EU-Länder ringen hart um Antwort auf Corona-Wirtschaftskrise

Mühsam hatten Diplomaten der 27 EU-Staaten ein Modell vorbereitet,
wie man wegen der Pandemie in Not geratene Staaten stützen könnte.
Doch Italien fordert mehr. Ein EU-Videogipfel mit Hindernissen.

Brüssel (dpa) - Die EU-Staaten haben am Donnerstagabend hart um eine
gemeinsame Antwort auf die dramatischen wirtschaftlichen Folgen der
Coronavirus-Krise gerungen. Italien stellte sich bei einem
Videogipfel der Staats- und Regierungschefs gegen den Vorschlag, die
Eurogruppe Details für Hilfen aus dem Eurorettungsschirm ESM
ausarbeiten zu lassen. Das sei unzureichend, sagte Ministerpräsident
Giuseppe Conte nach Angaben aus italienschen Regierungskreisen.

Gemeinsam mit Spanien forderte Conte den Angaben zufolge «innovative
und angemessene Finanzinstrumente», um die massiven Wirtschaftsfolgen
der Corona-Krise zu bewältigen. Binnen zehn Tagen sollten die fünf
Präsidenten der EU-Institutionen einen Vorschlag machen.

Italien und Spanien sind in Europa am schlimmsten von der
Coronavirus-Krise betroffen. Trotz schärfster Ausgangssperren sterben
täglich Hunderte von Menschen an der neuen Lungenkrankheit Covid-19.
Die Wirtschaft steht praktisch still, vor allem in Italien, das auch
vor der Krise kaum noch Wachstum und riesige Schuldenberge hatte.

Conte stellte nach den Angaben aus Regierungskreisen bei der
Gipfelschalte klar, dass er keine Vergemeinschaftung öffentlicher
Schulden wolle. Jedes Land verantworte seine eigenen Schulden selbst
und werde dies auch weiter tun. Doch müsse Europa gemeinsam handeln
und eine starke Antwort auf die Krise finden. Sonst könne man das den
Bürgern nicht erklären.

Nur war mit dem italienischen Nein der vorher mühsam ausgehandelte
Kompromiss zunächst dahin - und das dringend gewünschte Signal der
Einigkeit der Europäischen Union in Gefahr. Am Abend versuchte
Ratspräsident Charles Michel nach Angaben von Diplomaten, die
vorbereitete Gipfelerklärung nachzubessern und so zu retten.

Das vorher im Kreis der 27 Länder abgestimmte Modell sah vor, die
Eurogruppe damit zu beauftragen, unverzüglich ein Instrument zur
«Pandemie-Krisen-Unterstützung» auszuhandeln. Gemeint sind
vorsorgliche Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus
ESM. Die stünden Staaten zur Verfügung, die wegen der enormen
Unterstützungspakete für die heimische Wirtschaft in Bedrängnis
geraten könnten. Der ESM hat rund 410 Milliarden Euro für Darlehen
frei. Derzeit können sich aber noch alle Länder ohne weiteres am
Kapitalmarkt finanzieren.

Eine Gruppe von neun EU-Staaten - darunter Italien - hatte aber
bereits am Mittwoch weitergehende Pläne angemeldet: Sie fordern ein
gemeinsames Schuldeninstrument, bekannt als Corona-Bonds. Diese
treffen bei Deutschland und einigen anderen Staaten allerdings auf
Widerstand.

Nach den umstrittenen Alleingängen etlicher EU-Staaten am Anfang der
Corona-Krise stimmten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre
EU-Kollegen nun schon zum dritten Mal binnen drei Wochen in einem
Videogipfel ab. Zuvor hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
heftige Kritik an einseitigen Exportverboten, Grenzkontrollen und
Störungen des Binnenmarkts in Europa geübt.

«Als Europa wirklich füreinander da sein musste, haben zu viele
zunächst nur an sich selbst gedacht», sagte von der Leyen in einer
Sondersitzung des Europaparlaments. «Und als Europa wirklich beweisen
musste, dass wir keine «Schönwetterunion» sind, weigerten sich zu
viele zunächst, ihren Schirm zu teilen.» Inzwischen hätten die
Staaten aber begonnen, einander zu helfen. «Europa ist wieder da»,
sagte von der Leyen.

Nun wollten es die 27 EU-Staaten besser machen. Im vorbereiteten
Entwurf der Erklärung zum Videogipfel versicherten sie, die Probleme
für den Warenverkehr an den teils geschlossenen Grenzen zu beheben.
Gemeinsam soll die Beschaffung von Schutzausrüstung vorangetrieben
und die Forschung an Impfstoffen gegen Covid-19 gefördert werden.

Der vorige Woche zunächst für 30 Tage gemeinsam verhängte
Einreisestopp für Nicht-EU-Bürger könnte verlängert werden. Das wer
de
zu gegebener Zeit entschieden, hieß es. Zugleich bitten die Staats-
und Regierungschefs die EU-Kommission, mit der Arbeit an einer
Exit-Strategie zur Normalisierung der Situation zu beginnen. Nötig
würden ein koordiniertes Vorgehen, ein umfassender Plan zur Erholung
der Wirtschaft und beispiellose Investitionen.