Organisator der Rückholaktion: «Das ist wie auf einer Börse» Von Michael Fischer, dpa

Das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amts ist derzeit rund um
die Uhr im Einsatz, um Zehntausende Deutsche aus dem Ausland nach
Hause zu holen. Der Organisator der «Luftbrücke» zieht eine positive

Zwischenbilanz. Die Operation ist aber noch lange nicht beendet.

Berlin (dpa) - Es ist die größte Rückholaktion für Deutsche im
Ausland in der Geschichte der Bundesrepublik: 160 000 wegen der
Corona-Krise gestrandete Reisende sind schon wieder zu Hause, mehrere
Zehntausend müssen aber noch abgeholt werden - aus schwer
zugänglichen Gebieten. Der Krisenbeauftragte des Auswärtigen Amts,
Frank Hartmann, erzählt, wie es bisher gelaufen ist und was noch zu
tun ist.

Frage: Zehntausende Deutsche sind aus den Hauptferienzielen nach
Hause zurückgeholt worden. Aber fängt die wirkliche Herausforderung
nicht erst jetzt an, wenn es um Individualreisende in kleineren
Ländern in Afrika oder Asien geht?

Antwort: Das ist eine gigantische Aufgabe. Wir haben angefangen mit
Ländern, wo besonders viele Touristen sind: Marokko, Ägypten mit
35 000 Urlaubern, die Philippinen, als nächstes kommen Thailand und
Südafrika. Dort ist die Aktion zwar sehr umfangreich, aber logistisch
relativ einfach. Schwieriger wird es bei den Ländern, die nur kleine
Gruppen von versprengten Abenteuerurlaubern haben. Wir können nicht
nur zehn Leute irgendwo abholen, sondern versuchen regional Gruppen
zu bilden. Zum Beispiel werden die Touristen von den pazifischen
Inseln in Neuseeland zusammengezogen und dann ausgeflogen. Je
versprengter die Touristen in einzelnen Ländern sind, desto
schwieriger wird das.

Frage: Gibt es da eine Kooperation mit anderen Regierungen?

Antwort: Ja. Mein französischer Kollege hat mir zum Beispiel
angeboten, deutsche Touristen aus Haiti und Nepal mitzunehmen, und
uns dafür gebeten, Franzosen aus Australien auszufliegen. Das machen
wir bilateral, aber wir koordinieren das auch über Brüssel. Da gibt
es eine Datenbank in der eingetragen wird, welcher Staat welche
Bedürfnisse hat und wer Plätze in Flugzeugen anbieten kann. Das ist
wie auf einer Börse, ein Geben und Nehmen. Uns ist die europäische
Solidarität da sehr wichtig.

Frage: Gibt es Länder, aus denen deutsche Touristen gar nicht mehr
wegkommen?

Antwort: Im Grunde sind viele Länder erleichtert, wenn die Touristen
abfliegen. Sie können sie auf Dauer dort nicht halten, sie wollen ja
auch ihre Hotels schließen. Aber sie haben hohe Hürden dafür
aufgebaut, wie manche Länder in Südamerika, die die Flughäfen
komplett geschlossen haben. Das hat uns beispielsweise in Peru vor
große Probleme gestellt, weil dort nur noch ein Militärflughafen mit
geringen Abfertigungskapazitäten zur Verfügung stand.

Frage: Wie lange wird die Aktion noch dauern?

Antwort: Ich bin sicher, dass wir zwei Wochen noch sehr intensiv
damit beschäftigt sind und dann werden Einzelfälle bleiben, die
schwer zu lösen sind.

Frage: Die weltweite Reisewarnung für touristische Reisen gilt
zunächst bis Ende April. Muss sie danach verlängert werden?

Antwort: Wie lange das dauert, kann niemand vorhersehen. Aber wir
werden danach nicht unmittelbar zu der Normalsituation vor Corona
zurückkehren. Ich denke, dass die Reisegewohnheiten grundlegend
überdacht werden im Lichte der Krise. Die Zeit nach Corona wird eine
ganz andere sein als vorher. Wir werden nicht gleich wieder einen
internationalen Flugverkehr haben, wie wir ihn bisher kannten.

Frage: In einigen Ländern ist die Aktion schon abgeschlossen. Was ist
mit den Touristen, die die Rückholflüge verpasst haben?

Antwort: Wir gehen am Ende die Länder noch einmal durch. Wir
schließen nicht aus, dass wir dann in den Hauptferienzielen wie
Ägypten oder Marokko dann doch noch mal gestrandete Personen abholen.
Wir können aber nicht garantieren, dass am Ende jeder, der irgendwo
auf der Welt unterwegs ist, auch abgeholt wird. Das ist angesichts
der Lage in einigen Ländern kaum leistbar, auch wenn wir uns um jeden
Einzelnen bemühen.

Frage: In einigen Ländern gibt es eine Legendenbildung, dass das
Virus von Europäern eingeschleppt worden sei. Sind Ihnen Anfeindungen
gegen Deutsche bekannt?

Antwort: Es gab einige Anfeindungen in manchen Ländern, in denen
kursierte, dass das Virus von Europäern eingeschleppt worden sei. Es
gab auch tätliche Angriffe. Das sind aber Einzelfälle. Die große
Sorge, dass ein anti-europäischer Rassismus in der Krise entstehen
könnte, die sehe ich nicht.

ZUR PERSON: Frank Hartmann ist seit 2017 der Krisenbeauftragte des
Auswärtigen Amts. Er leitet damit auch das Krisenreaktionszentrum des
Ministeriums, in dem derzeit 50 Mitarbeiter die Rückholaktion für
200 000 wegen der Corona-Krise im Ausland gestrandete Deutsche
organisieren. Es ist eine in der Geschichte der Bundesrepublik
beispiellose Operation.