Vorsicht beim Training: Anfällig für Viren bei schwerer Belastung Von Jens Marx und Ulli Brünger, dpa

Alleine Laufen an der frischen Luft ist erlaubt - und stärkt das
Immunsystem. Bis zu einem gewissen Grad. Und das gilt auch für
Leistungssportler. Wer sich voll belastet, ist anfälliger. Auch
deswegen wäre Olympia im Sommer ein riesiges Wagnis geworden.

Berlin (dpa) - Abgekämpft, ausgepowert, erschöpft. Training am
Anschlag. Der Körper fast im Wettkampf-Modus. Achtung: Gefährlich ist

das auch für Leistungssportler, erst recht im Ausdauerbereich, in den
Zeiten des Virus Sars-CoV-2. «Natürlich ist das Immunsystem in den
Spitzenphasen anfälliger für grippale Infekte und Viren, insbesondere
nach sehr harten Belastungen», erklärte Arne Gabius in einem Gespräch

mit der Deutschen Presse-Agentur.

Unmittelbar nach einem sehr, sehr harten Training sei man sehr
anfällig, sagte der 39-jährige Stuttgarter. Gabius muss es wissen, er
ist deutscher Marathon-Rekordhalter. Gabius ist aber auch Mediziner.
Er hält sich derzeit im Training zurück. Keine langen Strecken im
Renntempo wie sonst zur Leistungssteigerung.

Es ist eine Gesundheits-Gratwanderung auch für Topsportler. Keine
Wettkämpfe vorerst in Sicht. Die Motivation droht zu sinken, weil das
konkrete Ziel fehlt. Die Trainingsbedingungen sind teilweise massiv
eingeschränkt. Und dann kommt auch noch das Risiko dazu, bei einer zu
hohen Belastung anfällig für Infektionen und auch den Coronavirus zu
sein, der die ganz Welt auch außerhalb des Sports im Griff hat.

«Ich gehe die Tage ein bisschen lockerer an, auch damit mein
Immunsystem nicht am Limit ist», schilderte bereits der dreimalige
Ironman-Weltmeister Jan Frodeno aus seiner Wahlheimat Girona - in
Spanien wütet das Virus ganz besonders schlimm.

Ausdauerkollege Gabius läuft am Tag 60 bis 90 Minuten. «Das stärkt
das Immunsystem. Das wäre für den normalen Bürger etwa so, dass er
zwei, dreimal in der Woche für eine halbe Stunde läuft», erklärte d
er
Marathonläufer.

Belastung ist relativ, auch und erst recht im Sport. Bilder auch von
Hobbyläufern, die an ihr Limit gehen, gibt es immer wieder. Ob über
zehn oder 42 Kilometer. Je länger allerdings, umso anfälliger,
scheint es. «Man weiß aus vielen belastbaren Studien und
Untersuchungen, dass beispielsweise Läufer nach einem Marathon sehr
empfänglich sind für Attacken von außen und damit für entsprechende
n
Erkrankungen», betont Petra Platen, Leiterin des Lehrstuhls für
Sportmedizin und Sporternährung an der Sportfakultät der
Ruhr-Universität Bochum.

Aber warum eigentlich? Platen erklärt: «Weil das Immunsystem nach
Belastungsspitzen schon mit den Auswirkungen, etwa dem Abbau und der
Verarbeitung von angefallenen Substanzen, beschäftigt und ausgelastet
ist. Viren und Keime haben es leichter, Hürden zu überwinden und in
den Körper zu gelangen. Man kennt das Phänomen, dann reicht manchmal
schon ein offenes Fenster.» Mediziner würden von immunologischem
Stress sprechen.

Auch vor dem Hintergrund wären Olympische Spiele in diesem Sommer
nicht vorstellbar gewesen. 11 000 Athletinnen und Athleten im
Olympischen Dorf vereint. In den letzten Tagen vor dem Wettkampf wird
zwar nicht mehr maximal trainiert, aber ein langer Flug nach Tokio,
dazu die Aufregung vor den anstehenden Wettkämpfen. Und dann die Zeit
nach einem Rennen. Generell hätte man bei Olympia inmitten der
Corona-Pandemie wohl viele Ansteckungen und Erkrankungen von
Sportlerinen und Sportlern befürchten müssen, meinte Platen.