Coronavirus-Pandemie stürzt US-Arbeitsmarkt in dramatische Lage Von Jürgen Bätz, dpa

Das öffentliche Leben in den USA ist wegen des Coronavirus zum
Erliegen gekommen. Die Wirtschaft befindet sich im Sinkflug. Die
Arbeitslosigkeit steigt dramatisch an. Auch die Notenbank zeigt sich
inzwischen skeptisch.

Washington (dpa) - Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der
Coronavirus-Epidemie schlagen in den USA mit voller Wucht auf
Wirtschaft und Arbeitsmarkt durch: Die größte Volkswirtschaft der
Welt befindet sich im steilen Sinkflug - trotz eines vom Kongress auf
den Weg gebrachten Konjunkturpakets ohne Gleichen. Damit sollen rund
2 Billionen Dollar in die Wirtschaft gepumpt werden. Dennoch rechnen
viele Analysten inzwischen mit einem erheblichen Einbruch im zweiten
Quartal und einer Rezession auf das ganze Jahr betrachtet.

Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg in der Woche bis
21. März etwa um das Zehnfache von 282 000 auf nunmehr rund 3,3
Millionen. Das war der höchste Wert seit Beginn der Datenerhebung,
wie das US-Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte. Zuletzt hatte
es mit knapp 700 000 Erstanträgen 1982 einen solchen Rekord gegeben.
Die Erstanträge gelten als Indikator für die kurzfristige Entwicklung
des Arbeitsmarkts. In der Vorwoche - zu Beginn der Epidemie in den
USA - waren die Erstanträge nur um 70 000 auf 281 000 angestiegen.

Die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 hat das
öffentliche Leben in weiten Teilen der USA zum Erliegen gebracht.
Etwa die Hälfte der rund 330 Millionen Amerikaner unterliegt
inzwischen von Bundesstaaten verhängten Ausgangsbeschränkungen. Viele
Geschäfte sind geschlossen, Restaurants und Hotels bleiben leer,
zahllose Reisen wurden abgesagt. Viele Mitarbeiter geschlossener
Unternehmen müssen daher Arbeitslosenhilfe beantragen.

Entlassungen sind in den USA in der Regel wesentlich schneller
möglich als etwa in Deutschland. In den USA gab es bislang auch keine
Regelung wie das deutsche Kurzarbeitergeld, das den Arbeitsmarkt in
Krisensituationen stabilisiert. Mit dem riesigen Konjunkturpaket wird
die bislang sehr begrenzte Arbeitslosenhilfe aber ausgeweitet. Zudem
soll es Arbeitgebern möglich sein, Angestellte für bis zu vier Monate
zu beurlauben anstatt sie zu entlassen. In dieser Zeit würde der
Staat für das Gehalt aufkommen.

Das Gesetzespaket muss am Freitag erst noch vom Repräsentantenhaus
beschlossen werden. Die Vorsitzende der Kammer, die Demokratin Nancy
Pelosi, sagte am Donnerstag, das Paket werde auf jeden Fall
durchkommen - «mit großer Unterstützung beider Parteien». Dies werd
e
ein «Sieg für die Arbeiter in Amerika» werden, denn die Demokraten
hätten für sie viel nachverhandelt in dem Paket.

Die Coronavirus-Epidemie hat sich in den USA zuletzt dramatisch
zugespitzt. Bis Donnerstagmorgen (Ortszeit) gab es Forschern der
Universität Johns Hopkins zufolge rund 70 000 bestätigte Infektionen
mit dem neuartigen Coronavirus. Mehr als 1000 Menschen sind infolge
der vom Virus ausgelösten Erkrankung Covid-19 gestorben.

Manche Analysten gingen davon aus, dass die Zahlen der Erstanträge
auf Arbeitslosenhilfe in Wirklichkeit noch dramatischer waren als
bekanntgegeben, weil viele Staaten zuletzt mit der Flut der
Erstanträge überfordert waren. Viele Staaten suchten Medienberichten
zufolge händeringend neue Mitarbeiter für die Arbeitsämter.

Die Arbeitslosenquote im Februar - also vor der rasanten Ausbreitung
des Virus Sars-CoV-2 in den USA - lag bei niedrigen 3,5 Prozent. Das
war der niedrigste Stand seit Jahrzehnten. Die Zahlen für März sollen
erst am kommenden Freitag veröffentlicht werden.

Bis Anfang Februar brummte die US-Konjunktur noch, an der Börse
wurden Höchststände vermeldet, und Experten rechneten mit einem
Wirtschaftswachstum von rund zwei Prozent. Präsident Donald Trump,
der sich im November um eine Wiederwahl bewirbt, schrieb das seiner
Wirtschaftspolitik zu. Doch die rasante Ausbreitung des Coronavirus
seit Anfang März machte die guten Konjunkturaussichten zunichte.
Trump verspricht derweil, die Wirtschaft werde nach dem Ende der
Epidemie wieder «wie eine Rakete» durchstarten.

Dabei soll auch das Billionen-Konjunkturpaket helfen, das nach zähen
Verhandlungen zwischen Republikanern, Demokraten und Regierung in der
Nacht zum Donnerstag im Senat beschlossen worden war. Dessen Volumen
von 2 Billionen Dollar - Trump zufolge das größte der
Nachkriegsgeschichte - entspricht fast zehn Prozent der jährlichen
Wirtschaftsleistung. Mit dem Paket bekommen Gesundheitssektor und
besonders vom Coronavirus betroffene Staaten zusätzliche
Milliardenbeträge. Zudem soll es umgehend direkte Auszahlungen an die
meisten Steuerzahler geben: Erwachsene sollen 1200 US-Dollar pro
Person bekommen, zusätzlich soll es 500 US-Dollar pro Kind geben.

Ein wichtiger Bestandteil des Pakets sind auch Kredite für kleinere
und mittlere Unternehmen von insgesamt rund 350 Milliarden Dollar,
die zu bestimmten Bedingungen später erlassen werden können. Das
Finanzministerium soll zudem noch 500 Milliarden Dollar für weitere
Notkredite für Unternehmen zur Verfügung haben.

Trump hofft inzwischen, dass die US-Wirtschaft in weiten Landesteilen
in gut zwei Wochen wieder zum Normalbetrieb übergehen kann. Doch das
gesamte Ausmaß der wirtschaftlichen Verwerfungen der
Coronavirus-Pandemie ist immer noch nicht absehbar. «Wir könnten
bereits in einer Rezession sein», räumte der Chef der US-Notenbank
Federal Reserve, Jerome Powell, am Donnerstag in einem seiner
seltenen Fernsehinterviews ein.

Zugleich äußerte Powell die Hoffnung, dass die Wirtschaft im späteren

Jahresverlauf wieder wachse. Die Fed hat ihre Geldpolitik bereits
deutlich gelockert, um die ökonomische Seite der Krise abzufedern.
Doch zunächst müsse das Virus unter Kontrolle gebracht werden, räumte

Powell ein. Er fügte hinzu: «Das Virus gibt den Zeitplan vor.»