Corona und das Privileg: Wie die Reichen mit der Krise umgehen Von Benno Schwinghammer, dpa

Das Virus kennt keine Klassenunterschiede. Die Betroffenen aber
schon. Während weite Teile der Welt zu Hause zusammenrücken, setzt
die US-Elite auf ihr Privileg.

New York (dpa) - Wer wissen will, wie gerecht sich einige Amerikaner
in Zeiten von Corona behandelt fühlen, der sollte einen Blick auf
einen der beliebtesten Tweets der letzten Tage werfen: «Der beste Weg
für den durchschnittlichen Amerikaner, herauszufinden, ob er Covid-19
hat, ist, einer reichen Person ins Gesicht zu husten und auf dessen
Testergebnis zu warten», schrieb ein User. Im Land der
Mehrklassen-Medizin spiegelt dieser mehr als 185 000 Mal geteilte
Tweet die Annahme, dass die Reichen auch in der Pandemie Vorteile
haben.

Gibt es wirklich einen «Weg der Reichen» in der Krise? Ja, wenn auch
nicht nur exklusiv in den USA. Es fängt ganz grundsätzlich damit an,
dass sich für Wohlhabende die Frage stellt, welches Anwesen am besten
für die Selbstisolation geeignet ist. Vielleicht nicht gerade das in
der Metropole, mag sich der ein oder andere Bestverdiener denken.
«Die Reichen haben eine Coronavirus-Heilung: die Flucht aus New
York», titelte dazu die «New York Times».

Denn nach einer Reihe von zirkulierenden Falschnachrichten in der
Upper Class, die eine Abriegelung der Stadt ankündigten, machten sich
viele Mitglieder der Elite auf den Weg nach Long Island oder anderen
Orten mit Küsten-Idylle vor den Toren der Stadt. Das Ziel waren ihre
großzügigen Sommerhäuser: mehr Platz als in den Großstadt-Wohnungen
,
weniger Pandemie-Viren - und obendrein noch Meerblick.

Wer weiter weg will, für den ist das Linienflugzeug trotz
Businessclass momentan ein Verkehrsmittel mit hohem Stresslevel -
weshalb unter denen, die es sich leisten können, Privatjets boomen.
Dem TV-Sender CNBC zufolge machen die Anbieter Kasse, während die
Airlines Angst um ihre Existenz haben. Bei mehreren Anbietern ging
die Nachfrage demnach deutlich in die Höhe. Das private Flugzeug muss
man sich schließlich nur mit der Crew teilen, nicht mit hustenden
Sitznachbarn.

Was die obersten 10 000 und die restlichen Millionen gleichermaßen
trifft, ist die Angst vor Covid-19. Doch die Wohlhabenden können sich
eine Versorgung leisten, die ihresgleichen sucht. Als Beispiel kann
der New Yorker Anbieter Sollis Health genannt werden. Für einen
Familien-Sockelbetrag von 8000 Dollar pro Jahr gibt es laut «New York
Times» ein kleines Privatkrankenhaus ohne Wartezeiten -
Behandlungskosten sind da noch nicht eingerechnet.

Auf seiner Internetseite wirbt Sollis Health mit seiner
Covid-19-Behandlung. Wenn Kunden getestet werden müssten, «schicken
wir einen Mitarbeiter in Schutzausrüstung zu ihrem Haus, um sie zu
untersuchen und wahrscheinlich eine Probe zu entnehmen». Bei akuter
Erkrankung werde man seine Beziehungen zu den örtlichen
Krankenhäusern nutzen, «um ihnen einen vorrangigen Zugang zu
ermöglichen».

Offiziellen Angaben zufolge werden im Staat New York in den kommenden
Wochen für besonders ernste Fälle 30 000 Beatmungsgeräte gebraucht.
Im Moment gibt es 11 000. Im Einzelfall dürfte das Recht, die
Maschine zu benutzen, über Leben und Tod entscheiden.

Trotz einer Reform des US-Gesundheitssystems unter Präsident Barack
Obama haben Dutzende Millionen Amerikaner keine Versicherung. Viele
weitere sind unterversichert. Dazu kommen immense Kosten für
Medikamente und Ärzte, für die trotz Versicherung oft draufgezahlt
werden muss. Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge gab ein
Viertel der US-Bürger an, dass ein Familienmitglied schon einmal eine
Behandlung einer ernsthaften Erkrankung wegen des Preises nicht
wahrgenommen habe.

Wer in den USA in den vergangenen Wochen versucht hatte, einen
Corona-Test zu machen, dem wurde es nicht leicht gemacht. Für viele
Fälle gab es trotz Symptomen oder Kontakt zu einer infizierten Person
keine Untersuchung, unter anderem wegen eines Mangels an Tests. Umso
bizarrer erscheint es, dass ganze Basketballteams getestet wurden.

Der Bundesstaat Oklahoma untersuchte dem Magazin «Daily Beast»
zufolge 58 Mitglieder der Utah Jazz Anfang März, als dort nur
insgesamt etwa 100 Fälle pro Tag analysiert werden konnten. Auch die
Brooklyn Nets wurden komplett getestet - was den New Yorker
Bürgermeister Bill de Blasio auf die Palme brachte: «Tests sollten
nicht für die Reichen sein, sondern für die Kranken», wetterte er bei

Twitter.