Gutschein oder Geld zurück - Debatte um Erstattung für Reisende Von Andreas Hoenig, Christian Ebner und Friederike Marx, dpa

Viele Urlaubspläne sind geplatzt. Jetzt geht es um die Erstattung des
bereits gezahlten Geldes. In der Corona-Krise könnte sich einiges
ändern.

Berlin (dpa) - Pauschalreisen und Flüge sind wegen der Corona-Krise
abgesagt, Kunden wollen ihr Geld zurück, die Reisebranche fürchtet
jedoch um ihre Existenz. Nach Vorschlägen aus der Bundesregierung
sollen Verbraucher künftig Gutscheine erhalten anstelle von
Erstattungen. Damit könnten Fluggesellschaften und Reiseveranstalter
in der Krise finanziell entlastet und vor Liquiditätsengpässen
bewahrt werden, argumentierten Regierungsvertreter im Gespräch mit
der Deutschen Presse-Agentur. Bislang haben Kunden das Recht auf eine
umgehende Erstattung ihres Geldes. Verbraucherschützer sehen
Gutschriften kritisch.

«Die Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden, der Reisebranche
einen Kredit zu gewähren, wenn sie selber das Geld für anderes wie
Miete oder Lebensmittel einsetzen wollen», sagte die
Mobilitätsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Marion
Jungbluth, am Donnerstag. «Das wäre unfair und gerade für Menschen
mit kleinen Einkommen eine nicht zu verantwortende soziale Härte.»
Gutscheine für ausgefallene Reisen müssten freiwillig bleiben.

Jungbluth sagte, besser wäre es, wenn die Bundesregierung einen
Schutzschirm über die Kundengelder spanne, so dass die Reiseanbieter
die Anzahlungen allen Verbrauchern sofort erstatten könnten. «Ein
solcher Fonds wäre transparent und würde die Liquidität der
Reisebranche und der Verbraucher sichern.»

Der Wirtschafts-Staatssekretär und Tourismusbeauftragte der
Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), macht sich allerdings große
Sorgen um die Veranstalter. In den kommenden Wochen würden enorme
Rückerstattungen für ausgefallene Reisen fällig. Der Branchenverband

DRV gehe von 4,8 Milliarden Euro bis Ende April aus. «Auch
kerngesunde Unternehmen halten das nicht länger aus. In der Tat
könnte eine Gutscheinlösung hier Liquidität sichern.» Es sei aber
wichtig, dass der Kunde sicher bleibe, dass sein Geld nicht verloren
geht. Dies müsse auf eine ordentliche Grundlage gestellt werden,
sagte Bareiß.

Wie schwierig die Lage der Branche ist, zeigen etwa die Beispiele Tui
und Condor. Der weltgrößte Reisekonzern Tui soll kurz vor einer
Einigung über staatliche Unterstützung in Milliardenhöhe stehen. Der

Konzern ist schon seit einigen Tagen in Gesprächen darüber, ob Mittel
aus den Hilfsprogrammen von Bund und Ländern beantragt werden. Die
Ferienfluggesellschaft Condor will nach eigenen Angaben einen großen
Teil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit schicken und hat wie andere
Airlines auch zusätzliche Staatshilfen beantragt.

Die deutsche Tourismuswirtschaft wandte sich in einem Brandbrief an
Bundeskanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister. «Mit großer Sorge
betrachten wir die existenzbedrohenden Auswirkungen der Coronakrise
auf die Tourismuswirtschaft», heißt es in dem Schreiben von insgesamt
29 Verbänden und Unternehmen. Der Dachverband der Tourismuswirtschaft
(BTW) forderte eine Gutschein- oder eine Notfonds-Lösung.

DRV-Präsident Norbert Fiebig hatte für den Fall von Reisegutschriften
eine staatliche Garantie für die Kunden vorgeschlagen. Matthias
Miersch, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion,
bezeichnete Gutscheine als ein Instrument, aber kein Allheilmittel.
«Die Reisenden dürfen nicht am Ende der Kette stehen und diejenigen
sein, die auf ihren Kosten sitzen bleiben.» Notwendig sei ein
schlüssiges Gesamtkonzept.

Auch die Luftverkehrsbranche brauche Entlastungen, damit ihre
Liquidität sichergestellt bleibe, sagte der Regierungs-Koordinator
für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU). «Die Airlines
sollten die Möglichkeit bekommen, Gutscheine für Kunden auszustellen
- diese könnten sie dann einlösen, wenn der Flugbetrieb wieder
hochgefahren wird, oder später auch auszahlen lassen. Dies würde die
Airlines und am Ende die Steuerzahler finanziell deutlich entlasten.»

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft unterstützt
das Vorhaben: «Eine Gutscheinlösung bei annullierten Flügen würde
unseren Unternehmen helfen und gleichzeitig die Kunden nicht
schädigen, denn diese könnten ihre gebuchten Reisen nach Ende der
Corona-Pandemie tatsächlich auch antreten», erklärte
Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow. Man setze darauf, dass
Bundesregierung und EU-Kommission die Lösung ermöglichen.

Lufthansa und andere Gesellschaften versuchen derzeit, ihre Kunden
von konkreten Erstattungsanträgen für stornierte Flüge abzuhalten.
Sie gewähren aktuell lange Fristen, um die bereits bezahlten Tickets
auf andere Flüge im Laufe des Jahres umzubuchen. Lufthansa bietet
dafür sogar einen Bonus von 50 Euro an. In den professionellen
Buchungssystemen etwa für Reisebüros hat der Konzern die
automatisierte Erstattung einseitig gestoppt.

Insgesamt leidet der Luftverkehr wie wohl keine zweite Branche unter
den Folgen der Corona-Pandemie. Der Verkehr ist weltweit drastisch
zurückgegangen, in Europa ist im Vergleich zum Vorjahr nicht einmal
mehr jeder vierte Flieger unterwegs. Den Airlines droht im laufenden
Jahr nach Schätzungen ihres Weltverbandes IATA ein Umsatzrückgang von
bis zu 252 Milliarden US-Dollar (233 Mrd Euro), was einem Anteil von
44 Prozent der Erlöse aus 2019 entsprechen würde.

Die Reisewarnung der Bundesregierung wegen der Corona-Krise gilt
vorerst bis Ende April und betrifft damit auch die Osterferien.