Rasche Lockerung der Corona-Regeln unwahrscheinlich - Hilfen kommen

Das Coronavirus wird auch in den nächste Wochen den Alltag der Bürger
überschatten. Die Verbote können wohl noch nicht gelockert werden.
Allerdings kann man schon vor dem 1. April mit Hilfen rechnen.

Berlin (dpa) - Die Bundesbürger können im Kampf gegen die
Corona-Epidemie nicht auf ein Ende des strengen Kontaktverbotes noch
vor Ostern hoffen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte «sehr klar»
fest, «dass im Augenblick nicht der Zeitpunkt ist, über die Lockerung
dieser Maßnahmen zu sprechen». Sie bat die Bürger eindringlich um
Geduld.

Der Bundesrat sorgte indessen am Freitag nach einem parlamentarischen
Eilverfahren dafür, dass die gewaltigen Hilfen in der Corona-Krise
mit Maßnahmen zur Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen, zur
Unterstützung von Krankenhäusern sowie zur Sicherung von
Lebensunterhalt und Wohnung der Bürger fließen können. Die ersten
Gelder sollen noch vor dem 1. April bei den Betroffenen ankommen.

Nachdem in den vergangenen Tagen die Debatte über eine Exitstrategie
aus den massiven Einschränkungen für Gesellschaft und Wirtschaft
aufgekommen war, sagte Merkel am Donnerstagabend, im Moment verdopple
sich die Zahl der Infizierten innerhalb von vier bis fünf Tagen. Der
Zeitraum einer Verdoppelung der Infiziertenzahlen müsse sehr viel
weiter ausgedehnt werden, «in Richtung von zehn Tagen». Nachdem die
verschärften Maßnahmen erst am Montag in weiten Teilen Deutschlands
in Kraft getreten seien, sei man noch nicht in dem Bereich, in dem
man sehen könne, ob sie wirkten, argumentierte die Kanzlerin.

Unterstützung bekam sie von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan
Weil (SPD), der in der Debatte um mögliche Lockerungen der
Corona-Schutzmaßnahmen zur Besonnenheit mahnte. Diese Diskussion
komme «zu früh», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin». Nach den
Osterferien würden Bund und Länder über die aktuell geltenden
Maßnahmen beraten. Selbst wenn dann Lockerungen beschlossen würden,
dürfe man sich nicht vorstellen, dass Corona «besiegt» wäre.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte vor
verfrühten Spekulationen über ein Ende der Beschränkungen und
Auflagen. Und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte am
Donnerstagabend in der Sendung «ARD Extra»: «Wir sind nicht über de
n
Berg, wir stehen mitten in der Krise.»

Politiker der Union würden im Kampf gegen die Ausbreitung der
Lungenkrankheit Covid-19 gerne möglichst bald eine App einsetzen, die
Bürger freiwillig auf ihrem Handy installieren können. Sie soll wie
eine Art digitales Tagebuch funktionieren und - falls sein Besitzer
positiv auf das Coronavirus getestet wird - automatisch anonymisierte
Hinweise an alle Menschen versenden, die in den zurückliegenden zwei
Wochen mit ihm Kontakt hatten.

Aus Sicht der Bundesregierung könnte dies die Gesundheitsämter
entlasten. Denn die wenden viel Energie auf, um Infektionsketten
zurückzuverfolgen. «Grundvoraussetzung für uns wäre sicherlich die

Freiwilligkeit», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin
Ulrike Demmer. Das Rote Kreuz in Österreich hat diese Woche eine
«Stopp-Corona-App» präsentiert. Wer sie auf seinem Handy installiert,

muss dafür keine personenbezogenen Daten preisgeben. Ähnliche
Überlegungen werden inzwischen auch beim Deutschen Roten Kreuz
angestellt.

Bund und Länder streben eine Ausweitung der Testkapazitäten für
Corona-Infektionen an. Die «Bild»-Zeitung (Freitag) zitierte
entsprechend aus dem Protokoll einer Telefonkonferenz zwischen
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und den Chefs der
Staatskanzleien der Länder vom Mittwoch. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) hatte gesagt, die Kapazität liege mit 300 000 bis
500 000 Tests pro Woche auch im internationalen Vergleich sehr hoch.

Nachdem das Kabinett am Montag das viele Hundert Milliarden schwere
Hilfspaket auf den Weg gebracht hatte, stimmten im Eilverfahren am
Mittwoch der Bundestag und am Freitag der Bundesrat dem Paket zu.
Unter anderem gibt es für kleine Firmen und Selbstständige direkte
Zuschüsse in Höhe von insgesamt 50 Milliarden Euro. Große Firmen
können unter einen 600 Milliarden Euro umfassenden Schutzschirm
schlüpfen und notfalls auch ganz oder zum Teil verstaatlicht werden.
Die Krankenhäuser bekommen eine Finanzspritze für neue Intensivbetten
mit künstlicher Beatmung. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plant
wegen des Pakets mit einer Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro.

Zwei Monate nach der Bekanntgabe der ersten Coronavirus-Infektion in
Deutschland ist die Mehrheit der Deutschen zufrieden mit dem
Krisenmanagement der Bundesregierung. In einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen
Presse-Agentur bewerteten 54 Prozent das Agieren des Kabinetts eher
positiv. 13 Prozent sagten, sie seien «sehr zufrieden». Eher
unzufrieden sind dagegen 38 Prozent.

Angesichts der breiten Zustimmung für das Krisenmanagement der
Bundesregierung springt die Union beim ZDF-«Politbarometer» mit 33
Prozent Zustimmung auf ihren höchsten Umfragewert seit fast zwei
Jahren. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als Anfang März. Verlierer
der Krise ist der Umfrage zufolge die AfD. Sie stürzte um vier Punkte
auf 10 Prozent.

Wegen der Corona-Krise ist es in einigen Ländern vereinzelt zu
Diskriminierungen oder sogar Gewalt gegen Deutsche gekommen. «Es gab
einige Anfeindungen in manchen Ländern, in denen kursierte, dass das
Virus von Europäern eingeschleppt worden sei. Es gab auch tätliche
Angriffe», sagte der Krisenbeauftragte des Auswärtigen Amts, Frank
Hartmann, der dpa. «Das sind aber Einzelfälle.» Die Rückholaktion d
er
Bundesregierung für die im Ausland gestrandeten Deutschen wird
mindestens noch zwei Wochen dauern.