Digital-Abos top, Anzeigen mau: Verlage in der Corona-Krise Von Anna Ringle, dpa

Information, Information, Information: In der Coronavirus-Krise
schnellen die Zugriffe auf Zeitungs- und Magazinwebseiten nach oben.
Verlage schließen viel mehr Digital-Abos ab als sonst. Aber es gibt
eine Kehrseite für die Verlagsbranche.

Berlin (dpa) - Einzelhandel in der Coronavirus-Krise? Läden in
Deutschland sind geschlossen. Industrie in der Coronavirus-Krise?
Viele Produktionen werden zurückgefahren. Medien in der
Coronavirus-Krise? Hochbetrieb. Der Hunger in der deutschen
Bevölkerung nach Information ist riesengroß - die Zugriffe auf die
Webseiten von Zeitungen und Zeitschriften und hohe Zuschauerzahlen im
Fernsehen und beim Streamen zeigen es.

Viele Medienhäuser gewinnen zurzeit deutlich mehr Abonnenten speziell
für ihre digitalen Angebote im Internet hinzu. Das ergab eine Umfrage
der Deutschen Presse-Agentur unter Medienhäusern. Die
Coronavirus-Krise hat für die Branche aber eine Kehrseite - es geht
um den Anzeigenmarkt.

DIGITAL-ABOS

Schon lange richten sich Medienhäuser zunehmend auf den digitalen
Journalismus aus. Die Auflagen von gedruckten Zeitungen und Magazinen
sind seit Jahrzehnten rückläufig. Erst kamen E-Paper hinzu, also die
Zeitungsausgabe digital abrufbar, seit Jahren experimentieren Verlage
zudem mit Bezahlschranken und Plus-Abos mit exklusiven Inhalten auf
ihren Webseiten. Das soll den Printverlusten etwas entgegensetzen.
Die Coronavirus-Krise wirkt sich für den digitalen Journalismus
momentan positiv aus, wie die Umfrage zeigt:

Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hat «deutlich steigende
Abschlussquoten» bei seinem Digitalabo «Spiegel+». Man sei
zuversichtlich, dass sich die ersten positiven Anzeichen der starken
Nachfrage nach Berichterstattung verstetigen, teilt der Verlag mit.
Die Madsack Mediengruppe - zu ihr gehören 15 Zeitungstitel, darunter
«Hannoversche Allgemeine Zeitung» und «Märkische Allgemeine» -
bemerkt einen «signifikanten Anstieg» der +Abos bei allen
Tageszeitungsmarken. «Derzeit liegen wir bei etwa 1000 Abschlüssen
pro Tag.» Die Mediengruppe bilanziert: «Die derzeit hohen
Zuwachsraten beim Abschluss von Digitalabos führen aktuell zu
deutlich höheren Vertriebserlösen.»

Der Medienkonzern Axel Springer verzeichnet ebenfalls einen
«deutlichen Anstieg» der Abo-Abschlüsse bei den Digitalangeboten
«BILDplus» und «WELTplus». «Hier verkaufen wir teilweise doppelt
so
viele Abos wie geplant.» Ähnliches Bild bei der überregionalen
«Frankfurter Allgemeinen Zeitung» - vom Verlag heißt es: «Die
Angebote der «F.A.Z.» erfahren auf digitalen Kanälen massiven
Zuspruch und wachsen mit enormer Dynamik.» Das Digitalabonnement «F+»

sei «auffallend stark gewachsen». Der Verlag reagierte bereits auf
diesen Trend: Er senkte den wöchentlichen Preis für das digitale Abo.
Und der Kommunikationsleiter beim Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr,
Frank Thomsen, sagt über das Nachrichtenmagazin «Stern»: «Bei «St
ern
Plus» etwa werden 54 Prozent mehr Abos als vor der Krise
registriert.»

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) fasst
für die Branche zusammen: «Der Verkauf von digitalen Produkten wächst

seit Jahren, jetzt jedoch überproportional. Das kann man sicherlich
Corona zurechnen.»

ANZEIGEN

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei dem wichtigen Standbein
Werbemarkt für die Verlage. Die regionale Tageszeitung «Lausitzer
Rundschau», die auch steigende Online-Zugriffe verzeichnet, rechnet
mit starken Rückgängen. Der Geschäftsführer LR Medienverlag und
Druckerei GmbH, Clemens Braun, sagt: «Sämtliche Branchen stornieren
derzeit sowohl Anzeigen als auch Beilagen. Wir gehen von einem
Einbruch im April von 70 bis 80 Prozent aus. Die weitere Entwicklung
ist derzeit kaum zu prognostizieren, da sie direkt von den
Entscheidungen hinsichtlich der Öffnungsmöglichkeiten für Betriebe
abhängt.» Der Geschäftsführer der Mediengruppe Main-Post, David
Brandstätter, erklärte auf der Mainpost-Webseite: «Wir verzeichnen
bei der Tageszeitung und unseren Anzeigenblättern Werbeverluste von
über achtzig Prozent.»

Die zwei Beispiele sind keine Einzelfälle. Vom BDZV-Verband heißt es:

«Auf Nachfrage haben uns unsere Mitgliedsverlage signalisiert, dass
das Anzeigengeschäft stark eingebrochen ist und weiter einbrechen
könnte.» Stornierungen gibt es demnach neben dem Eventbereich auch
von Gastronomie und dem klassischen stationären Einzelhandel -
Lebensmittelhandel weitgehend ausgenommen.

Der Springer-Konzern bemerkt Stornierungen bereits gebuchter
Kampagnen. «Gleichzeitig gibt es viele Werbekunden, die nach wie vor
großen, wenn auch veränderten Kommunikationsbedarf haben.» Das
Medienhaus versucht, mit flexiblen Angeboten und Aktionen darauf zu
reagieren. Auch der Bertelsmann-Konzern, zu dem das Hamburger
Verlagshaus Gruner + Jahr und auch RTL gehören, verzeichnete jüngst
bereits Anzeigenrückgänge, wie er diese Woche bei der Jahresbilanz
erläuterte.

Bei der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» kommen Stornierungen und
ausbleibende Buchungen etwa aus den Branchen Luftfahrt, Kunst,
Kultur, Tourismus, Lifestyle und Luxusmarkt. Zugleich sieht der
Verlag diesen Effekt: «Auf der anderen Seite investieren die
öffentliche Hand, Telekommunikation und Finanzdienstleister in
kommunikative Sondermaßnahmen.»

Die dpa-Umfrage ergab auch, dass viele Verlage noch nicht absehen und
einschätzen können, wie groß die Folgen in der Werbemarktentwicklung

sein werden. «In welcher Dimension der wirtschaftliche Schaden hier
liegen wird, ist noch nicht abzusehen», heißt es von der Madsack
Mediengruppe.

KURZARBEIT

Ein Instrument, das in vielen Branchen in Deutschland jetzt eine
Rolle spielt, um Kündigungen vorzubeugen, ist die Kurzarbeit. Das
könnte zunehmend womöglich auch für Medienhäuser infrage kommen. De
r
Chef des Medien-, Dienstleitungs- und Bildungsunternehmens
Bertelsmann, Thomas Rabe, kündigte diese Woche an, man prüfe das
gesamte Instrumentarium, um Umsatzrückgänge in einzelnen Geschäften
auszugleichen - auch Kurzarbeit. In speziellen Bereichen der
Dienstleistungstochter Arvato werde Kurzarbeit punktuell bereits
eingesetzt. Main-Post-Geschäftsführer Brandstätter erläuterte auf d
er
Zeitungswebseite, man werde im Medienhaus «die Möglichkeit von
Kurzarbeit so umfassend wie nötig nutzen».