der Welt nun «im Krieg» gegen einen «unsichtbaren Feind»,
das
neuartige Coronavirus Sars-CoV-2. Deswegen hat Trump am Freitagabend
(Ortszeit) erstmals ein ursprünglich für Kriegszeiten gedachtes
Gesetz angewandt und dem Autobauer General Motors befohlen, dringend
benötigte Beatmungsgeräte zu produzieren. Auch die Produktion von
Schutzkleidung für den Gesundheitssektor und die Fertigung von
Atemmasken soll nun angekurbelt werden.

WEIßES HAUS AUF KRIEGSFUß

Ein enger Vertrauter, Trumps Handelsberater Peter Navarro, soll das
Gesetz zur Militärproduktion (Englisch: «Defense Production Act») nun

federführend umsetzen. «Wir befinden uns in der bedeutendsten
Mobilmachung der Industrie seit dem Zweiten Weltkrieg», sagte Navarro
bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump im Weißen Haus. «Wir
haben einen Kriegspräsidenten, der einen unsichtbaren Feind
bekämpft», sagte er weiter. Nun werde die «volle Macht der Regierung
»
mit der Privatwirtschaft kombiniert. Mehrere demokratische
Gouverneure hatten Trump seit Tagen mit Nachdruck aufgefordert, sich
des Gesetzes zu bedienen, um notwendige Materialien zu mobilisieren.

Als erstes soll es nun um Beatmungsgeräte gehen, die in großer Zahl
in Krankenhäusern gebraucht werden, um an der Lungenkrankheit
Covid-19 leidende Patienten zu versorgen. Trump verspricht, innerhalb
der nächsten 100 Tage durch Ankauf oder zusätzliche Produktion
amerikanischer Firmen zusätzlich 100 000 Beatmungsgeräte zu
beschaffen. Das entspreche der dreifachen US-Produktion eines
normalen Jahres, räumte Trump ein. «Wir werden viele Beatmungsgeräte

produzieren», erklärte Trump. Falls die USA letztlich gar nicht so
viele bräuchten, gäbe es viele andere Nationen, darunter
Großbritannien und Italien, die auch Bedarf hätten, sagte Trump.

JETZT WERDEN RESERVISTEN MOBILISIERT

Trump ermächtigte am Freitag auch Verteidigungsminister Mark Esper
zur Einberufung von Reservisten. In einem Schreiben an die
Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern im Kongress hieß es, damit
sollten bereits aktive Kräfte in der Reaktion auf die Corona-Krise
unterstützt werden. Der amtierende Heimatschutzminister Chad Wolf
wurde autorisiert, Reservisten der Küstenwache einzuberufen.

Derzeit unterstützen bereits mehr als 12 000 Soldaten der
Nationalgarde örtliche Behörden im Kampf gegen das Virus. Die
Streitkräfte schicken Lazarettschiffe mit jeweils 1000 Betten, zudem
werden vom Militär jetzt in mehreren Städten Feldlazarette mit
jeweils rund 250 Betten gebaut. Am Samstag verabschiedete Trump im
Bundesstaat Virginia das Lazarettschiff «Comfort», das nach New York
auslief und dort am Montag eintreffen sollte. Die Stadt ist in den
USA bislang am schlimmsten vom Coronavirus betroffen.

BALD ZURÜCK ZU «BUSINESS AS USUAL»?

Trump hatte das Virus noch bis vor einem Monat als einen Scherz
abgetan, der den USA nichts anhaben könne. Seither muss er sich den
Vorwurf gefallen lassen, dass die Epidemie das Land wegen
verschleppter Vorbereitungen kalt erwischt hat. Zuletzt vervielfachte
sich die Zahl der Infektionen innerhalb nur einer Woche. Und alle
Experten sagen: bevor sich die Lage bessern werde, werde alles erst
mal noch schlimmer werden. Mehr Infektionen, mehr Leid, mehr Tote.

Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, haben Regierung und
Bundesstaaten das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand
gebracht: Geschäfte, Büros, Hotels und Restaurants sind vielerorts
geschlossen, Flüge und Züge bleiben leer. Die Aussetzung des Alltags
ist allerdings Gift für die Wirtschaft, was dem Republikaner Trump
höchst ungelegen kommt, zumal er sich im November um eine Wiederwahl
bewirbt. Er hofft daher - trotz der rasanten Ausbreitung der Epidemie
- «sobald wie möglich» wieder zum Normalbetrieb zurückkehren zu
können.

Er hoffe, der gegenwärtige Ausnahmezustand werde nicht Monate dauern,
sagte Trump. «Ich hoffe, es verschwindet schneller», sagte er mit
Blick auf das Virus. Am Dienstag hatte er noch gesagt, er wolle die
weitgehende Stilllegung des Landes bis Ostern aufgehoben sehen. Nun
fügte er aber hinzu: «Priorität haben Leben und Sicherheit, dann die

Wirtschaft.» Die Regierung prüft daher eine gebietsweise Lockerung
der Beschränkungen, je nach Risikokategorie. Kritiker befürchten
allerdings, eine Lockerung für Bürger und Unternehmen in manchen
Landesteilen könnte die Verbreitung des Virus wieder beschleunigen,
zumal es zwischen den Landesteilen keine Grenzen gibt. Das Virus wird
auch von Personen übertragen, die keine Symptome haben.