Grenze zu Tschechien dicht - Mehr Zigaretten und ein einsamer Job Von Martin Kloth, dpa

Tschechien will sich gegen das Coronavirus abgrenzen. Fast niemand
darf mehr rein oder raus. Armee und Polizei halten Wache. In Zinnwald
und Schmilka spüren die Menschen die Auswirkungen.

Zinnwald/Schmilka (dpa/sn) - «Es ist komplett geschlossen!» Der
Soldat mit dem weißen Mundschutz und der dunklen Sonnenbrille meint
es ernst. Die Straße vom sächsischen Wintersportort
Zinnwald-Georgenfeld ins benachbarte Cinovec (Böhmisch Zinnwald) ist
gesperrt. Betonelemente blockieren den Weg. In einem Armeejeep wachen
am Donnerstagfrüh zwei Soldaten darüber, dass die Grenze zwischen
Tschechien zu Deutschland nicht übertreten wird. In 830 Metern Höhe
rüttelt ein böiger und kalter Südostwind am Europaschild mit der
Aufschrift «Ceská republika».

Wenige Stunden zuvor hatte das Nachbarland wegen der
Coronavirus-Pandemie die Grenzen zu Deutschland und zu Österreich
auch für die meisten Berufspendler dicht gemacht. Nur Tschechen, die
im Gesundheits- und Rettungswesen oder in sozialen Diensten arbeiten,
dürfen mit einer am Mittwochabend kurzfristig erteilten
Sondergenehmigung die Grenze weiter täglich überschreiten. Diesen
Berufen komme eine Schlüsselaufgabe bei der Bekämpfung der
Coronavirus-Pandemie zu, hieß es zur Begründung.

Nach Angaben der Bundespolizei hat die fast komplette Grenzschließung
keine größeren Verkehrsprobleme verursacht. Das Verkehrsaufkommen auf
der deutschen Seite der Grenze sei überschaubar, sagt ein Sprecher
des Lagezentrums der Bundespolizei in Pirna.

Während auf der Autobahn A17 der Lastverkehr zwischen Deutschland und
Tschechien rollt, ist die Bundesstraße 170 in Zinnwald (Landkreis
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) leer. Die einzigen Autos sind
Fahrzeuge der tschechischen Polizei neben einem gelben Container.
Daneben ist die Straße mit Warnbaken und Verkehrskegeln zugestellt.
Nach einer Kontrolle wäre hier das Passieren möglich. Eine
Ausnahmeregelung gestattet es Deutschen, noch bis zu diesem Freitag
ihre am Flughafen Prag geparkten Autos abzuholen, wenn sie von dort
aus in den Urlaub geflogen sind.

Im Landmarkt in Zinnwald, einem Ortsteil der Stadt Altenberg, spürt
Ilona Wenzel die Auswirkungen der geschlossenen Grenze. Leute, die
sonst zum Beispiel zum Zigaretten kaufen nach Cinovec gefahren seien,
hätten die kleine Kaffeeecke im Markt besucht, während sie auf den
Bus warteten. «Das fällt jetzt weg», sagt die Verkäuferin. Es seien

keine großen Umsätze gewesen, aber es habe geholfen, gerade bei einem
so kleinen Markt. Einen unerwarteten Nebeneffekt hat die Abschottung
Tschechiens aber auch: Es gehen mehr Zigaretten über den Ladentisch.
«Da kommen Kunden, die sonst nie welche kaufen», sagt Ilona Wenzel
mit einem Schmunzeln.

Eine gute Autostunde entfernt wälzt sich die Elbe aus Tschechien nach
Deutschland. Auf der Bundesstraße 172 daneben ist es so still, dass
das Glucksen der Wasserwirbel zu hören ist. Ein paar Schritte hinter
den Grenzsteinen zwischen Schmilka (Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge) und Hrensko verbietet das Verkehrsschild
«Verbot für Fahrzeuge aller Art» die Weiterfahrt. Noch einmal einige

hundert Meter weiter - unmittelbar vor dem Travel Free Shop - steht
ein Polizeiwagen quer und versperrt die Straße.

Wo sonst auf dem Weg nach Decín (Tetschen) reger Grenzverkehr
herrscht, ist kein Mensch unterwegs. In der Ferne sieht man die
verwaisten Läden, in denen sonst Handel mit Zigaretten, Alkohol oder
Klamotten getrieben wird. Die Elbfähre vom deutschen Bahnhof Schöna
nach Hrensko fährt nicht mehr. Auch die Wanderfähre, die Hrensko über

Zwischenstopps mit Bad Schandau verbindet, hat den Betrieb
eingestellt.

In Schmilka setzt die «Lena» noch zum S-Bahnhof Schmilka-Hirschmühle

über - bei Bedarf, wie das Haltestellenschild informiert. Seit 6.20
Uhr wartet Fährmann Michael Gottschling auf Fahrgäste. Erst kurz vor
11.30 Uhr bringt er drei Männer mit großen Rucksäcken auf die andere

Seite und kehrt wenige Minuten später mit einem Wanderer-Paar zurück.
Dies seien seine ersten fünf Fährgäste an diesem Tag gewesen,
berichtet er.

Die drei Männer halten auf dem kleinen Schiff keinen Abstand
zueinander. Sie seien wahrscheinlich boofen gewesen, vermutet
Gottschling. Das Boofen ist ein in der Sächsischen Schweiz beliebtes
Übernachten im Freien. «Die wussten von nichts», gibt der Fährmann

aus seiner Unterhaltung mit dem Trio wieder. Er hat derzeit einen
einsamen Job. Weil die Restaurants, Hotels, Pensionen und Läden zu
haben, müssen auch keine Angestellten übergesetzt werden. «Das ist
eine Situation, die wir so noch nicht erlebt haben», sagt er und
wünscht sich, «dass alles bald wieder normal läuft».