Land erwägt Einsatz von Soldaten mit Polizeiaufgaben

Baden-Württemberg könnte ein Novum bevorstehen: Soldaten könnten in

der Corona-Krise bei Aufgaben der Polizei helfen. Das Grundgesetz
lässt das zu - aber nur in Ausnahmefällen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Das baden-württembergische Innenministerium
überlegt, in der Corona-Krise die Bundeswehr um Amtshilfe zur
direkten Unterstützung der Landespolizei zu bitten. Soldaten könnten
dann bei hoheitlichen Aufgaben helfen, weil die Polizei wegen der
Corona-Krise personell ausgedünnt ist. Ein Ministeriumssprecher
bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht der
«Schwäbische Zeitung».

Wie genau die Soldaten der Polizei helfen würden, war zunächst nicht
bekannt. Laut Innenministerium könnten die Soldaten beispielsweise
Transportaufgaben übernehmen oder «Objekte» schützen, etwa
polizeiliche Einrichtungen. Dazu könnten auch Ein- und
Auslasskontrollen gehören. Die Soldaten stünden dabei stets unter der
Führung der Polizei: Bei einer Kontrolle wäre also immer ein Polizist

anwesend. Der würde eine konkrete Maßnahme anordnen, wenn eine
durchzuführen sei. Dass Polizisten und Soldaten miteinander Streife
fahren, sei nicht geplant.

2295 der rund 34 000 Mitarbeiter bei der Polizei sind derzeit wegen
der Corona-Krise in häuslicher Isolation. 77 sind positiv getestet.
Derzeit könne die Polizei alle Aufgaben selbst durchführen, sagte
der Ministeriumssprecher. Für den Ernstfall werde aber geprüft, wen
man um Unterstützung bitten könne. Zunächst kämen da die Polizeien

anderer Länder und des Bundes infrage - die in der Corona-Krise aber
bereits selbst alle Hände voll zu tun haben.

In einem katastrophenähnlichen Fall sei es möglich, um Amtshilfe bei
der Bundeswehr zu ersuchen, sagte der Sprecher. Innenminister Thomas
Strobl und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide
CDU) hätten sich bereits über Möglichkeiten der Unterstützung
ausgetauscht.

Politiker streiten seit Jahren über Bundeswehreinsätze im Inland. Das
Grundgesetz lässt sie nur in Ausnahmefällen zu. Artikel 35 erlaubt
die sogenannte Amtshilfe. Um diese müsste das Innenministerium -
sollte es seine Überlegung wahr machen - zunächst das Landeskommando
Baden-Württemberg bitten. Dessen höchster Vorgesetzter - das
Verteidigungsministerium - entscheidet darüber. Sollte es dazu
kommen, wäre das Landeskommando für die konkreten Maßnahmen
zuständig. Von dort hieß es am Donnerstag, es sei kein Antrag
eingegangen, Vorbereitungen auf zukünftige Einsätze liefen nicht.

Im Rahmen der Amtshilfe hatten in der Vergangenheit Tausende Soldaten
bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen oder bei
Naturkatastrophen geholfen. Derzeit sind Sanitätssoldaten in zwei
Krankenhäusern im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald im Einsatz, außerdem
hilft die Bundeswehr bei der Lagerung von Sanitätsmaterial.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende, Hans-Ulrich Rülke, kritisierte den
Innenminister: «Offenbar versucht Strobl, die Corona-Krise zu nutzen,
um seinen alten Traum zu verwirklichen, die Bundeswehr auch im Innern
einzusetzen», sagte er. So ein Einsatz sei von der Verfassung aus
guten Gründen nur im absoluten Ausnahmefall vorgesehen - der im
Moment offensichtlich nicht vorliege. Denn die verschärften
Kontaktauflagen würden nun befolgt. Strobl schüre damit
Verunsicherung in der Bevölkerung und der Wirtschaft.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Binder,
sagte: «Klar muss sein, dass die Streitkräfte nicht für originäre

Polizeiaufgaben eingesetzt werden dürfen, denn dafür sind sie nicht
ausgebildet. Aber einer Unterstützung durch die Bundeswehr
beispielsweise bei Transportaufgaben steht aus meiner Sicht nichts
entgegen.»