War ein Champions-League-Spiel schuld an der Corona-Krise in Italien?

Zehntausende Fans liegen sich nach einem historischen Sieg ihres
Clubs in den Armen. Das Champions-League-Match zwischen Atalanta
Bergamo und Valencia gilt als der Brandbeschleuniger bei der
Ausbreitung des Coronavirus im norditalienischen Bergamo. Stimmt es?

Rom (dpa) - Ein Fußballspiel mit Zehntausenden Fans dicht an dicht im
Stadion, unzählige Menschen verfolgen die Begegnung in vollen Bars:
Das klingt nach der perfekten Mischung für die Verbreitung des
hochansteckenden Coronavirus Sars-CoV-2.

BEHAUPTUNG: Ein Champions-League-Match zwischen Bergamo und Valencia
ist schuld an der massiven Verbreitung des Coronavirus in der
besonders betroffenen Region Bergamo. Von einer «biologischen Bombe»
und dem «Spiel Null» in Anspielung auf den «Patient Null» - also de
n
ersten erkannten Erkrankten - ist die Rede.

BEWERTUNG: Als einzige Erklärung für den extremen Covid-19-Ausbruch
in der Provinz Bergamo taugt die Partie nicht. Aber sie hat die
Verbreitung nach Expertenmeinung beschleunigt.

FAKTEN: Das Spiel zwischen dem italienischen Erstligisten Atalanta
Bergamo und dem FC Valencia ist historisch: Atalanta hat zum ersten
Mal in der Geschichte den Einzug in die Champions League geschafft
und ist dann gleich ins Achtelfinale gekommen. Ein Drittel (rund
45 000) der etwa 120 000 Einwohner Bergamos ist an jenem 19. Februar
unterwegs zur Begegnung nach Mailand. Unzählige verfolgen zudem das
Hinspiel mit Freunden, in Bars dicht gedrängt, wie Bergamos
Bürgermeister Giorgio Gori sagt. Nach dem 4:1-Sieg liegen sich die
Fans jubelnd in den Armen.

Mittlerweile gibt es in der Region Bergamo mehr als 7000 Infizierte
und mehr als 1000 Tote, mit einer extrem hohen Dunkelziffer. Hat die
rasante Ausbreitung des Coronavirus im Fußballspiel ihren Ursprung?

Der Zivilschutz teilt auf Anfrage mit: «Wir haben keinerlei
gesicherte Daten, die solch eine These unterstützen.» Allerdings
spricht der Chef der Behörde, Angelo Borrelli, von einem
«potenziellen Detonator». Der Chef des nationalen Gesundheitsbehörde

ISS, Silvio Brusaferro, sagt, es sei eine Annahme, die in Betracht
gezogen werde. Es sei aber derzeit schwer, sie zu überprüfen.

Der Immunologe Francesco Le Foche von der Uniklinik in Rom spricht
von einem «Megafon für die Verbreitung der Coronavirus-Infektion in
der Provinz Bergamo». «Fast 50 000 Fans, die von Bergamo nach Mailand
unterwegs waren, in Bussen, Zügen und Tankstellen im engen Kontakt,
oder in Restaurants und Kneipen. Die Explosion der Ansteckungen kam
14 Tage nach dem Spiel», sagt er der Nachrichtenagentur Ansa.

Die ersten beiden Corona-Fälle werden in Italien zwar bereits Ende
Januar bei zwei chinesischen Touristen aus Rom registriert. Danach
ist es aber zunächst still. Erst am 21. Februar wird in Norditalien
der Ausbruch bekannt, danach breitet sich das Virus rasant aus.

Zwei Sperrzonen werden umgehend in der Provinz Lodi in der Lombardei
und um den Ort Vo in Venetien eingerichtet. Die Provinz Bergamo
gehört nicht dazu. Heute ist keine andere Region in Italien ist so
stark von Covid-19 betroffen. Wissenschaftler betonen immer wieder,
dass das Virus in Italien schon viel früher - möglicherweise schon
letztes Jahr - zirkulierte.

Beim Serie-A-Club Atalanta, bei dem auch der Deutsche Robin Gosens
spielt, wurde bisher nur der Torwart Marco Sportiello positiv
getestet. Bei Valencia sind es nach Angaben des Clubs 35 Prozent der
Mitarbeiter, auch mindestens fünf Spieler. Ein spanischer Journalist,
der das Spiel in Mailand verfolgt, steckte sich ebenfalls an.

«Es war eine Gelegenheit für starke Ansteckungen, aber ich glaube
nicht, dass es der Anfang von allem war», sagt Bergamos Bürgermeister
Gori. Der «Funke» sei vielmehr ein Krankenhaus in der Region gewesen,
in Alzardo Lombardo. Dort sei wahrscheinlich ein Patient mit einer
vermeintlichen Lungenentzündung gewesen, die nicht als Covid-19
erkannt wurde. Er sei dann mit anderen Patienten und Medizinern in
Kontakt gewesen. «Das erscheint mir die glaubwürdigere Erklärung fü
r
das Problem in Bergamo.»