Corona-Krise: Debatte um Nachtragshaushalt und Neuverschuldung

Wird in der Corona-Krise eine «heilige Kuh» sächsischer Finanzpolitik

geschlachtet? Offen denkt man in der Regierung über Neuverschuldung
nach. Sie war ohnehin für besondere Notlagen gedacht.

Dresden (dpa/sn) - In Sachsen ist wegen der Corona-Krise eine Debatte
um Neuverschuldung entfacht. Zunächst brachte die SPD am Donnerstag
einen Nachtragshaushalt und eine Lockerung der Schuldenbremse ins
Spiel. «Wenn nötig, werden wir auch erstmals in der Geschichte des
Freistaates einen Nachtragshaushalt auf den Weg bringen müssen. Und
klar ist auch: Die Schuldenbremse darf der Sicherung von
Arbeitsplätzen und dem Erhalt von gesunden Unternehmen nicht im Wege
stehen», stellte Fraktionschef Dirk Panter in klar.

Sachsen macht bereits seit 2006 keine neuen Schulden und tilgt
seither auch Zinsen. Seit 2014 gilt ein in der Verfassung verankertes
Neuverschuldungsverbot. Damit darf das Land nur noch so viel Geld
ausgeben, wie es Einnahmen hat. Ausnahmen sind möglich, so bei einer
länger andauernden konjunkturellen Abweichung von der «Normallage»
oder nach Naturkatastrophen.

Panter zufolge muss der Staat in der Krise seine Ausgaben stabil
halten oder erhöhen, um die Wirtschaft zu stützen und Jobs zu
schützen. Neben dem Haushaltsüberschuss des Jahres 2019 von rund 650
Millionen Euro müsse dafür auch die Haushalts-Ausgleichsrücklage in
Höhe von 1,3 Milliarden zur Verfügung gestellt werden: «Wenn das
nicht reicht, darf auch die Aufnahme neuer Schulden kein Tabu sein.»

In den kommenden Wochen gelte es zu prüfen, ob alle im Haushalt
vorgesehenen Ausgaben jetzt notwendig seien oder ob einige verschoben
werden könnten. Es gelte auch Ausgabereste der Ressorts von etwa 2,7
Milliarden Euro zu überprüfen: «Unser Ziel muss es sein, eine
langanhaltende wirtschaftliche Krise zu verhindern, die Kontrolle zu
behalten und die negativen Folgen möglichst gerecht abzufedern.»

Die CDU-Fraktion ging davon aus, dass die finanziellen Reserven des
Landes «noch lange nicht ausgeschöpft» sind. Finanzexperte Georg-
Ludwig von Breitenbuch schloss jedoch eine Neuverschuldung als
Ausnahme nicht aus. Generell wollte er das Neuverschuldungsverbot
aber nicht in Frage stellen. Nach den Worten von CDU-Fraktionschef
Christian Hartmann ist ein Nachtragshaushalt für die Union kein Tabu.

Die Grünen zeigten sich offen für einen Nachtragshaushalt. «Wenn die

ungeplanten Mehrausgaben fünf Prozent des jährlichen Gesamtbudgets
übersteigen, muss ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden», erklärte

Fraktionschefin Franziska Schubert. Mit dem jetzt investierten Geld
lege man den Grundstein für ein erfolgreiches «Wirtschaften nach
Corona». Der Freistaat werde Kredite benötigen, man müsse über
Anpassungen der sächsischen Schuldenbremse nachdenken.

«Statt sofort über neue Schulden nachzudenken, sollte zunächst einmal

dort der Rotstift angesetzt werden, wo in den letzten Jahren
Steuergelder verschwenderisch eingesetzt wurden», erklärte die
AfD-Fraktion und sah «großes Einsparpotenzial» in der Asylpolitik.
Ferner sollten die Parteien den Gürtel enger schnallen: «Es verbietet

sich von selbst, in diesen schweren Tagen eine Diätenerhöhung auf den
Weg zu bringen, wie dies die Regierung jüngst getan hat.»

In der Krise wäre es töricht, auf sinnvolle Kreditaufnahme zu
verzichten, sagte Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt. «Wir haben die
Schuldenbremse im Grundgesetz noch nie für sinnvoll gehalten. Denn
sie bremst vor allem staatliche und kommunale Investitionstätigkeit.
Wenn wir deshalb von der Substanz leben, verursacht das umso höhere
Folgekosten für die Generationen nach uns.»

Das Finanzministerium wollte die Diskussion nicht kommentieren.
Aktuell sei man durch den Rückgriff auf nicht beanspruchte Mittel aus
Rücklagen aus 2019 in Höhe von 650 Millionen Euro handlungsfähig -
soweit der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages der
Verwendung der Mittel zur Krisenbekämpfung kurzfristig zustimmt.