EU-Länder wollen neues Modell für Rettungsschirm in der Corona-Krise

Mühsam hatten Diplomaten der 27 EU-Staaten ein Modell vorbereitet,
wie man wegen der Pandemie in Not geratene Staaten stützen könnte.
Doch Italien fordert mehr. Am Ende gelingt gerade noch ein
Kompromiss.

Brüssel (dpa) - Um die Wirtschaftsfolgen der Coronavirus-Krise zu
bewältigen, wollen die EU-Staaten binnen zwei Wochen ein neues Modell
für einen gemeinsamen Rettungsschirm ausarbeiten. Das ist das
Ergebnis eines EU-Videogipfels mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und
den übrigen Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend. Um die
Einigung war hart gerungen worden, denn Italien legte sein Veto gegen
eine vorab ausgehandelte Kompromissformel ein und forderte eine
stärkere Antwort der Europäischen Union auf die beispiellose Krise.

Merkel sagte nach dem Gipfel, die EU haben sich zu einem
solidarischen Vorgehen bekannt. «Wir sind entschlossen, diese
Herausforderung gemeinsam zu bewältigen», betonte die Kanzlerin.

In der gemeinsamen Gipfelerklärung hieß es am Ende, die Eurogruppe
solle binnen zwei Wochen einen neuen Vorschlag für gemeinsame
finanzpolitische Maßnahmen machen: «Diese Vorschläge sollten dem
beispiellosen Charakter des Covid-19-Schocks Rechnung tragen, der
alle unsere Länder trifft.» Weitere gemeinsame Schritte behält sich
die Staatengemeinschaft demnach ausdrücklich vor.

Ursprünglich sollte die Eurogruppe beauftragt werden, Details für
Hilfen aus dem Eurorettungsschirm ESM zu erarbeiten. Die Rede war von
einem Instrument zur «Pandemie-Krisen-Unterstützung». Gemeint waren
vorsorgliche Kreditlinien des ESM. Die Kreditlinien stünden Staaten
zur Verfügung, die wegen der enormen Unterstützungspakete für die
heimische Wirtschaft in Bedrängnis geraten könnten. Der ESM hat rund
410 Milliarden Euro für Darlehen frei.

Merkel sagte, für sie wäre der ESM das bevorzugte Instrument, zumal
es für Krisenzeiten geschaffen wurde: «Ich glaube, dass wir eben mit
dem ESM ein Kriseninstrument haben, das uns viele Möglichkeiten
eröffnet.» Es stelle nicht die Grundprinzipien «gemeinsamen aber dann

auch wieder jeweils verantwortlichen Handelns infrage».

Dieser Vorschlag reichte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte
aber nicht. Gemeinsam mit Spanien forderte Conte nach Angaben aus
italienischen Regierungskreisen beim Videogipfel «innovative und
angemessene Finanzinstrumente». Daraus wurde schließlich der
Kompromiss, dass die Eurogruppe binnen zwei Wochen Vorschläge machen
soll.

Italien und Spanien sind in Europa am schlimmsten von der
Coronavirus-Krise betroffen. Trotz schärfster Ausgangssperren sterben
täglich Hunderte von Menschen an der neuen Lungenkrankheit Covid-19.
Die Wirtschaft steht praktisch still, vor allem in Italien, das schon
vor der Krise kaum noch Wachstum und riesige Schuldenberge hatte.

Conte stellte nach den Angaben aus Regierungskreisen bei der
Gipfelschalte klar, dass er keine Vergemeinschaftung öffentlicher
Schulden wolle. Jedes Land verantworte seine eigenen Schulden selbst
und werde dies auch weiter tun. Doch müsse Europa gemeinsam handeln
und eine starke Antwort auf die Krise finden.

In einer Pressekonferenz am späten Abend sagte EU-Ratschef Charles
Michel, man habe alle Möglichkeiten für eine Reaktion auf die Krise
debattiert. «Wir tun alles, was nötig ist, um eine Lösung zu finden
»,
sagte der Ratschef. Bei vielen Fragen sei man durchaus einig.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, man sei offen dafür,
«alle anderen Möglichkeiten zu diskutieren, die auf dem Tisch liegen
könnten».

Eine Gruppe von neun EU-Staaten - darunter Italien - hatte vorab ein
gemeinsames Schuldeninstrument gefordert, bekannt als Corona-Bonds.
Deutschland ist jedoch strikt dagegen, wie Merkel bekräftigte, einige
andere Staaten ebenfalls. Die Debatte darüber dürfte dennoch weiter
gehen.

Vor dem Gipfel hatte von der Leyen heftige Kritik an den Alleingängen
der EU-Staaten in der Krise geübt, darunter einseitige Exportverbote,
Grenzkontrollen und Störungen des Binnenmarkts in Europa. «Als Europa
wirklich füreinander da sein musste, haben zu viele zunächst nur an
sich selbst gedacht», sagte von der Leyen in einer Sondersitzung des
Europaparlaments. Inzwischen hätten die Staaten aber begonnen,
einander zu helfen. «Europa ist wieder da», sagte von der Leyen.

Im ihrer Gipfelerklärung versicherten die 27 Staaten, die Probleme
für den Warenverkehr an den teils geschlossenen Grenzen zu beheben.
Gemeinsam soll die Beschaffung von Schutzausrüstung vorangetrieben
und die Forschung an Impfstoffen gegen Covid-19 gefördert werden. Der
vorige Woche zunächst für 30 Tage gemeinsam verhängte Einreisestopp
für Nicht-EU-Bürger könnte verlängert werden. Zugleich bitten die
Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission, mit der Arbeit an
einer Exit-Strategie zur Normalisierung der Situation zu beginnen.