Corona: Kunstmarkt weicht ins Netz aus - mit Erfolg Von Sabine Glaubitz, dpa

Erstmals findet eine Kunstweltmesse im Internet statt. Auktionshäuser
lassen den Hammer verstärkt online fallen. Die Kunstwelt taucht in
Zeiten der Corona-Krise immer mehr in die virtuelle Welt ab.

Paris (dpa) - «Die andere Seite vom Ölfleck» von Georg Baselitz
wurde verkauft, ebenso «Splendor in the Grass» von Mary Weatherford
.
Gleich zu Beginn der Kunstmesse Art Basel Hongkong waren im Viewing
Room des Branchenriesen Gagosian von ingesamt zehn Werken
schon sieben veräußert. Der amerikanische Händler war einer der 2
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Aussteller der Kunstmesse, die wegen Covid-19 erstmals im Internet
stattfand - mit 2000 Werken im Wert von 270 Millionen Dollar (250 Mio
Euro).

Es war die erste große Online-Messe der Branche und ein Versuch,
einen Teil der Verluste für die Händler abzufedern, nachdem die Art
Basel im Kongress- und Ausstellungszentrum von Hongkong im
vergangenen Monat abgesagt worden war - so wie viele andere
Branchenmessen. Rund 90 Prozent der Aussteller entschieden sich
daraufhin für die kostenlose Online-Teilnahme an der Veranstaltung,
die vom 18. bis 25. März dauerte. Die ersten beiden Tagen waren für
VIP's reserviert, wie bei der realen Messe, die die Schweizer
Muttermesse Art Basel 2013 gegründet hatte.

Jede Galerie stellte zehn Werke in ihrem Viewing Room aus -
identische virtuelle Messestände, die aus einer weißen Wand bestanden
mit einer Bank davor, um eine Vorstellung vom Umfang der Arbeiten zu
geben. Auf der Wand folgten durch Klicken nach einem
Präsentationstext nacheinander die Werke, daneben erschienen die
Preise.

Kein sehr spektakuläres Online-Surfing. Doch schon kurz nach
dem Start verzeichneten die Galerien den ersten Online-Zustrom wie
etwa der österreichische Händler Thaddaeus Ropac. Der Galerist
verkaufte eine Arbeit von Jules de Balincourt zu einem Preis von 140
000 Dollar eine Stunde nach der VIP-Eröffnung. Das Werk war nicht das
einzige, das bei Ropac den Besitzer wechselte.

Man habe angesichts der Krise keine großen Erwartungen gehabt und
habe die teuersten Werke nicht ausgestellt, sagte der 60-jährige
Ropac der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Die Internet-Messe sei
ein interessanter Weg, aber vor allem sei sie eine Art Schaufenster,
die die Kunstwelt untereinander in Verbindung halte. «Nach den ersten
Stunden haben wir viele Kontakte gemacht, vor allem in Asien»,
erzählte der Händler mit Galerien in Paris, London und Salzburg.

Trotz des Verkaufserfolgs ersetzen virtuelle Räume für ihn keine
wirklichen Messen: «Wir werden Sammler immer ermutigen, die Werke zu
sehen.» Ein Beispiel hat er gleich zur Hand: Ein Kunde habe großes

Interesse an einem Werk des US-amerikanischen Malers Robert
Rauschenberg (1925-2008) für über eine Million Dollar gezeigt,
erklärte er. Nach der Krise wolle der Interessent nach Paris reisen,
um es dort zu sehen. In Frankreich herrscht Ausgangssperre, Ropacs
Galerie dort ist bis auf Weiteres geschlossen.

David Zwirner gehörte zu den ersten, die 2017 mit den Viewing Rooms,
Online-Betrachtungsräume, gestartet sind. Laut Elena Soboleva, der
Online-Verkaufschefin des in Köln geborenen Galeristen mit Filialen
in New York, London und Paris, sind die Verkäufe im Netz seitdem

ständig angestiegen: 2018 um 159 Prozent, 2019 um 400 Prozent. Auf
der virtuellen Art Basel Hongkong hat Zwirner unter anderem für 2,6
Millionen Euro ein Gemälde der südafrikanischen Künstlerin Marlene
Dumas verkauft.

40 Prozent der Verkaufsanfragen seien von neuen Kunden gekommen,
sagte Soboleva der dpa. Dies bestätige, dass Online ein wichtiger
Kanal sei, nicht nur für die bereits existierenden Kunden. Das Ende
des klassischen Geschäftsmodells der Galerien und Messen sieht sie
dadurch jedoch nicht gefährdet. Virtuelle Betrachtungsräume seien
eine Alternative für Sammler, die unter anderem auch mit Blick auf
Klimaschutz nicht mehr von einer Messe zur anderen reisen wollen. 

Zu den überzeugten World-Wide-Web-Kunstakteuren gehört Robert
Ketterer in München. Der Chef des großen deutschen
Kunstauktionshauses ist seit Jahren schon bestens aufgestellt.
Bereits 90 Prozent seiner Versteigerungen führt er im Netz durch. In
den abendlichen Saalauktionen säßen zwar noch viele Interessierte,
doch gebe es unter ihnen kaum mehr als zwei oder drei Bieter, sagte
er der dpa.

Sehr erfolgreich hält Ketterer Internet-Versteigerungen bei Objekten

zwischen 10 000 und 40 000 Euro ab. Seit er aufgrund der
Corona-Pandemie seine Säle schließen musste, habe er weniger
Schwierigkeiten, die Verkäufer für Online-Auktionen zu gewinnen,
erklärte er. Der gestiegenen Nachfrage werde er deshalb durch ein
größeres und höherpreisiges Angebot nachkommen. Mit Live-Auktio
nen
rechnet Ketterer frühestens wieder im Juni/Juli. 

Krisen bringen Gewinner und Verlierer hervor. Viele Galerien, vor
allem kleinere und mittlere, bangen in Paris, London, New York und
Berlin um ihre Existenz. Der Galerist Werner Tammen sagte im
Deutschlandfunk, er rechne ohne finanziellen Schutzschirm in den
nächsten Monaten mit Insolvenzen. Tammen ist Vorsitzender des
Landesverbandes der Berliner Galerien, dem rund 70 Händler
angehören.