Müller ruft zu Zusammenhalt in Coronakrise auf

Mit Verspätung nimmt der Regierungschef nun im Parlament Stellung zur
Viruskrise. Es spricht viele Fragen an und zeigt sich überzeugt: «Wir
werden auch Corona besiegen».

Berlin (dpa/bb) - Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller
(SPD) hat an die Menschen in der Stadt appelliert, in der Coronakrise
zusammenzustehen, Solidarität zu zeigen und sich an die
Ausgangsbeschränkungen zu halten. Dann werde Berlin der Pandemie
trotzen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer
Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus.

«Wir werden auch Corona besiegen», zeigte er sich überzeugt und zog
Paralleln zur Geschichte. Er erinnerte an die großen Krisen wie
Blockade und Mauerbau, die die Stadt schon erlebt hat. «Berlin hat
stets trotzig widerstanden.» Die Berliner hätten auf solche
Herausforderungen mit einem «Davon lassen wir uns nicht unterkriegen»
reagiert. Und sie hätten stets bewiesen, was Zusammenhalt heiße.

Auch diesmal gehe es um Leben und Tod, sagte Müller. «Wir werden um
jedes Leben kämpfen.» Diese Krise sei aber auch deshalb so grausam,
weil sie einem das nehme, was einem wichtig sei: das Bedürfnis nach
Nähe, danach, sich in den Arm zu nehmen, sich zu halten, sich zu
stützen. «Die Coronakrise zwingt uns jetzt, Abstand zu halten», sagte

Müller. Es werde keine Mauer gebaut. Diesmal sei jeder aufgerufen,
eine unsichtbare Mauer um sich selbst zu ziehen.

Müller kündigte an, dass dringend benötigte medizinische Materialien

im Kampf gegen das Coronavirus in Berlin bald in Eigenregie
produziert werden. Angesichts des Mangels an Gesichtsmasken oder
Schutzkleidung sei der Senat bereit und habe schon darüber
diskutiert, «unkonventionelle Lösungen zu suchen». So könne Materia
l
nach entsprechender Reinigung mehrfach verwendet werden. «Oder
Material in Berlin selbst herstellen. Das bereiten wir gerade vor»,
so Müller.

«Ja es ist richtig, wir sind gut ausgestattet», sagte er weiter.
«Aber ich will an dieser Stelle auch sagen: Wir brauchen jetzt auch
Nachschub.» Schutzkleidung und Material werde von Ärzten in Kliniken
und Praxen, Krankenschwestern und Pflegern dringend gebraucht. «Wir
sind mit der Bundesregierung dazu im ständigen Austausch. Wir
brauchen auch deren Unterstützung, damit die nächsten Lieferungen
über die Grenzen nach Deutschland kommen und hier verteilt werden
können.» Zuletzt hatten Verbände mehrfach Alarm geschlagen, weil
Schutzausrüstung in Kliniken und Arztpraxen zur Neige geht.

Müller unterstrich, dass der Senat alles tun werde, um die Menschen
vor den Gefahren durch die Sars-CoV-2-Pandemie zu schützen. Dabei
gebe es mehrere zentrale Herausforderungen: Gesundheitsversorgung,
der Blick für die soziale Situation der Menschen und eine
Stabilisierung der Wirtschaft, um Existenzen und Arbeitsplätze zu
sichern. Zudem müsse sichergestellt werden, dass Berlin auch nach der
Krise wieder eine vielfältige, weltoffene Metropole sei.

Müller verwies auf das 600-Millionen-Euro-Hilfsprogramm das Landes
für kleine und mittlere Unternehmen. Wenn der Bedarf größer sei,
werde der Senat nachsteuern. Er appellierte an die Wirtschaft:
«Sprechen sie keine Entlassungen aus!». Die Arbeitskräfte würden al
le
wieder gebraucht, wenn das normale Leben wieder hochfahre.

Müller kündigte ein Hilfsprogramm für Sportvereine an, ohne Details
zu nennen. Es sei wichtig, Ehrenamtsstrukturen und Sportvereine zu
erhalten, weil diese nach der Krise wichtige Unterstützung leisten
könnten. Er appellierte an die Berliner, ihren momentan geschlossenen
Vereinen die Stange zu halten, also weiter Beiträge zu zahlen.

Erneut wandte sich der Regierungschef gegen die Forderung nach einer
generellen Ausgangssperre. Eine große Mehrheit der Berlinerinnen und
Berliner wohne in Mietwohnungen, nicht im Eigenheim mit Garten.
Deshalb sei die Möglichkeit wichtig, mal an die frische Luft
rauszugehen. Das sei auch für die Gesundheit wichtig, betonte Müller.
«Ich halte eine generelle Ausgangssperre für das allerletzte Mittel.»


Die Opposition fand im Parlament auch kritische Töne im Hinblick auf
das Agieren Müllers. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger forderte vom
Senat, sich auf den Kampf gegen die Coronakrise zu konzentrieren und
die Finanzmittel des Landes nicht mehr für völlig überteuerte
Immobilienkäufe zu verwenden. Dafür müssten finanziellen Ressourcen
jetzt eingesetzt werden. Zuletzt hatte das Land mehrfach
Wohnungsbestände aufgekauft.

Dregger forderte unter anderem, beschleunigt Schutzausstattung zu
beschaffen und Kapazitäten für Coronatests auszubauen.
AfD-Fraktionschef Georg Pazderski warf dem Senat vor, sich nicht
rechtzeitig auf Krisen wie die Corona-Pandemie vorbereitet zu haben.
«Wir haben unnötig Zeit verloren.»

Die Regierungserklärung war ursprünglich schon für Donnerstag der
vergangenen Woche geplant. Müller konnte sie nicht halten, weil die
Plenarsitzung wegen eines - später nicht bestätigten -
Corona-Verdachts abgesagt wurde. In dieser Woche wurde bekannt, dass
zwei Abgeordnete mit Sars-CoV-2 infiziert sind.