Brandenburg plant Corona-Rettungsschirm mit zwei Milliarden Euro

Brandenburg wird wohl drastisch mehr Schulden machen, etwa um das Aus
vieler Firmen zu verhindern oder Eltern zu helfen. Die Höhe des
geplanten Rettungsnetzes hat sich innerhalb weniger Tage verdoppelt.
Der Streit um ein Touristenverbot in einem Kreis ging derweil weiter.

Potsdam (dpa/bb) - Der Rettungsschirm in Brandenburg für die Folgen
der Corona-Krise soll auf bis zu zwei Milliarden Euro verdoppelt
werden. Darauf haben sich die Landesregierung und die
Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grünen am Freitag verständigt.
Damit will das Land vor allem kleinere Unternehmen vor der Insolvenz
bewahren, Eltern ohne Kita-Notbetreuung ihre Beiträge erstatten und
Krankenhäuser besser ausstatten. Der geplante Rettungsschirm wird
wohl finanzielle Auswirkungen für die nächsten Jahrzehnte haben. Der
Landtag entscheidet am Mittwoch darüber. Inzwischen gibt es drei Tote
mit nachgewiesener Coronavirus-Infektion in Brandenburg.

DIE HILFEN: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte umfassende
Hilfe zu. «Wir müssen davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie
weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Lage
im Land haben wird», erklärte Woidke per Mitteilung. Die
Landesregierung werde alles tun, um die Folgen der Krise abzumildern.
«Wir ziehen dabei alle Register von massiven Soforthilfen für die
Wirtschaft über die Erstattung von Kita-Beiträgen bis hin zur
Unterstützung unserer Krankenhäuser. Wir müssen auch mit weiteren
Maßnahmen und demzufolge weiteren Ausgaben rechnen.» Deshalb müsse
der Rettungsschirm weiter aufgespannt werden als bisher.

FOLGEN DER KRISE: Finanzministerin Katrin Lange (SPD) geht von sehr
schwerwiegenden negativen Auswirkungen für die wirtschaftliche
Entwicklung aus. «Wir rechnen derzeit mit rund einer Milliarde Euro
geringeren Steuereinnahmen in Brandenburg im Jahr 2020», sagte Lange.
«Es kann auch noch schlimmer kommen.» Innenminister und
Vize-Ministerpräsident Michael Stübgen (CDU) sprach von
wirtschaftlichen Schäden «von historischem Ausmaß». SPD-Fraktionsch
ef
Erik Stohn sagte: «Das Land hat gerade eine Vollbremsung in jeglicher
Hinsicht vorgenommen und wir wissen, dass wir jetzt stützen müssen.»

Die Höhe des Schirms klinge nach einer schwindelerregenden Summe.
Aber: «Wir müssen uns das leisten.»

NEUER KREDIT: Die Schuldenbremse, die erst in diesem Jahr in Kraft
getreten ist, sieht die Möglichkeit von Krediten in außergewöhnlichen

Notlagen vor. Der Haushaltsausschuss des Landtags entscheidet am
Montag über die zwei Milliarden Euro, der Landtag am Mittwoch im
Rahmen des Nachtragshaushalts. Die Koalitionsfraktionen hatten die
Höhe des geplanten Rettungsschirms erst am Dienstag auf eine
Milliarde Euro erhöht. Die Regierung soll zur Kreditaufnahme
ermächtigt werden. Die zusätzliche Milliarde steht unter der
Bedingung, dass der Haushaltsausschuss weiteren Ausgaben zustimmen
muss. Die AfD-Fraktion forderte zusätzliche Mittel für Kommunen aus
dem Zukunftsinvestitionsfonds sowie Mittel für Landwirte. Die Freien
Wähler kritisierten, es werfe ein fragwürdiges Licht auf die
Lagebeurteilung der Regierung, im Wochentakt die Summe zu verdoppeln.

BELASTUNG: Der Kredit für den Rettungsschirm soll «binnen der
nächsten 30 Jahre zurückgezahlt werden», sagte CDU-Fraktionschef Jan

Redmann. «Das bedeutet für jedes Haushaltsjahr eine zusätzliche
Belastung in Höhe von 66 Millionen Euro.» Die Unternehmen sollten
aber so schnell wie möglich wieder so wie vor der Krise arbeiten. Der
Zukunftsfonds für Investitionen, den die Kenia-Koalition kurz vor der
Schuldenbremse über einen Kredit von einer Milliarde Euro
finanzierte, soll bestehen bleiben, um Anreize zu liefern.
Grünen-Fraktionschefin Petra Budke betonte, die bessere Betreuung in
Kitas bis 2023 über das Kita-Gesetz des Bundes stehe nicht infrage.

SOFORTHILFE: Bei der Investitionsbank Brandenburg sind bisher fast
37 000 Anträge auf Soforthilfe des Landes eingegangen. Die ersten
Mittel seien bewilligt, sagte der Vorstandsvorsitzende Tillman
Stenger. Rund 2,5 Millionen Euro stünden zur Auszahlung an. Einen
Antrag auf Soforthilfe können Klein-und Kleinstbetriebe mit bis zu
100 Mitarbeitern oder Freiberufler stellen.

INFEKTIONEN: Die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus
infizierten Brandenburger stieg bis Freitagnachmittag nach Angaben
des Gesundheitsministeriums offiziell auf 696 Menschen. Das sei ein
Zuwachs von 117 Fällen innerhalb der vergangenen 24 Stunden. 53
Menschen sind demnach in Behandlung in Krankenhäusern, davon werden
elf künstlich beatmet. In Potsdam starb am Freitag ein 80 Jahre alter
Mann, er ist der dritte Corona-Todesfall im Land.

TOURISTENVERBOT: Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit den
Besuchermagneten Rheinsberg und Neuruppin sind seit Donnerstag
private touristische Reisen verboten. Woidke kritisierte das im rbb
als rechtlich fragwürdig und nannte den Alleingang nicht gut. Es gehe
darum, soziale Kontakte zu vermeiden. Landrat Ralf Reinhardt (SPD)
verteidigte die Einschränkung auch mit Blick auf mehr Touristen durch
das Einreiseverbot in Mecklenburg-Vorpommern. Wer seinen
Zweitwohnsitz schon länger im Kreis hat, soll nun bleiben dürfen.

STROMVERSORGUNG: Das Energieunternehmen Leag will auch in der
Corona-Krise für sicheren Strom sorgen. «Wir wissen, dass wir jetzt
noch stärker als sonst verantwortlich dafür sind, dass die
Versorgungssicherheit aufrecht erhalten bleibt», sagte Leag-Sprecher
Thoralf Schirmer. Die Kollegen müssten in Tagbauen und Kraftwerken
vor Ort sein und dürften nach Möglichkeit nicht krank werden.