Corona-Krise: Notbetreuung für Kinder wird ausgeweitet

Hessen rechnet mit steigenden Zahlen von Covid-19-Fällen in den
Krankenhäusern. Damit Ärzte, Sanitäter und Pfleger möglichst voll
einsatzfähig sind, sorgt das Land vor.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Während die Corona-Krise Hessen fest im Griff
hat, rüstet sich das Land für eine drohende Verschärfung der Lage. Da

möglicherweise künftig immer mehr Schwerkranke in den Krankenhäusern

behandelt werden müssen, wird die Notbetreuung an den Kitas und
Schulen ausgeweitet. Das Angebot gilt für Kinder von Eltern, die im
Gesundheitswesen beschäftigt sind und dringend an ihrem Arbeitsplatz
gebraucht werden.

Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen in Hessen stieg am
Freitag im Vergleich zum Vortag um 222 Fälle auf 2392 (Stand 14.00
Uhr). Mehr als 500 Menschen liegen wegen der vom Coronavirus
ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 im Krankenhaus, wie das
Sozialministerium mitteilte. 88 lagen auf Intensivstationen und
wurden beatmet. 34 weitere brauchten zwar ein Intensivbett, mussten
aber nicht beatmet werden. Nach Angaben des Ministeriums erhöhte sich
die Zahl der Todesfälle, die auf den Erreger Sars-CoV-2 zurückgeführt

werden, um einen Fall auf sieben.

Sozialminister Kai Klose (Grüne) warnte davor, die Corona-Regeln zu
früh zu lockern. Um Ostern herum werde die Zeit sein, zu der man mit
Blick auf die Entwicklung der Infektionszahlen über eine mögliche
weitere Strategie nachdenken könne, sagte er in Wiesbaden. «Wenn
diese Vollbremsung, die wir gemeinsam hingelegt haben, einen Sinn
haben soll, dann darf man auf keinen Fall zu früh wieder anfangen,
locker zu werden in den Maßnahmen.» Dann laufe man Gefahr, eine
zweite Welle auszulösen.

Die wichtigsten Themen des Tages zu Covid-19 im Überblick:

NOTBETREUUNG AN SCHULEN UND KITAS

Die Notbetreuung an Schulen und Kindertagesstätten wird speziell für
Kinder berufstätiger Eltern aus dem Gesundheitswesen ausgeweitet. Das
kündigten Klose und Kultusminister Alexander Lorz (CDU) an. Für diese
Kinder gebe es zusätzlich an Wochenenden und den Osterfeiertagen ein
Angebot. Dies gilt für Alleinerziehende und Familien, in denen
mindestens ein Elternteil im Gesundheitswesen oder Rettungsdienst
arbeitet und das zweite in einem bestimmten Schlüsselberuf, wozu
beispielsweise Polizisten, Richter oder Apotheker zählen.

Die bereits laufende Notbetreuung für Kinder, deren Eltern in
bestimmten Schlüsselberufen arbeiten, werde es auch an den
Ferientagen unter der Woche geben, erläuterte ein Sprecher des
Kultusministeriums. Die Regelungen gelten ab 4. April und zunächst
bis 19. April. «Wir reagieren damit vorausschauend auf die
Entwicklung, die vermutlich vor uns liegen wird - nämlich die
steigende Zahl der an Covid-19 ... erkrankten Personen», erläuterte
Klose.

KRANKENHÄUSER BEREITEN SICH WEITER VOR

In den hessischen Krankenhäusern sind nach Angaben von Klose aktuell
10 500 Betten frei. Das seien deutlich mehr als sonst im
Durchschnitt, sagte der Minister. Hinzu kämen mehr als 600 freie
Betten mit einer Beatmungsmöglichkeit und über 400 mit der
Möglichkeit einer intensivmedizinischen Überwachung. Die freien
Kapazitäten seien die Folge der vor zwei Wochen getroffenen
Entscheidung, planbare Operationen zu verschieben.

WIE SIEHT ES IM STARK BETROFFENEN HERBORNER HEIM AUS?

Nach der bestätigten Coronavirus-Infektion einer
Altenpflegeheim-Mitarbeiterin im mittelhessischen Herborn sind
weitere Beschäftigte und mehrere Bewohner positiv auf den Erreger
getestet worden. Infiziert seien sieben Bewohner sowie drei
Mitarbeiter, teilte der Lahn-Dill-Kreis mit. Darunter befinde sich
auch die zuerst getestete Mitarbeiterin. «Die betroffenen
Bewohnerinnen und Bewohner sind isoliert in ihren Zimmern im
Altenpflegeheim untergebracht und werden dort medizinisch durch ihre
Hausärzte betreut», teilte der Kreis weiter mit. Sechs zeigten milde
Symptome, eine Person sei bereits am Vortag in eine Klinik gekommen.

CORONA BREMST VERKEHR WEITER AUS

Nachdem das soziale Leben stark eingeschränkt wurde, hat der Verkehr
auf den Autobahnen deutlich abgenommen. Hessen Mobil bezifferte den
Rückgang je nach Autobahn auf 30 bis 50 Prozent. Der Lastwagenverkehr
sei deutlich weniger zurückgegangen als der Pkw-Verkehr. «Das zeigt,
dass die Versorgung mit Waren und Gütern gesichert ist.» Experten
rechnen mit sinkenden Schadstoffwerten in der Luft. Vor allem die
Konzentration von Stickstoffdioxid habe seit Donnerstag vergangener
Woche (19. März) stark abgenommen, sagte eine Sprecherin des
Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

CORONA BREMST WIRTSCHAFT WEITER AUS

Die Krise hat die hessische Wirtschaft nahezu vollständig erreicht.
Nach einer Umfrage des hessischen Industrie- und Handelskammertages
spüren 92 Prozent der Unternehmen Auswirkungen auf ihre Geschäfte.
Drei Viertel der Betriebe rechnen demnach mit Umsatzverlusten über
zehn Prozent, jede vierte Firma sogar mit mehr als 50 Prozent. Mehr
als 1100 Unternehmen hatten sich an der Umfrage beteiligt. Zu
schaffen machten den Betrieben vor allem die sinkende Nachfrage,
stornierte Aufträge, der Stillstand der Geschäftstätigkeit und
Liquiditätsengpässe. Die Lufthansa meldete Kurzarbeit für tausende
ihrer Mitarbeiter in Deutschland an.

GASTSTÄTTEN UND RESTAURANTS STELLEN GESCHÄFT UM

Im Kampf um ihre Existenz bauen viele Gastronomen in Hessen
Lieferdienste auf. Der abrupte Einstieg in das Geschäft stellt die
Wirte vor Herausforderungen: «Das Schwierigste war, die Touren zu
planen», berichtete etwa der Gießener Gastronom Shadi Souri. Seit gut
einer Woche müssen Lokale in Hessen geschlossen bleiben. Erlaubt ist
aber noch, Speisen abzugeben und zu bringen.

KEINE PRÜFUNGEN FÜR AZUBIS

Azubis bekommen bei den Berufsabschlussprüfungen wegen der
Corona-Krise mehr Zeit. Die Industrie- und Handelskammern haben die
für April und Mai geplanten schriftlichen Berufsabschlussprüfungen
für Auszubildende in den Sommer 2020 verschoben. Das teilte die IHK
Offenbach mit. Teilnehmer, die im Frühjahr 2020 für die
Abschlussprüfung Teil 1 angemeldet waren, können ihre Prüfung im
Herbst 2020 nachholen.

WÄHLEN NUR NOCH PER BRIEF

In der osthessischen Gemeinde Wildeck findet eine historische
Bürgermeisterwahl statt. Es ist der erste Urnengang ohne Stimmabgabe
in Wahllokalen, das Ergebnis wird am Sonntag nur anhand der Briefwahl
ermittelt. Angeordnet hat dies wegen der Corona-Krise der Landkreis
Hersfeld-Rotenburg, wie ein Behördensprecher in Bad Hersfeld
mitteilte. Die Grundlage für den ungewöhnlichen Schritt gibt das
Infektionsschutzgesetz.

LANDESVERWALTUNG KONFERIERT PER VIDEO

In der Corona-Krise besonders wichtig: Den Dienststellen des Landes
stehen knapp 100 Videokonferenzsysteme zur Verfügung. Das geht aus
einer Antwort des Digitalministeriums auf eine parlamentarische
Anfrage im Landtag hervor. Daneben wurde aktuell die Zahl der
Lizenzen für «Face-to-Face oder Ad-hoc-Konferenzen» der Anwendung
HessenConnect von 2800 auf etwa 5000 erhöht, wie ein Sprecher
ergänzte. Der Arbeitseinsatz der Beschäftigten werde derzeit über
Pandemiepläne geregelt.

FORSCHER SIND IMPFSTOFF AUF DER SPUR

An der weltweiten Suchen nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus
Sars-CoV-2 beteiligen sich auch Gießener Wissenschaftler. Die EU
unterstütze das Projekt «Opencorona», das unter Federführung
schwedischer Forscher steht, für zwei Jahre mit voraussichtlich drei
Millionen Euro, teilte die Hochschule mit. Das Team um Prof. Weber
untersucht in Zellkulturen, wie das angeborene Immunsystem auf
verschiedene Impfstoffkandidaten reagiert.

Binnen einer Woche haben Bürger, Unternehmer und Institutionen eine
Million Euro für den Corona-Fond der Frankfurter Goethe-Universität
gespendet. Das Geld soll vor allem der Forschung und Entwicklung in
Virologie und Intensivmedizin zugute kommen.

KIRCHEN SPENDEN TROST

Als hörbares Zeichen zum Zusammenhalt in der Corona-Krise sollen am
Samstagabend (28. März) um 19.30 Uhr für fünf Minuten die Glocken zum

Gebet läuten. An dieser Aktion beteiligen sich unter anderem die
Bistümer in Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie die Evangelische
Kirche in Hessen und Nassau, wie das Bistum Fulda mitteilte. Die
Online-Angebote mit Gottesdiensten und geistlichen Impulsen des
Bistums sind in den vergangenen beiden Wochen mehr als 30 000 Mal
aufgerufen worden. Wegen der Corona-Pandemie finden derzeit keine
öffentlichen Gottesdienste statt.

PRO ASYL FORDERT ABSCHIEBESTOPP

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat einen generellen
Abschiebungsstopp wegen der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus
gefordert. Betroffene müssen davor geschützt werden, in Länder mit
schlechten Gesundheitssystemen abgeschoben zu werden, in denen die
Auswirkungen von Corona katastrophal werden können oder bereits sind,
hieß es. Konkret bezog sich Pro Asyl auf eine bevorstehende
Abschiebung zweier Frauen in den Iran, der als eines der weltweit
größten Risikogebiete der Coronavirus-Pandemie gilt.

AUFRUF ZUM FRIEDEN IN ZEITEN VON CORONA

Das Coronavirus verhindert in diesem Jahr die traditionellen
Ostermärsche der Friedensbewegung. Die Auflagen zur Eindämmung der
Pandemie «machen eine Durchführung von Veranstaltungen oder
Demonstrationen unmöglich», teilten die Organisatoren mit. Viele
Initiativen riefen dazu auf, über Ostern zum Beispiel
Friedenszeichen, Banner, Fahnen und Symbole aus den Fenstern zu
hängen, an Autos, Fahrrädern und Jacken zu befestigen.

DARMSTÄDTER FUßBALLFANS MÜSSEN LÄNGER AUF STADION WARTEN

Wegen der Corona-Krise verzögert sich der laufende Umbau der
Heimstätte des Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98.
Vereinspräsident Rüdiger Fritsch kündigte in einem Interview der
«Frankfurt Allgemeine Zeitung» an, dass der ab Mitte Mai geplante
Abriss und Neubau der Haupttribüne im Merck-Stadion am Böllenfalltor
auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsse, «allein weil die Saison
Mitte Mai vermutlich nicht zu Ende sein wird».