Piano-Power für die Seele in Zeiten der Corona-Krise Von Peter Zschunke, dpa

Alle Auftritte sind abgesagt, bis zum Juni. Neue Engagements?
Fehlanzeige. Da beschloss Simon Höneß, mit seinem Rollklavier auf die
Straße zu gehen und Musik zu machen.

Mainz (dpa/lrs) - Der Mainzer Pianist Simon Höneß hat gerade viel
Zeit - alle Auftritte bei Unternehmen oder privaten Festen sind
abgesagt. So zieht er mit seinem Rollklavier auf die Straße und
spielt für die wegen der Corona-Krise in ihren Häusern bleibenden
Menschen. «Das erste Mal kam aus einer rein spontanen Idee heraus -
ich mag die Leute in meinem Viertel und mache Straßenmusik aus Spaß
an der Freude.»

Die Resonanz aber hat ihn überwältigt. «Überall gehen die Fenster
auf, Menschen setzen sich mit einem Glas Wein auf ihre Balkone,
beginnen mitzuschnipsen», schrieb er auf seiner Facebook-Seite, wo
ein Video ihn beim Refrain des Beatles-Songs «Hey Jude» zeigt. Weil
er bei Musik auf der Straße in der Vergangenheit schon einige Male
vom Ordnungsamt angesprochen worden sei, habe er sich schon Sorgen
gemacht, als ein Polizeiwagen aufgetaucht sei. «Aber die Fahrerin war
ganz entspannt und hat mich gefragt, ob sie sich ein Lied wünschen
kann.»

Danach sei er immer wieder angesprochen worden, wann er wieder
spiele, sagt der Pianist. Wenn es jetzt wieder wärmer werde, wolle er
deshalb auch vor Altenheimen spielen. «Diese Menschen sitzen in den
Zimmern, bekommen kaum Besuch und sind einsam.» In Absprache mit der
Polizei wolle er vor ihren Fenstern spielen. «Dann mache ich etwas
für meine Seele und für die der anderen.»

Denn die Leichtigkeit der Straßenmusik täuscht darüber hinweg, wie
kritisch die Lage für viele freie Musiker jetzt geworden ist. «Bis
Ende Juni wird alles abgesagt, und es kommen momentan auch keine
neuen Buchungen nach», erklärt Höneß. «Ich lebe nur von den
Auftritten bei Business-Veranstaltungen und privaten Events, und das
ist komplett weggebrochen.» Für den Lebensunterhalt müsse er nun auf

seine Rücklagen zugreifen, die eigentlich für seine Altersversorgung
gedacht seien.

Daneben engagiert sich Höneß auch in zwei künstlerischen Projekten,
in der Jazzband Superfro und mit der Hard-Rock-Satire «In Teufels
Küche». Mit den anderen Mitgliedern von Superfro trifft er sich jetzt
zu virtuellen Bandproben: «Wir nehmen einzeln zuhause Videos auf und
schneiden diese dann zusammen.»

Zu kreativen Lösungen ist auch die Gastronomie gezwungen. Ende März
spielt Höneß zuhause auf seinem Flügel bei der «Online Music Sessio

einer Mainzer Weinbar. Da diese geschlossen ist, können Gäste
teilnehmen, indem sie Getränke und ein Antipasti-Paket zur Abholung
bestellen und dann zuhause bei gutem Wein der übers Internet
gestreamten Piano-Musik zuhören.