Bauern fürchten sinkende Milchpreise - aber Rekordkäufe im Supermarkt Von Carsten Hoefer, dpa

Die Corona-Krise bringt den Milchmarkt durcheinander - Supermärkte
kämpfen mit Rekordnachfrage, gleichzeitig brechen an den
internationalen Agrarmärkten die Preise für Milcherzeugnisse ein. Was
ist los?

München (dpa) - Die Corona-Krise führt zu Verwerfungen auf dem
Milchmarkt. Während die Molkereien Mühe haben, die stark gestiegene
Nachfrage in den Supermärkten zu bedienen, stottert der Export, das
Geschäft mit der Gastronomie und gewerblichen Kunden ist weitgehend
zum Erliegen gekommen. Auf die Milchbauern kommen deswegen sinkende
Erzeugerpreise zu, obwohl die Bürger derzeit rekordverdächtige Mengen
an Milch und Milchprodukten kaufen, wie in der Branche berichtet
wird. «Wir haben eine extreme Änderung der Warenströme innerhalb sehr

kurzer Zeit», sagte Hans-Jürgen Seufferlein, der Direktor des
Verbands der Milcherzeuger Bayern.

«Die Aufträge seitens des Lebensmitteleinzelhandels (im Inland) sind
aktuell doppelt so hoch wie in einer «normalen» Woche um diese Zeit»,

sagte Oliver Bartelt, der Sprecher des Deutschen Milchkontors (DMK)
in Bremen, der größten deutschen Molkereigenossenschaft.

Die Kunden kaufen demnach vor allem haltbare Milch und Sahne sowie
Butter und Käse. «Alle weiteren Segmente verzeichnen aber ebenfalls
deutliche Anstiege - teilweise wird die dreifache Wochenmenge
bestellt», sagte Bartelt. Die aktuelle Liefermenge bei DMK liegt
demnach derzeit 40 Prozent über Durchschnitt.

Doch die Gastronomie kauft deutschlandweit quasi nichts mehr, und der
Verkauf ins Ausland ist derzeit ebenfalls sehr schwierig. «Molkereien
mit starkem Exportanteil stehen an den Grenzen, und Spediteure sind
deutlich länger unterwegs», sagte Markus Drexler, der Sprecher des
Bayerischen Bauernverbands.

Die Molkereien haben zwar genug Milch, aber nicht alle können
komplett ausliefern. «Bei Verpackungen gibt's wirklich ein Problem»,
sagte Seufferlein vom Verband der bayerischen Milcherzeuger. Denn
Gastronomie-Großpackungen sind für den Einzelhandel ungeeignet: Fünf-

oder Zehn-Liter-Milchtüten würde wohl kaum ein Verbraucher nach Hause
schleppen. Große Betriebe wie das Milchkontor wissen sich zu helfen,
aber kleineren Molkereien fehlt der Maschinenpark, um die Produktion
in kurzer Zeit komplett auf den Einzelhandel zu konzentrieren.

Je nach Kundschaft stehen die Molkereien so vor ganz
unterschiedlichen Herausforderungen. Manche Betriebe können die
Nachfrage kaum bedienen. Doch in Molkereien, die einen Großteil ihrer
Produktion an Gastronomie und Gewerbe verkaufen, geht die
Existenzangst um.

Für die leidgewohnten Milchbauern sind das keine guten Nachrichten.
Mit Ausnahme von Obst und Gemüse ist Deutschland ein Nettoexporteur
vieler Agrarprodukte, insbesondere von Butter, Käse und Milch. Das
bedeutet, dass im Inland mehr produziert als verbraucht wird.

Doch die internationalen Warenströme sind gestört. So sind in China -
das auf Lebensmittelimporte angewiesen ist und viel Milch einführt -
die Lebensmittelpreise innerhalb eines Monats um 20 Prozent
gestiegen, wie die Pekinger Statistikbehörde Anfang der Woche
mitteilte.

An den internationalen Terminbörsen für Agrarprodukte aber sinken
derzeit die Preise. Das werden die Landwirte in Deutschland
voraussichtlich über kurz oder lang zu spüren bekommen: «Was die
Milchbäuerinnen und Milchbauern auf sich zukommen sehen, sind massive
Preisrückgänge», sagte Hans Foldenauer, der Sprecher des Bunds
deutscher Milchviehhalter.

Das Verhältnis zwischen Milchbauern, Molkereien und Einzelhandel ist
ohnehin gestört, weil die Bauern am stärksten unter dem Preisdruck
leiden. Die Milchviehhalter fordern deshalb eine Begrenzung der
Milchproduktion, damit die Preise nicht in den Keller rauschen.

Dafür plädiert auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

(AbL), ein Interessenverband, der kleine Betriebe vertritt. «Es ist
notwendig, dass wir die überschüssigen Mengen am Markt, die unsere
Preise drücken, in den Griff bekommen», sagte die Allgäuer
Milchbäuerin Elisabeth Waizenegger, Mitglied im AbL-Bundesvorstand.