Ethikrat und Mediziner erstellen Rat für Notsituation in Krankenhaus

In Italien entscheiden Mediziner wegen knapper Intensivplätze über
Leben und Tod. In Deutschland sind ähnliche Szenarien laut Experten
zumindest denkbar. Wie sollen Mediziner hierzulande dann entscheiden?

Berlin (dpa) - Sollten Mediziner in der Corona-Krise über Leben und
Tod entscheiden müssen, dürfen nach dem Willen von Ärztefunktionäre
n
und Deutschem Ethikrat nur medizinische Kriterien zählen. So müsse
etwa sichergestellt werden, dass Entscheidungen unabhängig von
sozialem Status, Herkunft, Alter oder Behinderung getroffen werden,
hieß es in einer Mitteilung des Deutschen Ethikrates am Freitag.
Sieben medizinische Fachgesellschaften hatten am Donnerstag
gemeinsame Empfehlungen vorlegten. Im Falle einer Knappheit in der
aktuellen Corona-Pandemie sollten in Krankenhäusern Intensivbetten
nach Erfolgsaussicht der Behandlung verteilt werden. «Es muss gerecht
zugehen» hieß es.

Auch hierzulande sei eine Situation möglich, «in der nicht mehr
ausreichend intensivmedizinische Ressourcen für alle Patienten zur
Verfügung stehen», teilte der Ethikrat mit. Der Staat dürfe
menschliches Leben jedoch nicht bewerten, und deshalb auch nicht
vorschreiben, welches Leben in einer Konfliktsituation vorrangig zu
retten sei. Die Empfehlungen der Fachgesellschaften seien maßgeblich.
Sie könnten «inhaltlich über das hinausgehen, was staatlicherseits
zulässig wäre».

«Wir haben uns ganz klar gegen das Kriterium «Alter» entschieden und

wollen sehr viel differenzierter vorgehen», sagte Uwe Janssens,
Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-

und Notfallmedizin (DIVI). In einem Team aus drei Experten mit
unterschiedlichen Blickwinkeln solle entschieden werden. Den
Empfehlungen zufolge spielen dabei der Schweregrad der aktuellen
Erkrankung sowie relevante Begleiterkrankungen eine wesentliche
Rolle. Auch der Patientenwille - aktuell oder per Verfügung - sei
fester Bestandteil bei allen Entscheidungen. Kein Unterschied soll
zwischen Covid-19-Patienten und anderweitig Erkrankten, die eine
Intensivbehandlung benötigten, gemacht werden.

Problematisch seien besonders Situationen, in denen die Versorgung
eines Patienten abgebrochen werde, um einen anderen Patienten mit
höheren Überlebenschancen zu retten, teilte der Ethikrat mit.
«Objektiv rechtens ist das aktive Beenden einer laufenden, weiterhin
indizierten Behandlung zum Zweck der Rettung eines Dritten nicht»,
hieß es. Wenn ein Arzt aber in einer solchen Notsituation nach von
Fachgesellschaften aufgestellten Kriterien entscheide, müsse er aber
vermutlich nicht mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Solch
ein Verteilungssystem nach festgelegten Kriterien nennt man in
Fachkreisen Triage.

«Die Kollegen in Italien und Spanien sind jetzt schon schwer
traumatisiert. Das geht an niemandem spurlos vorbei. Daher kann ein
solcher Kriterienkatalog auf jeden Fall eine Stütze sein», sagte
Janssens.

«Jeden Tag entscheiden Ärzte über Leben und Tod», sagte Eugen Brysc
h,
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. «Es ist gut, dass
das Alter oder die Herkunft dabei keine Rolle spielen. Das ändert
sich auch in der Corona-Krise nicht.» Die Stellungnahmen von Ethikrat
und Intensivmedizinern seien wichtig, um den Menschen Ängste zu
nehmen. Jeder könne aber auch selbst etwas tun: «Eine
Patientenverfügung schafft Klarheit, wenn sich der Mensch nicht mehr
äußern kann. So ist es möglich, Therapien einzufordern - aber auch zu

begrenzen.»