Demokratie in Zeiten von Corona - Wie kann das Parlament arbeiten? Von Sebastian Haak und Stefan Hantzschmann, dpa

Auch während der Corona-Krise muss der Thüringer Landtag
zusammenkommen. Doch wie kann das funktionieren, ohne gegen die
bestehenden Regeln und Schutzmaßnahmen zu verstoßen? Zwei Vorschläge

werden derzeit diskutiert. Und einen Favoriten gibt es auch schon.

Erfurt (dpa/th) - Wegen der Corona-Pandemie könnte der Thüringer
Landtag im Mai mit nur noch 46 statt 90 Abgeordneten zusammen kommen.
Es zeichne sich ab, dass es in den Fraktionen Sympathien für
Überlegungen gibt, in nächster Zeit Plenarsitzungen mit nur noch 46
Abgeordneten abzuhalten, sagte Thüringens Landtagspräsidentin Birgit
Keller (Linke) am Freitag in Erfurt. Wenn die Zahl der Parlamentarier
so verringert werde, sollen die Mehrheitsverhältnisse zwischen den
Fraktionen trotzdem abgebildet werden. Die Sitzungen des Parlaments
im April wurden abgesagt.

Der Ältestenrat des Landtages habe sich verständigt, dass alle 90
Abgeordneten der Reduzierung des Parlaments zustimmen müssten, sagte
die Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich, die auch im
Ältestenrat des Landtages sitzt. Ihre Fraktion sei dazu bereit.

Eine Plenarsitzung mit weniger als 46 Abgeordneten sei aufgrund der
Regelungen in der Landesverfassung und der Geschäftsordnung des
Landtags verfassungsrechtlich problematisch, sagte Keller. «Es nützt
uns nichts, wenn Beschlüsse, die wir mit noch weniger Abgeordneten
fassen, im Nachgang juristisch angegriffen werden könnten», sagte
sie.

Sind nicht alle Landtagsabgeordneten mit einer Reduzierung des
Parlaments einverstanden, müsste der Landtag vorübergehend umziehen,
damit für genügend Abstand zwischen den Politikern gesorgt werden
kann. Mindestens 1,5 Meter sollten es sein - so steht es auch in der
Grundverordnung der Landesregierung, die seit Mittwoch gilt. Bleibt
es bei 90 Abgeordneten, wäre der Saal zu klein. Nachgedacht werde
etwa darüber, in die Arena auszuweichen, die dafür aber angemietet
werden müsste, sagte Rothe-Beinlich. Laut Keller bedeutet dies aber
einen hohen organisatorischen, technischen und auch finanziellen
Aufwand. Die letzte Entscheidung darüber werde im Ältestenrat des
Parlaments fallen.

Keller sagte, dass nur mit einer deutlich verringerten Zahl von
Abgeordneten sichergestellt werden könne, dass die notwendigen
Abstände zwischen den Abgeordneten auch während der Plenarsitzungen
eingehalten werden. Dabei müssten sowohl der Plenarsaal als auch die
Besuchertribünen für die Abgeordneten genutzt werden.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Torben Braga,
wäre mit dieser Variante einverstanden. «Wir finden, dass ein
reduzierter Landtag eine sinnvolle Alternative ist», sagte Braga.
Einen Beschluss seiner Fraktion gebe es zu dieser Frage aber noch
nicht. Braga schloss aber auch einen Umzug nicht aus.

Die Thüringer CDU-Fraktion plädiert für eine Reduzierung des
Parlaments. «Wichtig ist, dass der Landtag selbst für im Zweifel
kurzfristige Sitzungen handlungsfähig ist», sagte der
parlamentarische Geschäftsführer Andreas Bühl. Auch die Abgeordneten

der SPD-Fraktion sprachen sich für diese Variante aus, wie eine
Sprecherin erklärte. «Wer jetzt darauf besteht, den gesamten Landtag
einzuberufen, trägt dann eben dafür die Verantwortung, dass für die
Anmietung und Herrichtung größerer Räume immer auch Steuergelder
ausgegeben werden, die man in diesen Zeiten weitaus dringender
woanders benötigt», erklärte die Sprecherin.

Auch die Linke-Fraktion könne sich «unter Wahrung einer
entsprechenden Vorarbeit in den Ausschüssen» ein «46er Modell» gut

vorstellen. Das Thema soll aber noch in einer Fraktionssitzung
besprochen werden.

Keller sagte, dass Abstimmungen über Gesetzesentwürfe bei der
«46er-Lösung» über einen sogenannten Hammelsprung organisiert werde
n
könnten. Alle Abgeordneten würden dabei den Plenarsaal oder die
Tribüne verlassen und durch eine von drei Türen wieder in den
Plenarsaal kommen. «Unter Berücksichtigung der Abstände natürlich
»,
sagte Keller. Jede Tür würde dabei entweder für Zustimmung oder
Ablehnung oder Enthaltung etwa zu einem Gesetzesentwurf stehen.