Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19: Was verspricht Erfolg? Von Simon Sachseder, dpa

Forscher in Deutschland und weltweit suchen mit Hochdruck ein Mittel
gegen das neuartige Coronavirus. Wichtige Rollen spielen dabei eine
sehr alte Behandlungsart und eine Art Recyclingmethode.

Berlin (dpa) - Die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe gegen
eine Krankheit dauert in der Regel Jahre, oft Jahrzehnte. Vor allem
die klinischen Studien an Menschen sind sehr aufwendig. Doch in
Zeiten der Corona-Pandemie muss es schnell gehen. Experten hoffen
deshalb besonders auf den Erfolg zweier anderer Vorgehensweisen:

UMWIDMUNG VON WIRKSTOFFEN

Bereits für andere Krankheiten entwickelte oder teilweise entwickelte
Wirkstoffe könnten unter Umständen gegen die Lungenkrankheit Covid-19
helfen. Ihr Einsatz könnte schneller erfolgen, als wenn man einen
neuen Wirkstoff entwickelt.

REMDESIVIR: Als aussichtsreich gilt der Wirkstoff Remdesivir. Die
Substanz, die sich direkt gegen das Virus richtet, wurde ursprünglich
gegen Ebola-Infektionen entwickelt. Da sie damals in der klinischen
Prüfung keine guten Ergebnisse brachte, wurde die Entwicklung nicht
weiterverfolgt.

Weil erste Laborergebnisse im Einsatz gegen Coronaviren aber gut
aussahen, wird Remdesivir unter anderem in Deutschland in zwei
klinischen Studien getestet. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) hat dies am 10. März genehmigt.

An einer internationalen Studie, bei der die Substanz an 600
Patienten mit moderaten Symptomen und an 400 mit schwerer Symptomatik
erprobt werden soll, nehmen unter anderem die München Klinik
Schwabing, das Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE) und die
Uniklinik Düsseldorf teil. Sollte die Studie Erfolge bringen, könnte
das Mittel bis frühestens Ende 2020 auf den Markt kommen, sagte der
Münchner Chefarzt Clemens Wendtner am Dienstag. Für ausgewählte
Einzelfälle setzte unter anderem die Düsseldorfer Uniklinik
Remdesivir schon bei Covid-19-Patienten ein.

FAVIPIRAVIR: Es gibt mehrere Viren-bekämpfende Stoffe, deren
Wirksamkeit gegen den Erreger Sars-CoV-2 gerade erprobt wird, etwa
das Grippemittel Favipiravir. Unproblematisch sind diese sogenannten
Virostatika nicht: «Viren verändern sich und können resistent
werden», sagt Melanie Brinkmann, Virologin am Braunschweiger
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Ähnlich wie bei
Antibiotika könne es auch bei Virostatika zu Resistenzen kommen.

HYDROXYCHLOROQUIN: Ein anderer hochgehandelter Wirkstoff im Kampf
gegen Sars-CoV-2 ist das Malariamittel Hydroxychloroquin. Der
Wirkstoff ziele nicht direkt auf das Virus ab, sondern greife in
zelluläre Prozesse ein, die für das Virus existentiell seien,
erläutert Brinkmann. Eine kürzlich vorgestellte französische
klinische Studie dazu sei aber «nicht aussagekräftig». Auch der
Berliner Virologe Christian Drosten hatte die Aussagekraft der Studie
infrage gestellt. Das bedeutet aber nicht, dass das Medikament gegen
die Krankheit unwirksam ist. Am Mittwoch wurde in Deutschland eine
klinische Studie genehmigt, die die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin
gegen Covid-19 untersuchen soll. Der Stoff hat allerdings erhebliche
Nebenwirkungen.

Auch sogenannte Immunmodulatoren könnten gegen Covid-19 helfen. Diese
Medikamente beeinflussen das menschliche Immunsystem. Das kann
sinnvoll sein, denn der Körper reagiert sehr stark auf Sars-CoV-2 und
kann so in der Lunge noch mehr Schaden anrichten.

Ungeachtet dessen arbeiten Wissenschaftler auch an der Entwicklung
gänzlich neuer Wirkstoffe. Bis daraus aber ein Medikament resultiert,
dürften viele Jahre vergehen. Für die derzeitigen Pandemie werden sie
wohl keine Rolle mehr spielen.

ANTIKÖRPER

Menschen bilden Antikörper gegen verschiedenste Krankheitserreger,
die in den Körper gelangen - auch gegen das neue Coronavirus. Eine
besondere Rolle spielen dabei neutralisierende Antikörper. «Die
neutralisierenden Antikörper patrouillieren praktisch vor der Zelle
und fangen das Virus ab, so dass es nicht in die Zelle eintreten
kann», erklärt Virologin Brinkmann. Auch nachdem ein Patient genesen
ist, bleiben die Antikörper zumindest noch eine Weile im Blut.

Auf der Bildung solcher Antikörper beruht auch die Wirkung der
meisten klassischen Impfungen. Eine klinisch etablierte Methode ist
es, Antikörper von genesenen Menschen zu nehmen und Erkrankten zu
geben. Bei diesen können die Antikörper dann den jeweiligen Erreger
bekämpfen. Theoretisch ist auch vorstellbar, dass man etwa klinischem
Personal solche Antikörper vorbeugend gibt - sie müssten sie dann
allerdings alle zwei Wochen neu erhalten, schätzt Brinkmann.

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) sucht zurzeit nach
Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren und genesen sind. Mit einer
Blutplasmaspende könnten sie demnächst auch Antikörper für Erkrankt
e
abgeben. «Wir wollen unbedingt versuchen, ob wir damit nicht
Schwerstkranken helfen können», sagte der MHH-Institutsleiter für
Transfusionsmedizin, Rainer Blasczyk.

Auch Kliniken in New York versuchen mit Antikörpern von Genesenen
Leben zu retten, wie die Zeitschrift «Nature» vor wenigen Tagen
berichtete. Da Antikörper im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten
körpereigene Stoffe sind, sollten in der Regel auch die
Nebenwirkungen gering ausfallen.

An der Technischen Universität Braunschweig (TU) können menschliche
Antikörper gegen SARS-CoV-2 mittlerweile im Reagenzglas gewonnen
werden. Im Gegensatz zu Präparaten aus dem Blut gesundeter Patienten
erschließe dies eine unerschöpfliche Quelle, betont Brinkmann. Diese
Antikörper müssten aber noch auf ihre Wirksamkeit getestet werden.

«Neutralisierende Antikörper sind für mich derzeit am
Erfolgversprechendsten», sagt Brinkmann. Solche Antikörper kann man
inzwischen biotechnologisch im Labor herstellen. Der Einsatz von im
Labor erzeugten monoklonalen Antikörpern sei in etwa drei Monaten
möglich.