Corona-Quarantäne in Jessen - Abstrichzentrum soll Betrieb aufnehmen

Seit Mittwochabend gehört die Kleinstadt Jessen deutschlandweit zu
den Hotspots des neuartigen Coronavirus. Die Behörden greifen strikt
durch und riegeln zwei zentrale Ortsteile ab. Nicht einmal für
Corona-Tests sollen die Menschen das Sperrgebiet nun noch verlassen.

Jessen (dpa/sa) - Mit einem neuen Abstrichzentrum will der Landkreis
Wittenberg sich einen Überblick über das Ausmaß des Corona-Ausbruchs

in der Kleinstadt Jessen verschaffen. Das Zentrum solle in einer
Mehrzweckhalle im abgeriegelten Bereich der Stadt im Laufe des
Freitags den Betrieb aufnehmen, sagte Landkreis-Sprecher Ronald
Gauert der Deutschen Presse-Agentur. Der Landkreis betreibt bereits
in der Kreisstadt Wittenberg ein solches Testzentrum.

Gauert warnte davor, auf eigene Faust ins neue Zentrum zu kommen.
Trotz der angespannten Lage könnten nicht alle 8000 von der
Quarantäne betroffenen Einwohner getestet werden. Zumal die Tests
ohnehin nur eine Momentaufnahme seien. «Ich kann mich heute testen
lassen und ein negatives Ergebnis bekommen und mich morgen trotzdem
anstecken», sagte Gauert. Hauptziel der strikten Maßnahmen sei es,
die sozialen Kontakte der Jessener möglichst zu minimieren, das gelte
auch für das Testzentrum.

Wer sich testen lassen möchte, solle zunächst mit dem Hausarzt oder
dem Fachdienst Gesundheit des Landkreises sprechen. Die Ärzte und
Experten würden dann entscheiden, ob ein hinreichender Verdacht auf
eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus vorliegt oder nicht.
Weitere Informationen zum Anmeldeverfahren werde der Landkreis im
Laufe des Tages auf seiner Website veröffentlichen.

Am Donnerstag waren zwei der 44 Ortsteile von Jessen unter Quarantäne
gestellt worden, in denen allerdings mehr als die Hälfte der gut 14
000 Bewohner der Stadt zu Hause sind. Ab 7.00 Uhr riegelten Feuerwehr
und Polizei die acht Zugangsstraßen in die Ortsteile Jessen und
Schweinitz ab, nur heimkehrende Anwohner und Arbeiter mit
Sondergenehmigung dürfen die Sperren passieren. Es sind die ersten
beiden Ortschaften in Sachsen-Anhalt, die wegen der Pandemie komplett
abgeriegelt wurden. Auch im bundesweiten Vergleich sind die Maßnahmen
drastisch: Nicht einmal im nordrhein-westfälischen Heinsberg, in dem
es zahlreiche Corona-Fälle gegeben hatte, hatten die Behörden derart
strikt durchgegriffen.

Am Mittwoch war zunächst bekannt geworden, dass elf Bewohner und fünf
Pfleger eines Seniorenheims an Covid-19 erkrankt sind. Ein Bewohner,
der am Montag aus einem anderen Grund in ein Krankenhaus aufgenommen
worden war, war routinemäßig auf das Virus getestet worden. Als der
Test positiv verlief, wurden sämtliche Kontaktpersonen ermittelt und
getestet. Erste Erkenntnisse legte nahe, dass der Erreger Sars-CoV-2
von einem Reiserückkehrer aus Österreich nach Jessen eingeschleppt
wurde. Die Mehrzahl der bisher bestätigten Fälle in Sachsen-Anhalt
lässt sich auf Reisen in die Alpenrepublik zurückverfolgen.

Am Donnerstag traf die Allgemeinverfügung des Landrats zur Quarantäne
viele Jessener noch unvorbereitet. Zwar hätte die große Mehrzahl der
Jessener sich an die neuen Vorschriften gehalten. Gerade die zunächst
in der Verfügung ausformulierten Ausnahmen hätten bei einigen einen
«hohen Interpretationsbedarf» ausgelöst, sagte Gauert. «Da hält s
ich
dann jeder für unverzichtbar». Der Krisenstab des Landkreises
schärfte die Regelungen am Donnerstagnachmittag dann nochmal nach,
inzwischen sind elf Unternehmen und weitere Branchen aufgelistet, die
einen Notfallbetrieb aufrecht erhalten dürfen.

Weitere Abriegelungen in Sachsen-Anhalt waren laut
Gesundheitsministerium am Donnerstag nicht absehbar. Die Magdeburger
Regierung hatte den Landkreis am Mittwoch mit einer Extra-Fuhre
Schutzkleidung unterstützt und dem Landkreis drei Experten vom
Robert-Koch-Institut in Berlin vermittelt. Die Epidemiologen
unterstützen das Gesundheitsamt dabei, die Infektionsketten
nachzuvollziehen und eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu
verhindern.