Werteverfall in Rekordzeit: Transfers von Havertz und Sancho ungewiss Von Heinz Büse, dpa

Gut 130 Millionen Euro für Jadon Sancho, etwas weniger für Kai
Havertz. Noch vor drei Wochen schien es, als könnten die beiden
Top-Talente der Bundesliga ihren Clubs aus Dortmund und Leverkusen im
Sommer satte Einnahmen bescheren. Das hat sich geändert.

Dortmund (dpa) - Die Aussichten sind ungewiss, die Preise auf
Talfahrt. Auch die derzeit wohl wertvollsten Bundesliga-Stars Kai
Havertz und Jadon Sancho bekommen die Auswirkungen der Corona-Krise
zu spüren. Weil das Virus auch den Transfermarkt infizierte,
erscheinen ihre eigentlich für Sommer geplanten lukrativen Wechsel
nun ungewiss. Der Werteverfall ihrer erst 20 Jahre alten Top-Talente
könnte Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund zu einer Fortsetzung
der Zusammenarbeit verleiten. Schließlich verkaufen kluge Anleger
ihre besten Aktien nicht bei Kurs-Tiefständen.

In der Fachwelt herrscht Konsens darüber, dass sich der Transfermarkt
«enthitzen» wird, wie es Gladbachs Manager Max Eberl zum Ausdruck
brachte. «100-Millionen-Euro-Transfers kann ich mir in der nächsten
Zeit nicht vorstellen. Die Beträge werden sich in den kommenden zwei,
drei Jahren nicht mehr auf dem bisherigen Niveau bewegen können. Es
wird sehr wahrscheinlich eine neue Fußballwelt geben», orakelte
FC-Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß am Donnerstag im «Kicker».

Die Preise purzeln in Rekordzeit. Keine zwei Wochen ist es her, dass
Bayer-Coach Peter Bosz öffentlich eine satte Einnahme für Havertz in
Aussicht stellte. «Er kann im nächsten Sommer nicht gehalten werden.
Das wird eine Überweisung von 100 Millionen Euro. Was sage ich: von
über 100 Millionen Euro.» Bayer-Geschäftsführer Fernando Carro hatt
e
den Wert für den Nationalspieler zuvor gar auf mindestens 126
Millionen Euro taxiert.

Eine solche Summe wäre für den Mittelfeldspieler aber ohnehin nur zu
erlösen gewesen, wenn er im Sommer auf großer EM-Bühne brilliert
hätte. Weil auch diese Möglichkeit entfällt, müssten sich die
Leverkusener bei einem Verkauf wohl mit deutlich weniger zufrieden
geben. «Dass der Transfermarkt im Sommer ein anderer sein wird, das
ist so. Das müssen wir akzeptieren» kommentierte
Sport-Geschäftsführer Rudi Völler im «Kicker».

Eine Verschiebung des Transfers in den kommenden Sommer gilt deshalb
als wahrscheinlich. Allerdings würde sich die Verhandlungsposition
für die Leverkusener dadurch verschlechtern. Kaum ein Verein würde
für einen Profi, dessen Vertrag dann nur noch ein Jahr läuft, so viel
Geld investieren.

Beim Liga-Konkurrenten aus Dortmund ist die Ausgangslage ähnlich. Wie
Havertz hat auch Sancho einen Vertrag bis Ende Juni 2022. Das
Offensiv-Juwel aus England, für den nach Schätzungen entsprechender
Internet-Portale ein noch höherer Preis als für Havertz zu erzielen
wäre, wird vor allem mit namhaften Clubs aus der Premier League wie
Manchester United oder FC Chelsea in Verbindung gebracht.

Medienspekulationen, wohin es den besten Scorer der Liga (14 Tore/16
Assists) ziehen könnte, gibt es mittlerweile deutlich weniger als zu
Beginn der Corona-Krise. Das kommt für Michael Zorc wenig
überraschend: «Wir wissen weder mit Sicherheit, wann der Spielbetrieb
fortgesetzt werden kann, noch wann wir wieder vor Zuschauern in den
Stadien spielen werden. Deshalb empfinde ich es als sehr schwierig,
gerade verlässliche Prognosen abzugeben - das betrifft auch die
nächste Transferperiode», sagte der BVB-Sportdirektor der «Sport
Bild.»

Der Kölner Sportökonom Christoph Breuer macht den Leverkusenern und
Dortmundern Hoffnung. Nach seiner Einschätzung sind vor allen
«Spieler der zweiten Reihe» in Zukunft billiger zu haben. Er
vermutet, dass die Preise für die Topspieler nicht so stark
einbrechen werden: «Die wenigen Superstars haben weiter einen so
großen Wert für die Topclubs, dass die Nachfrage bei den
finanzkräftigen Clubs hoch bleiben wird. Das sind ja auch häufig
Clubs mit Investoren, die womöglich die finanzielle Krise auch ganz
gut ausgleichen können», sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur.