Unionspolitiker: Infektionsketten per Handy-App zurückverfolgen

Auf den Handschlag sollen wir wegen der Corona-Pandemie verzichten.
Der «digitale handshake» könnte aber vielleicht helfen, die
Ausbreitung des Virus einzudämmen. In Österreich wird das schon
praktiziert.

Berlin (dpa) - Im Kampf gegen die rasche Verbreitung der
Lungenkrankheit Covid-19 würden Politiker der Union gerne möglichst
bald eine App einsetzen, die Bürger freiwillig auf ihrem Handy
installieren können. Sie soll wie eine Art digitales Tagebuch
funktionieren und - falls sein Besitzer positiv auf das Coronavirus
getestet wird - automatisch anonymisierte Hinweise an alle Menschen
versenden, die in den zurückliegenden zwei Wochen mit ihm Kontakt
hatten. Eine Nachricht würde allerdings wohl nur erhalten, wer eine
solche App selbst auch auf sein Mobiltelefon heruntergeladen hat.

Aus Sicht der Bundesregierung könnte dies die Gesundheitsämter
entlasten. Denn die müssen aktuell viel Energie aufwenden, um
Infektionsketten zurückzuverfolgen. «Grundvoraussetzung für uns wär
e
sicherlich die Freiwilligkeit», sagte die stellvertretende
Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin.

Der CSU-Politiker Michael Kuffer sagte: «Jeder Einzelne könnte
helfen, indem er die App herunterlädt.» Eine entsprechende Kampagne
lasse sich schnell in die Tat umsetzen. Das bedeute aber nicht, dass
die ursprünglichen Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) damit begraben wären.

Der Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages, Armin
Schuster (CDU), sagte: «Jens Spahn hatte eine richtige Idee, aber es
war ebenso richtig, dass er sein Konzept für eine Nachverfolgung von
Infektionsketten per Handy-Ortung angesichts des politischen
Widerstands einiger Parteien dann aus dem Entwurf herausgenommen
hat». Andernfalls wäre die Verabschiedung des Corona-Nothilfe-Pakets
am Mittwoch gefährdet gewesen. Es werde jedoch weiter daran
gearbeitet, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.

Spahn hatte ursprünglich geplant, den Gesundheitsbehörden bei einer
«epidemischen Lage von nationaler Tragweite» zu erlauben,
Kontaktpersonen von Erkrankten anhand von Handy-Standortdaten zu
ermitteln, dadurch ihre Bewegung zu verfolgen und sie im
Verdachtsfall zu kontaktieren. Die Behörden hätten zudem
Verkehrsdaten zur Bestimmung des Aufenthaltsortes nutzen dürfen -
etwa um den Betroffenen über sein persönliches Risiko zu informieren.

Vor allem die Grünen, die Linke und die FDP hatten heftige Kritik an
Spahns Plänen geübt. Auch SPD-Politiker äußerten Bedenken. Die Gr
ünen
zeigten sich aber offen für «datenschutzfreundliche Alternativen».

Das Rote Kreuz in Österreich hat diese Woche eine «Stopp-Corona-App»

präsentiert. Wer sie auf seinem Handy installiert, muss dafür keine
personenbezogenen Daten preisgeben. Ähnliche Überlegungen werden
inzwischen auch beim Deutschen Roten Kreuz angestellt.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) pochte auf
Freiwilligkeit - zentral sei, dass Privatsphäre und Bürgerrechte
gewahrt blieben, sagte sie der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Samstag). «Wir

müssen uns genau anschauen, wie eine solche Handy-App ausgestaltet
ist und ob sie einen sinnvollen Beitrag zur Bekämpfung der
Corona-Pandemie leisten kann.»

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, hatte dem
«Handelsblatt» gesagt, wenn die Nutzer ihre freiwillige Einwilligung
zur Datenverarbeitung geben, könnte eine solche technische Lösung zur
Identifikation von Infektionsketten ein sinnvoller Beitrag zur
Krisenbewältigung sein. Digitalstaatsministerin Dorothee Bär sagte
der Zeitung: «So eine digitale Anwendung wäre sinnvoll, um das Virus

zielgerichtet einzudämmen.» In der Bundesregierung gebe es
entsprechende Überlegungen. «Wir müssen die Möglichkeiten der
Digitalisierung jetzt nutzen, um die Krise zu überwinden.»