Experte in Norditalien: Noch keine Trendwende in Corona-Krise

Berlin (dpa) - Trotz leicht sinkender Neu-Infektionen mit dem
Coronavirus ist Norditalien nach Einschätzung eines Experten noch
nicht über den Berg. Der Höhepunkt stehe noch bevor, sagte der
Medizinische Direktor der Gesundheitsbehörde der Provinz Bergamo,
Carlo Alberto Tersalvi, am Freitag im Deutschlandfunk. Es sei zu
früh, von einer Trendwende zu sprechen. Es sei ein erstes «gutes
Signal», dass sich das Tempo der bestätigten Neuinfektionen
verlangsamt habe.

Die Lage in den sechs Krankenhäusern der Provinz Bergamo sei weiter
«sehr kritisch», sagte Tersalvi. Die Kliniken seien voll mit
Intensivpatienten und «am Limit». Etwas Entlastung verschaffe die
hausärztliche Versorgung. Viele weniger schwer Erkrankte würden zu
Hause behandelt. «Das hilft», sagte Tersalvi, der die Zusammenarbeit
aller Kliniken in der Provinz steuert.

Welche Fehler in Norditalien zu Beginn der Corona-Krise gemacht
wurden, sei noch nicht abschließend zu bewerten. «Das kann man jetzt
nur schwer sagen. Wir sind noch zu sehr im Notfallmodus», sagte
Tersalvi. Die medizinische Aufnahmekapazitäten seien verdoppelt
worden. Man hätte aber schneller mit Ausgangssperren reagieren
können.

Die italienische Bevölkerung sei sehr alt, und die Lungenkrankheit
Covid-19 betreffe vor allem Alte, sagte Tersalvi. Das habe für «sehr
große Probleme und sehr viele Todesfälle gesorgt». Die Versorgung der

vielen kleinen Dörfer sei ausgesprochen schwierig; vielen älteren
Menschen mache das mache Angst.

Die Schutzmaßnahmen in Deutschland hält Tersalvi indes für
angemessen. Wenn man - wie in der Provinz Bergamo - jeden Tag 100 bis
120 Tote zähle, dann seien die in Deutschland verhängten
Restriktionen «nicht übertrieben».