«Froh, dass es so etwas gibt» - Einkaufshilfe für Senioren und Kranke Von Ute Wessels, dpa

Das Coronavirus breitet sich aus und gefährdet vor allem ältere und
kranke Menschen. Damit sie nicht das Haus verlassen müssen, bieten
Helfer Einkaufsdienste an. Der Zuspruch ist groß.

Deggendorf (dpa/lby) - Bananen, Äpfel, Bratwürste, Suppennudeln, Salz
und Toilettenpapier stehen auf der Einkaufsliste, mit der zwei Frauen
in Deggendorf in einen Supermarkt fahren. Sie unterstützen Senioren,
die wegen des Coronavirus die Wohnung nicht verlassen können.
Vielerorts im Freistaat haben sich in den vergangenen zwei Wochen
Gruppen gebildet, die ältere und kranke Menschen mit Lebensmitteln
versorgen. Dabei zeigt sich: Die Zahl der Helfer ist bisweilen größer

als die der Hilfsbedürftigen. Viele von ihnen werden bereits von
Angehörigen oder Nachbarn unterstützt.

In Deggendorf liegt die Anlaufstelle für Helfer und Hilfsbedürftige
in der Stadtbibliothek. Die ist wegen des Coronavirus geschlossen,
nun koordinieren die Mitarbeiter die Einkaufswünsche. Unterstützt
werden sie von zwei Frauen der Verkehrsüberwachung. Initiiert hat die
Hilfsaktion die Stadt. In Deggendorf kenne man Krisenzeiten, sagt
eine Rathaussprecherin und erinnert an das Hochwasser im Jahr 2013.
Oberbürgermeister Christian Moser (CSU) habe älteren und kranken
Mitbürgern signalisieren wollen: «Ihr seid nicht alleine.»

Diese Botschaft kam an. Vor zehn Tagen begann der Helferkreis sich zu
organisieren. Das Angebot sprach sich herum. «Ich habe es in der
Zeitung gelesen», sagt eine 76-Jährige, als ihr die Frauen der
Verkehrsüberwachung eine Tüte bringen. Normalerweise gingen sie und
ihr Mann selbst zum Einkaufen, berichtet die Dame, die ihren Namen
nicht in den Medien lesen möchte. Aber sie habe einen
Herzschrittmacher und wegen des Coronavirus traue sie sich nicht mehr
auf die Straße.

«Ich bin froh, dass es so etwas gibt», sagt die 76-Jährige. Während

sie ihren Geldbeutel holt, warten Silvia Seidl und Gabi Schauer an
der Wohnungstüre. Die Seniorin kommt zurück und zahlt. Dabei gibt es
noch einen kleinen Ratsch. So viel Zeit muss sein, ehe die beiden
Helferinnen zum nächsten Einsatz fahren. «Da geht einem doch das Herz
auf, wenn man spürt, wie dankbar die Leute sind», sagt Schauer.

Die beiden Frauen waren zuvor in zwei Supermärkten, um für drei
Hilfsbedürftige einzukaufen. In der Stadtbibliothek haben sie die
Wunschzettel abgeholt. Mitarbeiterin Manuela Vaitl koordiniert die
Anfragen. Die Zahl der Interessenten steige.

Seidl und Scheuer haben in den Wunsch-Supermärkten ihrer Klienten
eingekauft. Obst und Gemüse würden nachgefragt, auch Brot, Milch,
Saft, Nudeln und Fleisch. «Wir versuchen, genau das zu kriegen, was
die Leute wollen», sagt Seidl. Als sie vor einem Regal mit
Ofenanzündern steht, weiß sie nicht genau, welchen die Dame meint.
Seidl zieht ihr Handy aus der Tasche und ruft die Betreute an, um
nicht den falschen Anzünder zu kaufen. Die Helferinnen zahlen, hieven
am Parkplatz die Tüten in den Kofferraum und machen sich auf den Weg.

So wie in Deggendorf haben sich in vielen bayerischen Städten und
Gemeinden Helfergruppen zusammengetan - sei es kommunal, kirchlich
oder privat organisiert. Das Sozialministerium startete zudem die
Aktion «Unser soziales Bayern: Wir helfen zusammen!». Die Nachfrage
sei groß, teilte eine Sprecherin mit. Beinahe täglich kämen neue
Unterstützungsangebote hinzu. «Das große Engagement zeigt, dass in
der jetzigen Situation niemand allein gelassen wird.»

In Pullach bei München laufen die Fäden für die Hilfe ebenfalls in
der Gemeindeverwaltung zusammen. Es habe ohnehin eine gut
funktionierende Nachbarschaftshilfe gegeben, sagt eine
Gemeindesprecherin. Jedoch seien die Helfer zumeist selbst Rentner,
die nun zur Risikogruppe gehörten. Auf einen Aufruf hin hätten sich
jüngere Freiwillige gefunden, die nun für Senioren und Kranke
einkaufen. Vor allem junge Familien hätten sich angeboten, wenn sie
sowieso in den Supermarkt fahren, noch einige Einkäufe für Bedürftige

zu erledigen.

Privat organisiert ist die Helfergruppe im oberfränkischen Wirsberg
(Landkreis Kulmbach). Dort bieten die Spieler des örtlichen
Fußballvereins Einkäufe an. «Training und Spiele fallen zurzeit aus
»,
sagt Nadine Vogt, deren Freund Fußballer ist. Sie hätten Aushänge
gemacht und Infozettel beim Bäcker, Metzger und in der Apotheke
ausgelegt. Bislang habe sich erst eine Interessentin gemeldet.
«Vielleicht haben die Leute Vorräte daheim oder ihre Nachbarn gehen
für sie einkaufen», sagt Vogt. «Und wenn es nur die eine Frau war,
der wir helfen konnten, dann hat es sich auch gelohnt», findet sie.