Corona-Krise: Gottesdienst-Übertragungen boomen

Erstmals seit der Christianisierung im Mittelalter sind Gottesdienste
in Deutschland flächendeckend verboten - ein historisches Novum. Nun
explodiert die Zahl der Nutzer von Fernsehgottesdiensten.

München (dpa/lby) - In Zeiten verbotener Gottesdienste wegen der
Corona-Krise boomen Kirchenformate in Fernsehen und Radio. «Die
Zahlen bei Gottesdiensten und dem «Wort zum Sonntag» haben sich im
Durchschnitt um 70 Prozent erhöht», sagte der Ratsvorsitzende der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische
Landesbischof, Heinrich Bedford-Strohm, der Deutschen Presse-Agentur
in München. «Bei einigen kirchlichen Formaten hat sich der Zuspruch
sogar nahezu verdoppelt.» Auch die katholische Deutsche
Bischofskonferenz hat den Eindruck, «dass es enormen Zulauf gibt».

Diesen Eindruck bestätigt das ZDF: Nach Senderangaben verzeichneten
die an den beiden vergangenen Sonntagen ausgestrahlten Gottesdienste
deutlich mehr Zuschauer als sonst üblich. Den katholischen
Fernsehgottesdienst am 23. März sahen 1,43 Millionen Zuschauer. Dies
entspricht einem Marktanteil von 12,4 Prozent. Auch der evangelische
Gottesdienst am Sonntag davor (15. März) erreichte mit rund 980 000
Zuschauern und einem Marktanteil von 10,5 Prozent deutlich mehr
Zuschauer als die zehn katholischen und evangelischen Gottesdienste
zwischen dem 5. Januar und dem 8. März, die im Schnitt 700 000
Zuschauer und einen Marktanteil von 7,8 Prozent erreichten.

Das «Wort zum Sonntag», das in 2019 einen Durchschnittswert von 1,21
Millionen Zuschauern hatte, hatte nach EKD-Angaben am 14. März mit
2,35 Millionen mehr als das Doppelte. Am 21. März sahen 1,75
Millionen Zuschauer zu.

Der Bayerische Rundfunk stellt eine ähnliche Entwicklung fest. «Wir
verzeichnen eine höhere Resonanz», sagt ein BR-Sprecher. Der
Evangelische Gottesdienst des vergangenen Wochenendes habe rund 91
000 Zuschauer gehabt. Zum Vergleich: Am 8. März, vor dem Verbot aller
Gottesdienste in Deutschland, waren es nur 18 000. Im
Jahresdurchschnitt 2019 waren es 73 000. In der Mediathek verzeichnet
kommt der Gottesdienst vom 22. März nach Senderangaben auf rund 4000
Videostarts - doppelt so viele wie vorher.

Auch im Netz boomen Gottesdienst-Übertragungen. Domradio.de
verzeichnet hohe Abrufzahlen bei Gottesdienstübertragungen aus dem
Kölner Dom. Die Zuschauerzahl hat sich laut Mitteilung seit dem
Verbot der öffentlichen Gottesdienstfeiern verfünffacht. Erstmals
wurde im März schon in der Monatsmitte die Marke von einer Million
Zugriffe geknackt. «Die sozialen Medien haben zur Zeit eine wichtige
Aufgabe in der Seelsorge», sagte der Leiter der
Domradio.de-Onlineredaktion, Ralf Walter. Auch die Zahl der Domradio-
Hörer habe sich verdoppelt.