Berlin will Geld für Corona-«Helden» - Müller fordert Zusammenstehe n Von Andreas Heimann und Stefan Kruse, dpa

Tausende stille Helden halten den Laden in Corona-Zeiten am Laufen -
ob nun im Krankenhaus, bei der Müllabfuhr oder im Supermarkt. Sie
haben mehr verdient als ein Dankeschön, findet Regierungschef Müller.

Berlin (dpa/bb) - Nach Beifall von den Balkonen und Dankesbekundungen
allenthalben nun auch bares Geld für die «Helden» der Coronakrise:
Der Berliner Senat hat Krankenschwestern, Polizisten und
Kassiererinnen in den Supermärkten einen Bonus in Aussicht gestellt.
Regierungschef Michael Müller (SPD) kündigte dazu am Donnerstag im
Abgeordnetenhaus eine Überarbeitung der im Vorjahr beschlossenen und
ab November 2020 geplanten Berlin-Zulage von monatlich 150 Euro für
alle Landesbedienstete an. Das Geld - jährlich bis zu 250 Millionen
Euro - könnte nun neu verteilt werden. Müller gab zudem bekannt, dass
wegen der Pandemie dringend benötigtes medizinisches Material wie
Schutzkleidung, an dem zunehmend Mangel herrscht, künftig in Berlin
hergestellt wird. 

«Die stillen Heldinnen und Helden dieser Tage sind die Berlinerinnen
und Berliner, die auch jetzt unermüdlich den Dienst an ihren
Mitmenschen leisten», sagte Müller in einer Regierungserklärung. Sie

arbeiteten in Kliniken, Arztpraxen, Sozialeinrichtungen, Laboren,
Supermärkten, Apotheken oder Drogerien, bei Polizei und Feuerwehr,
Strom- und Wasserversorgung, Müllentsorgung, öffentlichem Nahverkehr

und wichtigen Bereichen der Verwaltung. Deswegen werde der
Finanzsenator prüfen, wie die Berlin-Zulage genutzt werden kann, um
ihnen gezielt zu helfen. «Ich bin sicher, andere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die davon profitieren sollten, werden das nicht nur
verstehen, sondern sich auch hier solidarisch zeigen.»

Rot-Rot-Grün hatte die Berlin-Zulage 2019 beschlossen, um die Stadt
für alle bezahlbar zu halten, wie es damals hieß. In den Genuss der
außertariflichen Gehaltserhöhung sollten eigentlich alle rund 130 000
Landesbediensteten kommen. Nach den Plänen Müllers würde das Geld
dann anders verteilt. Für die Zulage stehen für 2020 rund 40
Millionen und für 2021 etwa 250 Millionen Euro bereit.

Angesichts des Mangels an Gesichtsmasken oder Schutzkleidung sei der
Senat bereit, unkonventionelle Lösungen zu suchen, sagte Müller im
Parlament weiter. Dazu gehöre, Schutzmaterialien in Berlin zu
produzieren. «Das bereiten wir gerade vor.» 

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) ergänzte, der Senat prüfe das

derzeit gemeinsam mit Handwerkskammer und Krankenhäusern. Dabei gehe
es um Schutzmasken und vor allem um Schutzkleidung. Neben
Behindertenwerkstätten kämen dafür vor allem Berufsschulen in Frage.


Aber auch in den Flüchtlingsunterkünften seien etliche Menschen
bereit, hier mitzuarbeiten. «Wir machen uns da auf den Weg, aber man
muss auch sagen: Berlin ist nicht das Epizentrum der
Textilindustrie», sagte Pop. Dennoch werde versucht, mit den
vorhandenen Kapazitäten an der einen oder anderen Stelle zu
unterstützen.

Berlin sei gut ausgestattet, so Müller weiter. «Aber ich will an
dieser Stelle auch sagen: Wir brauchen jetzt auch Nachschub.»
Schutzkleidung und Material werde von Ärzten in Kliniken und Praxen,
Krankenschwestern und Pflegern dringend gebraucht. «Wir sind mit der
Bundesregierung dazu im ständigen Austausch. Wir brauchen auch deren
Unterstützung, damit die nächsten Lieferungen über die Grenzen nach
Deutschland kommen und hier verteilt werden können.»

In seiner Regierungserklärung appellierte Müller an die Menschen in
der Stadt, in der Coronakrise zusammenzustehen, Solidarität zu zeigen
und sich an die Ausgangsbeschränkungen zu halten. «Wir werden auch
Corona besiegen», sagte er und erinnerte an große Krisen der Berlin
er
Nachkriegsgeschichte wie Blockade und Mauerbau. Auch diesmal gehe es
um Leben und Tod. «Wir werden um jedes Leben kämpfen.» Der Senat
werde alles tun, um die Menschen vor den Gefahren durch die
Sars-CoV-2-Pandemie zu schützen. Wie lange das ganze dauere, auch die
Ausgangsbeschränkungen, wisse noch niemand.     

Müller verwies unter anderem auf das 600-Millionen-Euro-Hilfsprogramm
das Landes für kleine und mittlere Unternehmen. Wenn der Bedarf
größer sei, werde der Senat nachsteuern. Er appellierte an die
Wirtschaft: «Sprechen sie keine Entlassungen aus!». Die Arbeitskräfte

würden alle wieder gebraucht, wenn das normale Leben wieder
hochfahre.

Die Opposition äußerte im Parlament auch Kritik. CDU-Fraktionschef
Burkard Dregger forderte vom Senat, sich auf den Kampf gegen die
Coronakrise zu konzentrieren und die Finanzmittel des Landes nicht
mehr für völlig überteuerte Immobilienkäufe zu verwenden. Zuletzt
hatte das Land mehrfach Wohnungsbestände aufgekauft. 

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski warf dem Senat vor, sich nicht
rechtzeitig auf Krisen wie die Corona-Pandemie vorbereitet zu haben.
«Wir haben unnötig Zeit verloren.» FDP-Fraktionschef Sebastian Czaj
a
forderte, Unternehmen schneller zu helfen. «Unsere Wirtschaft wird
Monate, wenn nicht sogar Jahre brauchen, um sich zu erholen», sagte
Czaja. «Die Wirtschaft steht bereits jetzt davor, der nächste
Beatmungspatient in diesem Land zu werden.» 

Ursprünglich hatte Müller seine Regierungserklärung schon am
Donnerstag der vergangenen Woche halten wollen. Das war nicht
möglich, weil die Plenarsitzung wegen eines - später nicht
bestätigten - Corona-Verdachts abgesagt wurde.