Gesundheitskrise nach Nutzung von E-Zigaretten in USA nicht vorbei Von Christina Horsten, dpa

Im Herbst stieg in den USA die Zahl der Toten in Zusammenhang mit
E-Zigaretten rasant an. Experten waren besorgt, der Verkauf wurde
beschränkt. Ein Jahr nach dem ersten Fall sinken die Zahlen, aber die
Krise ist noch nicht vorbei - und trifft nun auf das Coronavirus.

New York (dpa) - Fast jede Woche musste die US-Gesundheitsbehörde
CDC im vergangenen Herbst steigende Zahlen verkünden. Über den Sommer

hinweg waren nur ein paar Dutzend Fälle bekannt geworden, bei denen
Menschen wegen Gesundheitsschäden nach dem Gebrauch von E-Zigaretten
ins Krankenhaus gekommen waren. Doch dann kletterten die Zahlen immer
weiter nach oben und schließlich wurden Todesfälle bekannt. «Zutiefst

besorgniserregend» sei das alles, sagte CDC-Direktor Robert Redfield
und US-Präsident Donald Trump bezeichnete das Vaping (Dampfen von
E-Zigaretten) als «großes Problem».

Der erste Fall im Krankenhaus wurde dem CDC am Dienstag (31. März)
vor genau einem Jahr gemeldet, auch wenn es wahrscheinlich sei, dass
es vorher schon Fälle gegeben habe, wie die Behörde mitteilt. Seitdem
kamen mehr als 2800 weitere registrierte Erkrankte hinzu, rund 70
Menschen starben. Erkrankte erleben meist Husten, Atemnot und
Schmerzen im Brustkorb, oft auch Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit,
Schwindel und Fieber, manchmal auch entzündete Lungen. Bei einigen
Betroffenen führte Lungenversagen zum Tod. Die Fallzahlen nehmen seit
Ende September weitgehend stabil ab - vorbei ist die Krise in den
USA aber noch lange nicht.

E-Zigaretten enthalten keinen Tabak. In der Regel wird eine
nikotinhaltige Flüssigkeit (Liquid) erhitzt, mit dem Verdampfen kann
sie eingeatmet werden. Nach Angaben des Bundesinstituts für
Risikobewertung (BfR) sind gewöhnliche E-Zigaretten nach heutigem
Wissen weniger gesundheitsgefährdend als konventionelle
Tabakerzeugnisse. In Deutschland und auch europaweit ist bislang kein
ähnlicher Anstieg von Lungenschädigungen bekannt. Die Beschwerden
scheinen sich auf Nutzer in Nordamerika zu beschränken. In
Deutschland ist die Zusammensetzung der Wirkstoffe von E-Zigaretten
strenger reguliert als in den USA.

Die Ursache der Gesundheitsschäden in den USA konnte bislang noch
nicht sicher ermittelt werden. Den bisherigen Forschungen der
CDC zufolge stellt sehr wahrscheinlich Vitamin-E-Acetat die
Hauptursache dar. Es wurde in den USA als Zusatzstoff in THC-haltigen
Liquids verwendet. Andere Chemikalien könnten aber auch dazu
beitragen.

Als Reaktion auf die Fälle beschränkte die US-Regierung Anfang des
Jahres den Verkauf von E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen, die
besonders Jugendliche ansprechen - wie etwa Frucht oder Minze. Das
Mindestalter zum Kauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten wurde von
18 auf 21 Jahre angehoben. Der umstrittene Anbieter Juul Labs war dem
schon zuvor gekommen und hatte den Verkauf von aromatisierten
E-Zigaretten mit Fruchtgeschmack in den USA bereits eingeschränkt.

Vaping - eigentlich als Aussteige-Hilfe für Raucher gedacht - hatte
sich in den USA besonders bei Jugendlichen zum Trend entwickelt, auch
bei denen, die vorher gar nicht geraucht hatten. Andere Nutzer sind
oft Menschen, die zum Abgewöhnen von Tabak-Zigaretten umsteigen.

Die neuen Regelungen der US-Regierung ließen allerdings
«Schlupflöcher» offen, die zahlreiche Anbieter längst zur Entwicklu
ng
neuer Produkte genutzt hätten, und viele Jugendliche würden weiter
vapen, sagte Matt Myers von der Aktivistengruppe Campaign for
Tobacco-Free Kids jüngst dem Radiosender NPR. Die Gesundheitsbehörde
CDC rät weitgehend vom Vaping ab, für Jugendliche sogar
grundsätzlich.

Zudem kommt nun eine weitere Sorge: Menschen, deren Lungen durch
Vaping geschädigt wurden, könnten ersten Indizien zufolge anfälliger

für eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus sein. So war
beispielsweise einer der ersten Coronavirus-Fälle in der
Millionenmetropole New York ein 22 Jahre alter Mann. «Warum ist ein
22-Jähriger zu diesem Zeitpunkt stabil, aber im Krankenhaus? Der
einzige Faktor, den wir kennen, ist, dass er ein Vaper ist»,
kommentierte Bürgermeister Bill de Blasio. «Wir wissen nicht, ob er
sonst noch irgendwelche Vorerkrankungen hat, aber wir glauben, dass
der Fakt, dass er Vaper ist, diese Situation beeinflusst.»

Nach Auskunft von Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie, spricht vieles dafür, dass zumindest
Raucher gewöhnlicher Zigaretten ein erhöhtes Risiko für
Corona-Infektionen haben. «Raucher haben grundsätzlich ein höheres
Risiko, Virusinfektionen zu erleiden.» Auch wenn es beim Coronavirus
noch nicht nachgewiesen sei, schränke Rauchen die Abwehrkräfte des
Bronchialsystems generell ein. Daten aus Wuhan gäben zudem zumindest
einen Hinweis darauf, dass das Risiko eines schweren Corona-Verlaufs
mit einer echten Lungenentzündung bei Rauchern deutlich höher ist.

Andere Experten verweisen darauf, dass bei Vapern zwar noch viel zu
wenig über den Einfluss auf Corona-Infektionen bekannt sei. «Aber
alles, was die Lungen schädigt, vergrößert das Risiko, anfällig zu

sein», sagte die New Yorker Kardiologin Tara Narula dem TV-Sender
CBS. «Wenn es nicht schon immer Gründe gegeben hat, aufzuhören - hier

ist noch einer.»