Klöckner: Mehrere Staaten wollen Eingriff in EU-Agrarmarkt

Die Viruskrise trifft auch Europas Landwirte. Manche haben
Schwierigkeiten mit der Ernte, und frische Ware kommt nicht mehr so
schnell zu den Kunden. Ob die Folgen der neuen Grenzkontrollen schon
Eingriffe in den Markt nötig machen, ist jedoch umstritten.

Brüssel (dpa) - Mehrere EU-Staaten haben nach Angaben von
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) regulierende
Eingriffe in den europäischen Markt für Agrarprodukte verlangt. Diese
Forderung infolge der Corona-Krise sei auf einer Videokonferenz mit
ihren Amtskollegen am Mittwoch laut geworden, sagte Klöckner in
Berlin. Deutschland halte derzeit keine Marktmaßnahmen nötig.

Klöckner pochte angesichts der Viruskrise jedoch auf einen Erhalt der
Agrarmärkte. «Wichtig ist, dass die üblichen Bezugs- und Absatzwege
weitgehend erhalten bleiben», sagte sie. Eine «wesentliche
Voraussetzung» dafür sei, dass der freie Warenverkehr im Binnenmarkt
weiter funktioniere. Die EU-Kommission müsse sich aber auch auf
schlimmere Störungen des Marktes als bisher vorbereiten.

«Sollte es aufgrund des weltweiten Corona-Geschehens (...) zu
außergewöhnlichen Marktstörungen kommen, sollten die Instrumente der

Gemeinsamen Marktorganisation einsatzfähig sein», verlangte Klöckner.

Die EU-Kommission darf beispielsweise in den Markt eingreifen, wenn
es erhebliche Preisschwankungen gibt oder schwere Ungleichgewichte
auf dem Markt für landwirtschaftliche Produkte entstehen.

In den vergangenen Wochen hatten etliche EU-Staaten versucht, die
Ausbreitung des Coronavirus mit Kontrollen an den sonst offenen
Binnengrenzen der EU zu bremsen. Das führte zu langen Wartezeiten für
grenzüberschreitende Transporte mit verderblichen Lebensmitteln oder
Schlachtvieh. Klöckner betonte, dass viel Lebensmittelhersteller ihre
Rohstoffe und Zutaten aus dem EU-Ausland bezögen - beispielsweise
Rohmilch für Molkereien. «Hierbei darf es zu keinen Verzögerungen an

der Grenze kommen», sagte die Ministerin.

Grenzüberschreitende Transporte sprachen die Minister auf ihrer
Konferenz ebenso an wie Probleme beim Einsatz von Saisonarbeitern und
Hilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. In Deutschland fehlen
Erntehelfer, weil Saisonkräfte wegen geschlossener Grenzen nicht mehr
anreisen können. Manche Betriebe könnten wegen der Ernte- und
Absatzprobleme in wirtschaftliche Not geraten.

Das Bundesinnenministerium hat am Mittwoch bis auf weiteres ein
Einreiseverbot für Saisonarbeiter angeordnet. Die Regelung gelte für
die Einreise aus Drittstaaten, aus Großbritannien, für EU-Staaten wie
Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln vollumfänglich
anwenden, sowie für Staaten wie Polen oder Österreich, «zu denen
Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt worden sind».


Die EU-Kommission hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass neue
Beihilferegeln eine finanzielle Unterstützung von bis zu 120 000 Euro
pro Betrieb in Landbau und Fischerei zulassen. Ministerin Klöckner
begrüßte diese Möglichkeiten. Die größeren Hilfsmöglichkeiten
entsprächen auch einem deutschen Wunsch.

Die Agrarminister hatten sich wegen der aktuellen Reisebeschränkungen
und Ansteckungsgefahr nicht in Brüssel getroffen, sondern per
Videoschalte miteinander diskutiert. Damit waren auch die
Möglichkeiten der Berichterstattung für die Presse eingeschränkt.