Gerichte im Corona-Notbetrieb - aber weiter funktionsfähig

Das Coronavirus hat auch Auswirkungen auf die Justiz in Brandenburg.
Verfahren wurden größtenteils abgesagt oder verschoben - bis auf
Eilfälle.

Potsdam (dpa/bb) - In Brandenburg hemmt das Coronavirus auch die
Justiz bei ihrer Arbeit. Ein Großteil der Verfahren
am Oberlandesgericht sowie den Land- und Amtsgerichten sei mit
Blick auf die Ansteckungsgefahr aufgehoben oder verlegt worden,
teilte das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) mit. Es gebe
jedoch keinen Grund zur Besorgnis, dass die Gerichte ihre Aufgaben
nicht mehr wahrnehmen und die Rechte der Bürger nicht mehr in
ausreichender Weise schützen könnten. 

Die meisten Richter verzichten demnach darauf,
Verhandlungen durchzuführen. Dies gelte zumindest etwa für
die Verfahren, die nicht besonders eilbedürftig seien. Wenn
möglich versuchten die Richter, Verfahren schriftlich zu entscheiden
- mit Zustimmung der Parteien, sagte Gerichtssprecherin Judith
Janik. «So können alle Beteiligten ihre Argumente vortragen und die
Entscheidung fördern.» Manche Termine seien auch in die Zeit nach
April gelegt worden, teilweise auch auf Antrag der Rechtsanwälte.  

Bislang waren Pausen nach dem Gesetz nur für höchstens drei Wochen
oder - wenn es mehr als zehn Verhandlungstage gab - einen Monat
vorgesehen. Um zu verhindern, dass laufende Strafprozesse wegen
Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus platzen, hatte der Bundestag
am Mittwoch mit großer Mehrheit einer vorübergehenden
Gesetzesänderung zugestimmt. Danach können Gerichte
Hauptverhandlungen für bis zu drei Monate und zehn Tage
unterbrechen. 

Damit der Nachwuchs in der Justiz von den Corona-Einschränkungen so
wenig wie möglich betroffen ist, sollen die Einführungslehrgänge fü
r
Rechtsreferendare künftig digital organisiert werden. «Das wird schon
jetzt bei den Arbeitsgemeinschaften gemacht», sagte Janik. Die
nächsten Einstellungen sind nach den derzeitigen Planungen im Mai. 

Auch am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und den
Arbeitsgerichten in den beiden Ländern ist man in den Notbetrieb
gefahren. Eilverfahren finden den Angaben zufolge statt, normale
Verfahren sind erst einmal bis Ende April aufgehoben. Das mache jeder
Richter in eigener Verantwortung. «Wir sind nach wie vor erreichbar»,
sagte die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, Ursula Hantl-Unthan.
In der Rechtsantragsstelle, in der Mitarbeiter bei der Einreichung
von Anträgen oder Klagen behilflich sind, habe man Plexiglas
installiert. «Das haben wir früh gemacht, als es das noch im Baumarkt
zu kaufen gab», sagte sie. Besucher und Mitarbeiter seien so besser
vor Ansteckungen geschützt.

«Wir versuchen, die Anwesenheit der Personen im Haus so gering wie
möglich zu halten», betonte Hantl-Unthan. Die Verwaltung sei mit ein

bis zwei Mitarbeitern besetzt, ebenso die Personalabteilung. Den
Richtern sei es, wie auch sonst üblich, freigestellt, ob sie ins
Gericht kommen oder im Homeoffice arbeiten. Sie seien jedoch gebeten
worden, außerhalb der Servicezeiten zu kommen, wenn weniger Betrieb
im Gericht herrsche.

An den Gerichten gebe es viele ältere Richter. «Sie gehören
zur Risikogruppe», sagte Hantl-Unthan. Mit Blick auf die Zeit nach
der Coronakrise sagte die Richterin: «Ich frage mich schon, wie das
gehen soll, die Rückstände abzubauen.» Möglicherweise werde es
aufgrund von Kündigungen oder Kurzarbeit vermehrt zu Klagen kommen.
«Überrascht wäre ich nicht», sagte sie.    

Am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg werde derzeit «viel
telefoniert, viele Mails werden geschrieben», sagte Pressesprecher
Axel Hutschenreuther. Die Richter seien mehr als sonst im Homeoffice.
Termine seien weitestgehend aufgehoben worden. Die Öffentlichkeit sei
eingeschränkt, die Bibliothek geschlossen. Viele Beschlüsse würden
vom Schreibtisch aus aufgehoben. Eilsachen würden unverändert weiter
bearbeitet. Der Betrieb sei gewährleistet. «Wir machen den Laden
nicht zu in Krisen», betonte Hutschenreuther.  

Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz seien auch bei
den Staatsanwaltschaften in Brandenburg getroffen worden. Wie genau
diese aussehen, entscheide jede Behörde aufgrund ihrer eigenen
Gegebenheiten aber selbst, sagte Eugen Larres, Leitender
Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg und
stellvertretender Pressesprecher. Die Rechtsgewährung ist laut
Larres «oberstes Anliegen». Die Strafverfolgung sei auch weiterhin
gewährleistet. «Wir müssen weiterarbeiten.»   

Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) sieht die
Gerichte in besonderer Verantwortung, ihre Aufgaben auch in
Krisenzeiten weiterhin zu erfüllen und die Interessen der Bürger und

ihre Sicherheit zu schützen. Mit Blick auf die aktuelle Lage werde es
jedoch unvermeidbare Einschränkungen geben.

Die Anwaltschaft appellierte an die Gerichte, alle nicht
eilbedürftigen Termine zu verschieben, Fristen großzügig zu setzen
und Anträge zur Verlängerung von Fristen wohlwollend zu behandeln.
«Wir alle sind aktuell mit einer Ausnahmesituation konfrontiert, die
uns viel abverlangt», erklärte der Präsident der
Bundesrechtsanwaltskammer, Ulrich Wesens. Die gesamte Anwaltschaft
stehe vor erheblichen Herausforderungen.

Die Kammer in Brandenburg empfiehlt den Anwälten soweit möglich a
uf
elektronische Kommunikation per Telefon oder Video auszuweichen.
«Generell gilt, dass wir Rechtsanwälte weiterhin alles Erforderliche
unternehmen werden, um unsere berufsrechtlichen und die Pflichten aus
dem Anwaltsvertrag zu erfüllen», heißt es in einer Mitteilung auf der

Internetseite der Kammer.