USA haben weltweit am meisten Corona-Infektionen und überholen China Von Christiane Jacke und Jörn Petring, dpa

Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus schnellt weltweit in die
Höhe. Die USA stehen nun an erster Stelle der düsteren Rangliste, die
Lage spitzt sich täglich zu. In Wahrheit könnte die Situation dort
und anderswo noch weit dramatischer sein.

Washington/Peking (dpa) - Trauriger Rekord für die USA: Die
Vereinigten Staaten haben nach Angaben von US-Experten inzwischen
mehr bekannte Coronavirus-Infektionen als jedes andere Land der Welt.
Bis Freitagmittag (Ortszeit) gab es USA-weit mehr als 86 000 bekannte
Infektionen, in China rund 82 000 und in Italien mehr als 80 500, wie
aus einer Übersicht der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität
hervorgeht. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als halbe Million
gemeldete Coronavirus-Infektionen.

In den USA starben laut der US-Universität bislang mehr als 1300
Menschen an dem Virus, in China rund 3300 und in Italien mehr als
8200. Deutschland rangiert in der Auflistung auf Platz fünf mit mehr
als 47 000 Infektionen, aber bislang weniger als 300 Corona-Toten.

Die Pandemie war Ende vorigen Jahres in der zentralchinesischen
Provinz Hubei ausgebrochen und hatte sich von dort aus weltweit
verbreitet. Die Streuung des Erregers ist in China inzwischen
ausgebremst. Wie aus den offiziellen Zahlen der dortigen
Gesundheitskommission vom Freitag hervorgeht, gab es erneut keine
lokalen Erkrankungen. Es wurden demnach lediglich 55 neue
Erkrankungen bei Menschen nachgewiesen, die nach China eingereist
sind. Die chinesische Regierung hat deshalb inzwischen angekündigt,
die Einreise von Ausländern auszusetzen, um die Zahl der importierten
Coronavirus-Fälle einzudämmen. Peking will außerdem sowohl ausgehende

als auch eingehende internationale Flüge stark einschränken.

In den vergangenen Wochen hatte es zwischen den USA und China einige
Misstöne wegen der Corona-Krise gegeben: Die US-Regierung warf Peking
mehrfach vor, wichtige Informationen zu dem Virus zunächst
zurückgehalten und die Krise damit verschärft zu haben. Außerdem gab

es zwischen den Ländern Schuldzuweisungen, wer für die Krise
verantwortlich sei.

Nach einem Telefonat am Donnerstag zwischen US-Präsident Donald Trump
und Chinas Präsident Xi Jinping schlugen beide jedoch betont
versöhnliche Töne an. «China ist schon weit vorangekommen und hat ein

großes Verständnis des Virus entwickelt. Wir arbeiten eng zusammen.
Großer Respekt!», schrieb Trump nach dem Gespräch auf Twitter. Auch
Xi rief zum gemeinsamen Kampf gegen das Virus aus. «Nur wenn die
internationale Gemeinschaft zusammen reagiert, kann es besiegt
werden», sagte der Staatschef dem chinesischen Staatssender CCTV
zufolge. Auch bot Xi den USA Unterstützung an.

Der Schwerpunkt der Krise hat sich inzwischen verlagert - weg von
China, hin zu anderen Teilen der Welt. Besonders hart getroffen ist
seit Wochen Italien. Und nun sind eben die Vereinigten Staaten
zunehmend in den Fokus gerückt.

Die USA sind bereits schwer gezeichnet von der Corona-Kise. Das Virus
hat das öffentliche Leben in weiten Teilen zum Erliegen gebracht.
Etwa die Hälfte der rund 330 Millionen Amerikaner unterliegt
inzwischen von Bundesstaaten verhängten Ausgangsbeschränkungen. Viele
Geschäfte und Betriebe sind geschlossen, Restaurants und Hotels
bleiben leer, Flüge sind massenhaft gestrichen, Veranstaltungen
reihenweise abgesagt. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe
verzehnfachte sich innerhalb von nur wenigen Tagen auf
schwindelerregende 3,3 Millionen. Die größte Volkswirtschaft der Welt
befindet sich im steilen Sinkflug - trotz eines vom Kongress auf den
Weg gebrachten beispiellosen Konjunkturpakets.

Einer der Hotspots der Epidemie in den USA ist die Ostküstenmetropole
New York. Dort steigen die Infektionen besonders rasant an: Mehr als
38 000 nachgewiesene Fälle gibt es in der Stadt bereits. Lokalen
Medien zufolge könnten die Kliniken in New York in den kommenden
Tagen punktuell erstmals an ihre Kapazitätsgrenze gelangen.
Angesichts ansteigender Totenzahlen in der Corona-Krise hat die
Millionenmetropole auch eine provisorische Leichenhalle errichtet.

Trump müht sich seit Tagen, Optimismus zu versprühen und den
Amerikanern eine baldige Besserung in Aussicht zu stellen. Bis
Ostern, also bis Mitte April, soll das Land nach seinem Willen wieder
im Normalbetrieb laufen. Mit Blick auf die hohe Zahl bestätigter
Infektionen in den USA sagte Trump am Donnerstagabend, dies liege
daran, dass im Land so viele Tests durchgeführt würden. Stimmt das?

In den USA wurden landesweit bis Donnerstag mehr als 500 000 Tests
gemacht. Das klingt zunächst viel, ist umgerechnet auf die
Einwohnerzahl von rund 330 Millionen aber ein eher bescheidener Wert.
Erst in den vergangenen Tagen nahmen die Tests in den USA deutlich
zu. Mitte des Monats war es noch eine verschwindend geringe Zahl von
etwa 50 000 gewesen. Es ist bislang nicht einfach, in den USA an
einen Test zu kommen. Die Dunkelziffer von Infizierten dürfte hoch
sein.

Zum Vergleich: Im 60-Millionen-Einwohner-Land Italien wurden seit
Ausbruch der Krise nach Angaben des Zivilschutzes bis Donnerstag rund
360 000 Tests gemacht. In Deutschland mit seinen mehr als 80
Millionen Einwohnern wurden nach Angaben der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung seit dem 9. März in Deutschland 410 000 Tests
gemacht. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten,
sagte am Donnerstag, inzwischen würden deutschlandweit pro Woche
sogar rund 500 000 Tests auf eine Coronavirus-Infektion durchgeführt.

China wiederum macht keine offiziellen Angaben dazu, wie viele
Menschen täglich getestet werden. Zudem scheint unklar, inwieweit die
offizielle Statistik dort die wahre Lage widerspiegelt und wie hoch
die Dunkelziffer ist.