Regieren in Corona-Zeiten: Eine Ärztin, Telefonschalten - und Abstand Von Oliver von Riegen, dpa

Seit Wochen ist auch die Politik praktisch im Ausnahmezustand. Eine
Sitzung jagt die nächste, Entscheidungen von großer Tragweite müssen

getroffen werden. Vieles geht per Telefon. Home Office ist nicht
immer praktikabel - etwa bei der Gesundheitsministerin.

Potsdam (dpa/bb) - Zwei Handys, mehrere Aktenordner und immer auf dem
Sprung - aber immer mit Abstand in Corona-Zeiten: Brandenburgs
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher ist derzeit besonders als
Krisenmanagerin gefragt. Sie hält es für einen «ganz entscheidenden
Vorteil», dass sie auch Ärztin ist. «Wir reden die ganze Zeit über

die Stärkung von Krankenhausstrukturen, Intensivkapazitäten und
Beatmungsplätze. Das sind Dinge, die ich noch aus eigener
langjähriger Tätigkeit kenne», sagt die Grünen-Politikerin, die
ursprünglich aus Wiesbaden kommt und seit 1996 in Falkensee zuhause
ist. «Ich war über zehn Jahre Intensivmedizinerin.»

Nichts ist normal in dieser Zeit - auch nicht das Regieren. Das
Kabinett unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), das sich
angesichts vieler Entscheidungen fast täglich abstimmt, berät
inzwischen auch in Telefonkonferenzen. Rund um die Entscheidung über
die Ausgehbeschränkungen stimmten sich die Ministerinnen und Minister
praktisch täglich ab. Nicht alles kann virtuell besprochen werden -
über manches soll auch gemeinsam beraten werden. Dabei gelten die
Abstandsregeln, die die Politiker selbst beschlossen haben, natürlich
auch für sie.

Die gemeinsame Sitzung des Kabinetts mit dem Berliner Senat fand
vergangene Woche bewusst in einem großen Saal statt und mit kleiner
Besetzung. Allerdings war danach kurzzeitig unklar, ob alle sich
vielleicht auf den Coronavirus testen lassen müssen, denn Berlins
Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte zehn Tage zuvor

Kontakt mit dem israelischen Botschafter Jeremy Issacharoff, der
positiv getestet worden war. Entwarnung kam aber am Tag darauf.

Mit Abstand will der Landtag am Mittwoch kommender Woche tagen -
manche Stühle sollen freibleiben, eine Reihe soll dazugestellt
werden. Ulrike Liedtke, die Parlamentspräsidentin, will nicht, dass
der Parlamentsbetrieb hinter verschlossenen Türen abläuft, wo schon
öffentliche Veranstaltungen abgesagt sind. «Das Parlament lebt von
der Öffentlichkeit - auch und gerade in dieser Ausnahmesituation»,
betont sie. So soll die Plenarsitzung über Livestream im Internet
übertragen werden - wie auch die Sitzungen einiger Fachausschüsse.

Manche Ausschüsse im Landtag tagen derzeit noch mit Anwesenheit,
manche schalten sich per Telefon zusammen. Auch die Sitzungen
mehrerer Landtagsfraktionen laufen über Telefon, um wegen des
Coronavirus kein Risiko einzugehen. Das kann allerdings ein großer
technischer Kraftakt sein. So groß, dass schon mal jemand einen
zweiten Anlauf nehmen muss, um sich einzuwählen - das kann auch die
Landtagspräsidentin sein. Ihr passierte das bei einer
Telefonschaltung der SPD-Fraktion, wie es im Landtag heißt. Liedtke
ist Mitglied der SPD-Fraktion.

Die CDU-Fraktion nutzt nach eigenen Angaben Video- und
Telefonkonferenzen. «So sind die notwendigen Abstimmungen innerhalb
der Fraktion ohne Probleme machbar», sagt CDU-Fraktionschef Jan
Redmann. Aber es gibt eben auch noch Ausschüsse, die sich treffen -
mit Abstand zwischen den Abgeordneten. «Ich habe den Eindruck, die
Kollegen freuen sich inzwischen richtig, mal aus dem Home Office
auszukommen», sagt Redmann.

Auch Abgeordnete arbeiten derzeit zuhause - wie die Linke-Politikerin
Andrea Johlige. «Seit dem Ausbruch des Corona-Virus ist alles anders.
Auch für uns», schrieb sie am Donnerstag bei Twitter. «Die Büros si
nd
geschlossen und mein Team und ich arbeiten im Homeoffice.»

Für Gesundheitsministerin Nonnemacher ist Home Office eher schwierig.
Sie eilt von Termin zu Termin, bekommt immer wieder neue Zahlen über
Infizierte in Brandenburg, Deutschland und der Welt übermittelt und
ist oft in Telefonaten. Bei ihr scheint es, als sei sie mit dem
Regieren in der Krise in ihrem Element. Schließlich ist sie als
Intensivmedizinerin Notfälle gewöhnt. «Bevor ich das Ministeramt
antrat, hatte ich sehr großen Respekt vor dieser Aufgabe, auch weil
ich keine Verwaltungserfahrung habe», sagt Nonnemacher. «Mir ging es
besser, als ich loslegen konnte.»