Noch kein Alltag nach Corona in Sicht - aber Abi-Prüfungen

Viele Menschen haben langsam genug vom Corona-Kampf. Dabei ist ein
Ende noch lange nicht in Sicht. Erstmal müssen die Abiturienten
verschobene Prüfungen hinnehmen und dieses Wochenende werden bei
strahlendem Sonnenschein die Kontaktsperren kräftig kontrolliert.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Schulen und Kindergärten seit zwei Wochen zu,
die Wirtschaft zunehmend im Abwärtsstrudel und private Kontakte
kaltgestellt - in Nordrhein-Westfalen wächst in der Corona-Krise der
Wunsch nach Normalität. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mahnt:
«Geduld muss man jetzt haben: Die Maßnahmen, die beschlossen sind,
müssen wir in aller Konsequenz weiter durchhalten - auch um zu sehen,
welche Maßnahmen greifen.» Keine Entspannung - im Gegenteil: Am
Samstag planen viele Kommunen wegen des schönen Wetters scharfe
Kontrollen in Parks und auf Plätzen.

Die knapp 90 000 Abiturienten im Land müssen mit einer Verschiebung
ihrer Abi-Prüfungen um drei Wochen auf den 12. Mai als Starttermin
zurechtkommen, die Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag in
Düsseldorf ankündigte. Damit hätten die Schüler mehr Zeit, sich auf

die Prüfungen vorzubereiten, sagte die Ministerin. Sie gehe davon
aus, dass die Schulen nach den Osterferien am 20. April wieder öffnen
können. Sicher wissen kann das auch die Ministerin nicht.

Termin-Debatten für einen Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen hält der

NRW-Regierungschef für viel zu früh - Laschet will vorher mehr über
das Virus wissen. Im Corona-Hotspot, dem Kreis Heinsberg, untersuchen
deshalb Forscher der Uni Bonn beispielhaft für Deutschland, was die
Virus-Übertragung begünstigt. Nach den Osterferien werde man
entscheiden, wie es weitergehe mit dem öffentlichem Leben, sagt
Laschet.

Dabei sollen Erkenntnisse aus Heinsberg helfen - etwa zu der Frage:
Was hat die Infektion dort beschleunigt: «Ist es der Griff auf die
Fernbedienung, auf die Türklinke, oder muss es persönlichen Kontakt
geben?» sagte Laschet am Freitag. Der Bonner Virologe und
Projektleiter Professor Hendrik Streeck erhofft sich Erkenntnisse,
«wie wir am besten eine Eindämmung weiterhin erreichen, ohne dass das
Leben in den nächsten Jahren zum Erliegen kommt», sagte Streeck.

Landesweit ist der Zuwachs an Neuinfizierten mit mehr als 1100 weiter
auf hohem Niveau und lag am Freitag bei gut 12 000 bestätigten Fällen
(Stand 16.30 Uhr). Nach Angaben von Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann werden davon rund 300 intensivmedizinisch behandelt, rund 250
beatmet - bei rund 6100 Intensivbetten, davon rund 4200 mit
Beatmungsmöglichkeit. Die Zahl der Todesfälle stieg von 82 am Vortag
(Stand 16.00 Uhr) auf 88.

Im Kreis Heinsberg wird der Zuwachs an Neuinfektionen mittlerweile
durch Gesundungen kompensiert, wie der Heinsberger Landrat Stephan
Pusch deutlich machte: Die Zahl der Patienten in den Krankenhäusern
stagniere. Zur Zeit wisse aber niemand, welche Maßnahmen am
effektivsten seien.

Zugleich bangen immer mehr Kleinunternehmer, deren Betriebe
vorübergehend schließen mussten, um ihre Existenz. Am Freitag wurde
das Portal für Online-Anträge auf staatliche Soforthilfen für
kleinere Betriebe in NRW gestartet. Betriebe mit bis zu fünf
Angestellten können 9000 Euro beantragen, Unternehmen mit bis zu zehn
Beschäftigten 15 000 Euro.

Grundsätzlich seien Testungen der beste Weg, um Infektionsketten zu
durchbrechen, sagt Virus-Forscher Streeck. NRW schafft jetzt mehr
Kapazitäten zur Untersuchung von Coronavirus-Proben. Ab Montag
beteiligen sich auch die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter
an der Analyse von Corona-Tests, wie das NRW-Umweltministerium am
Freitag mitteilte. Täglich könnten insgesamt 1500 Proben von
mutmaßlich mit dem Virus infizierte Menschen ausgewertet werden.
Damit sollen die überlasteten humanmedizinischen Labore unterstützt
werden.

Das Land arbeitet nach Angaben des Gesundheitsministers außerdem an
der Steigerung der Kapazitäten vor allem bei den
Beatmungsmöglichkeiten. Auch wenn mittlerweile 800 000 Schutzmasken
und Tausende Schutzkittel angekommen seien, bleibe das Land auf dem
leer gefegten Markt weiter am Ball.

Immer mehr Labore und Forschungseinrichtungen helfen bei der
Versorgung mit Atemschutzmasken. An der Universität Duisburg-Essen
werden dafür Bauteile mit 3-D-Druckern hergestellt, wie Stefan
Kleszczynski vom Lehrstuhl für Fertigungstechnik sagte. Auch beim
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sollen
Atemschutzmasken und Ventile für Beatmungsgeräte im
3-D-Druckverfahren hergestellt werden.

Unterstützung bekommen Krankenhäuser bei der Aufnahme und Versorgung
von Corona-Patienten von Medizinstudenten der Uni Münster. 1800 von
3000 Studenten werden jetzt im Schnelldurchlauf auf die Aufgabe
vorbereitet. Dafür wurde nach Angaben der Uni eine einwöchige
Fortbildung entwickelt, die üblicherweise ein halbes Jahr dauert.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) wandte
sich entschieden gegen Vorschläge, zunächst nur noch ältere Menschen

und Risikogruppen zu isolieren. Die alleinige Isolation älterer
Menschen führe zu einer Spaltung der Gesellschaft, die sie zutiefst
ablehne, schrieb Reker am ersten Tag nach ihrer eigenen häuslichen
Quarantäne im «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitag).