Hoeneß blickt in die Zukunft: «Sehr wahrscheinlich neue Fußballwelt » Von Martin Moravec, dpa

Uli Hoeneß meldet sich zu Wort. Der Ehrenpräsident des FC Bayern
schätzt, dass sich in der Corona-Krise das Koordinatensystem im
Fußball verändern wird. Der 68-Jährige spricht unter anderem über
Megatransfers. An «Unbelehrbare» richtet er einen Appell.

München (dpa/lby) - Uli Hoeneß sieht in der Corona-Krise eine Zäsur
für den Fußball. «Die jetzige Situation ist eine Gefahr, aber auch
eine Chance, dass die Koordinaten etwas verändert werden können»,
sagte der Ehrenpräsident des FC Bayern München dem «Kicker»
(Donnerstag-Ausgabe). «Man kann es nicht vorschreiben, aber
100-Millionen-Euro-Transfers kann ich mir in der nächsten Zeit nicht
vorstellen. Die Transfersummen werden fallen, die Beträge werden sich
in den kommenden zwei, drei Jahren nicht mehr auf dem bisherigen
Niveau bewegen können. Denn es sind alle Länder betroffen. Es wird
sehr wahrscheinlich eine neue Fußballwelt geben.»

Die Fußballbranche ist wie der Rest der Welt aus dem Tritt geraten.
Die Deutsche Fußball Liga empfahl zuletzt eine weitere Aussetzung des
Spielbetriebs in der 1. und 2. Bundesliga mindestens bis Ende April.
Zuvor waren wegen der Coronavirus-Pandemie schon die Spieltage 26 und
27 abgesagt worden.

«Es gilt im Moment nur eines: Wir müssen Ruhe geben, bis wir an den
Zahlen der Infektionen Besserung erkennen», sagte Hoeneß, der am
Tegernsee lebt. «Ich bete zu Gott, dass die Neuinfektionen
zurückgehen durch die Maßnahmen, die ich gut finde. Die Politik in
Deutschland macht einen sensationellen Job.»

Hoeneß selbst hält sich den Beschreibungen des «Kicker» zufolge
diszipliniert an die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen. Er treibe
Sport auf dem Fahrradergometer, gehe allenfalls zum Einkaufen raus.
«Es geht nicht darum, dass drei Leute im Englischen Garten in München
oder sonst wo zusammen eine Zigarette rauchen können, sondern dass
deren 80-jähriger Vater oder Großvater am Leben bleibt. Es geht um
Menschenleben», äußerte der langjährige Macher des FC Bayern, der
im
November von Herbert Hainer als Präsident abgelöst wurde.

Hoeneß verfolgt die Entwicklungen genau, will aber eigentlich keine
Spekulationen anstellen. Im Fußball könne man «erst seriös darübe
r
sprechen, wie es insgesamt weitergeht, wenn wir wissen, wann wir
wieder mit Zuschauern spielen können. Es steht und fällt alles mit
dem Fakt, ob wir in dieser Saison noch spielen können», befand der
68-Jährige. «Auch Spiele ohne Zuschauer garantieren die Verteilung
der Fernsehgelder, und wenn das klappt, gibt es für 2019/20 kein
existenzielles Problem. Wenn wir allerdings bis Weihnachten nicht
mehr spielen könnten - wie ganz schlimme Prognosen besagen -, ist die
Existenzgrundlage der gesamten Liga bedroht.» Hoeneß zufolge seien
«Spiele schwer vorstellbar», solange Infektionszahlen ansteigen.

Hoeneß lobte als ein Beispiel die Spendenaktion der Bayern-Profis
Leon Goretzka und Joshua Kimmich. «Wir sind alle aufgerufen zu
helfen. Jede Initiative ist wertvoll», sagte er. Die Spieler sowie
Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des FC Bayern hatten zudem
angekündigt, auf 20 Prozent ihrer Bezüge zu verzichten. Mit dem Geld
soll vorerst Kurzarbeit beim Verein vermieden werden.

«Wir als FC Bayern möchten versuchen, ein Vorbild in unserem
täglichen Handeln zu sein. Das ist ein wichtiger Beitrag, den wir als
Verein leisten können», hatte Hoeneß' Nachfolger Hainer zuletzt im
Interview der Deutschen Presse-Agentur über das allgemeine
Verantwortungsgefühl des FC Bayern geäußert.

Hoeneß appellierte angesichts der Pandemie an die Vernunft der
Menschen. Man müsse die «ganze Kraft des Fußballs einsetzen, um die
Leute aufzufordern, dass sie sich diszipliniert verhalten, damit die
aktive Ansteckung zurückgeht», forderte er. «Dieser Appell gilt nach

wie vor und umso mehr, da es noch immer Unbelehrbare gibt.»