Landtag bewilligt Staatsregierung mehr Rechte im Anti-Corona-Kampf

In der Corona-Krise ist der Landtag geschlossen wie nie: Im Eiltempo
gibt das Parlament der Staatsregierung noch weitergehende Rechte im
Kampf gegen das Virus. Das Gesetz hat aber ein Ablaufdatum.

München (dpa/lby) - Die bayerische Staatsregierung bekommt im Kampf
gegen das Coronavirus noch weitreichendere Befugnisse. Sie darf nun
einen «Gesundheitsnotstand» ausrufen. Damit kann sie leichter
medizinisches Material beschlagnahmen sowie direkt auf medizinisches
und pflegerisches Personal zugreifen. Wenn es hart auf hart kommt,
können die Behörden letztlich sogar «von jeder geeigneten Person die

Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen» verlangen.

Das alles regelt ein neues bayerisches Infektionsschutzgesetz, das
der Landtag am Mittwoch in seltener Einmütigkeit billigte: Alle sechs
Fraktionen stimmten dem in Rekordzeit erarbeiteten Gesetz zu. Es gehe
um Leben und Tod, deshalb ziehe man an einem Strang, betonten Redner
aller Fraktionen übereinstimmend. Das Gesetz läuft aber am Jahresende
erst einmal automatisch aus. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU)
dankte dem Parlament im Namen der Staatsregierung für die große
Einigkeit. Nur ein fraktionsloser Abgeordneter stimmte mit Nein.

Neben leichteren Beschlagnahmemöglichkeiten für medizinisches
Material sieht das Gesetz unter anderem vor, dass Behörden etwa von
Feuerwehren die Herausgabe von Mitgliederadressen verlangen können
und von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns die Adressen von
aktiven Ärzten und Ärzten im Ruhestand. Ziel ist, in Notsituationen
zusätzlichen Personalbedarf decken zu können. Zudem sieht es
Meldepflichten für medizinische Geräte vor. Und Firmen können zur
Herstellung von Medizinmaterial verpflichtet werden. «Es geht darum,
unser Gesundheitssystem nicht kollabieren zu lassen», betonte Huml.

Der Landtag setzte allerdings beispielsweise durch, dass das
Parlament die Letzt-Kontrolle behält: Die Staatsregierung kann zwar
rasch handeln und den «Gesundheitsnotstand» mit allen Konsequenzen
ausrufen. Doch der Landtag kann jederzeit die sofortige Aufhebung des
Notstands verlangen. Zudem setzte die Opposition die Befristung bis
zum Jahresende durch. Dann muss noch einmal neu entschieden werden,
ob das Gesetz so erhalten bleibt, geändert wird oder ausläuft.

«Es geht darum, Leben zu retten», sagte der Vorsitzende des
Gesundheitsausschusses, Bernhard Seidenath (CSU). Man habe es mit
einer «Katastrophensituation» zu tun mit einer Ursache, die man nicht
sehen könne. In dieser Situation müsse die Exekutive zupackend
handeln und überlebensnotwendige Entscheidungen treffen können.

Man wolle bestmöglich auf den Anstieg der Corona-Fallzahlen
vorbereitet sein, sagte der Politiker. «Wir haben den Höhepunkt der
Pandemie noch längst nicht erreicht. Das Gesetz sei «eine
Notstandsgesetzgebung, eine Gesundheitsnotstandsgesetzgebung».
Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl mahnte: «Beim Kampf gegen
das Coronavirus zählt jeder Tag.»

Auch die vier Oppositionsfraktionen - Grüne, AfD, SPD und FDP -
stehen dabei hinter der Staatsregierung. Es gehe um den Schutz «von
Gesundheit und Leben, aber auch des Gesundheitssystems und letztlich
dieser Gesellschaft», sagte SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Richard
Graupner (AfD) sagte, man unterstütze, was zwingend notwendig sei.

Die Opposition betonte aber auch, dass es wichtig gewesen sei, den
ursprünglichen Gesetzentwurf der Staatsregierung in einigen Punkten
zu korrigieren. «Gerade in Krisenzeiten wie dieser ist es unsere
oberste Pflicht als Parlamentarier und Parlamentarierinnen, unsere
Demokratie auch zu schützen», sagte der Grünen-Abgeordnete Andreas
Krahl.

Weil das Gesetz in die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und
Bürger eingreife, sei es auch wichtig gewesen, dessen Haltbarkeit zu
begrenzen. «Wenn wir diese Krise - hoffentlich bald - bewältigt
haben, dann werden wir dieses Gesetz eben nicht irgendwo in einer
Schublade die nächsten Jahrzehnte mit uns rumschleppen», sagte Krahl.

Nach Corona sei dann die Zeit der kritischen Überprüfung und
Nachbesserung, betonte er. «Nach Corona wird auch die Zeit sein,
darauf zu achten, den Bürgerinnen und Bürgern alle ihnen zustehenden
Freiheiten zu garantieren.» Darauf werde man «akribisch achten».

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte, die Staatsregierung könne sich
in dieser Krise auf die Opposition verlassen. Er mahnte aber: «Der
Ausnahmezustand muss so schnell wie möglich beendet werden.» Auch
dafür müsse die Staatsregierung die nötigen Voraussetzungen schaffen.


Der Landtag beschloss zudem eine gesetzliche Regelung, um die
Kommunal-Stichwahlen am Sonntag, die wegen der Corona-Krise nur per
Briefwahl durchgeführt werden, absolut rechtssicher zu machen. Dies
wird nun mit einer Ergänzung im entsprechenden Gesetz explizit
klargestellt, damit die Wahl deshalb am Ende nicht anfechtbar ist.