Justizminister kritisiert: Prozesspausen müssten noch länger sein

Die Corona-Krise trifft auch die Justiz. Teils kann nicht verhandelt
werden, weil Zeugen oder Schöffen fehlen, oft erschwert das
Homeoffice die Arbeit. Gerichtsverhandlungen werden abgesagt.
Justizminister Wolf fordert noch längere Pausen als nun geplant.

Stuttgart (dpa/lsw) - Wegen der Corona-Krise sollten Gerichte ihre
laufenden Strafprozesse noch länger unterbrechen dürfen als dies in
einer neuen Regelung der Bundesregierung geplant ist. Das fordert der
baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) in einem
Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Eine
Verlängerung für normale Strafprozesse um zwei Monate und eine Pause
von somit insgesamt maximal drei Monaten und zehn Tagen, wie sie am
Freitag in Berlin beschlossen werden soll, sei eine «absolute
Untergrenze», sagte der Minister.

«Ich hätte mir eine Verlängerung der aktuell möglichen Fristen um
zusätzliche drei statt nur um zwei Monate vorstellen können», sagte
Wolf weiter. Es sei für alle Beteiligten wichtig, ein Verfahren so
schnell wie möglich abzuschließen. «Aber wir wissen momentan schlicht

nicht, wie sich die Lage in den kommenden Wochen entwickelt», sagte
Wolf. «Auch wenn wir in absehbarer Zeit zum normalen öffentlichen
Leben zurückkehren, müssen wir den Gerichten die Chance geben, ihren
Betrieb wieder geordnet hochzufahren.» Es sei schon rein
organisatorisch nicht möglich, dass sämtliche Strafkammern am ersten
Tag nach Wiederaufnahme des Dienstbetriebes wieder verhandeln
könnten.

Laut Strafprozessordnung dürfen Hauptverhandlungen im Strafverfahren
nur für drei Wochen unterbrochen werden. Bei besonders umfangreichen
Verfahren, die länger als zehn Verhandlungstage angedauert haben, ist
eine Unterbrechung bis zu einem Monat möglich. Verrinnt die Frist,
muss der Prozess von vorne beginnen.

«In diesen Zeiten, die so für niemanden absehbar waren, müssen wir
vermeiden, dass lange Strafverfahren mit erheblichen Schuldvorwürfen
platzen und von vorne begonnen werden müssen», sagte Wolf. Die
Prozesse seien mit hohem personellen Aufwand verbunden, es werde
teilweise seit Wochen oder gar Monaten verhandelt. «Es wäre fatal,
müssten sie neu aufgerollt werden.»

Die verlängerte Frist soll nach Angaben des Bundesjustizministeriums
gelten, wenn ein Prozess in Zusammenhang mit Einschränkungen rund um
das Coronavirus nicht weitergeführt werden kann.

Einige Gerichte und Landesministerien haben schon auf die Ausbreitung
der Lungenkrankheit Covid-19 reagiert. So sagte der Bundesgerichtshof
diese Woche zahlreiche Verhandlungen ab. Zudem hatte Landesminister
Wolf bereits mitgeteilt, dass nur noch dringende wichtige Prozesse
verhandelt werden.